Erstellt am: 21. 8. 2010 - 21:28 Uhr
Nightpark beim FM4 Frequency
Das war irre gestern. Beziehungsweise heute früh.
Meinen Festivaltag fange ich an, da geht über der Green Stage im Daypark bei Delphic gerade die Sonne unter. Ein Endlosset aus perfekt-harmonischem Sound und lieblichem Gesang, der sich ins Abendrot loopt.
Meinen Festivaltag beende ich mit einem Spaziergang über den verschlafenen Campingplatz, und der Sonnenaufgang bringt meine müden Nachtaugen ganz hektisch zum blinzeln.
Sonnenbrand haben wir uns im Nightpark jedenfalls keinen geholt, Eva Brunner und ich.
Wie so ein Festivaltag in der Nacht ausschaut, gibts seit Festivaltag 1 in kurzen Stationen auf Eva Brunners Twitter anzuschauen. Von unserem Arbeits- und Interviewplatz, der eigentlich die Umkleide der Gogotänzerinnen ist. Von den speziellen Wünschen des Turntablerockers, der anscheinend besonders fett gegessen hat. Und vom kompletten Wahnsinn, der da ausgebrochen ist, als das Set von Paul Kalkbrenner angestanden ist. Deswegen: Das Wichtigste zuerst. Das mit der Chronologie ist, wie wir seit den Klaxons wissen, ohnehin fürn Hugo.
eva Brunner / fm4
Paul Kalkbrenner
- Der FM4 Frequency Videoblog: Das Festival in bewegten Bildern
- Teil einer Festival-Bewegung sein: Portugal. The Man, Wallis Bird, Serj Tankian, Delphic, We Are Scientists, Yeasayer und Tocotronic
- Kammer-Pop und metaphorisches Konfetti: Martina Topley-Bird, Asteroids Galaxy Tour. And Miss Platnum, Madsen und die Klaxons.
- Triumph des Antiheadlinertums: James Murphy glänzt mit dem LCD Soundsystem in allen Farben. Auch noch: Massive Attack
- Baden bis zum Umkippen: Die Traisen macht den Campingplatz zum Ibiza Österreichs. Mit Fotos. Und Folgen.
- Nightpark beim FM4 Frequency: Wie cool ist das denn?
Alle weiteren Stories unter fm4.orf.at/frequency
Paul Kalkbrenner, der gibt den Nachtbühnen am FM4 Frequency Festival eine neue Dimension. Während sonst die Party gut gefüllt ist, aber zumindest Platz zum Atmen bleibt, lockt Pauli, wie ihn der geneigte Fan bisweilen nennt, die Massen an. Kein Wunder, wenn sich sogar der Strache als Fan outet.
Wer da jetzt einen Beißreflex kriegt, oder nur mehr an Ziegelsteine denkt, reißt sich bitte kurz zusammen. Das heißt ja nur, dass der Star-DJ mittlerweile in einer Liga mit Udo Jürgens (Petzner), den Edlseern (Gusenbauer) oder dem F.C. Barcelona (Krankl) spielt. Sprich: man ist so bekannt, dass man sich seine Fans nicht mehr aussuchen kann.
Im Fall des Nightparks ist das für Paul Kalkbrenner vermutlich egal. Weil die fast 7000 Menschen, die sich da in die Kasernenhalle im Nightparkgelände gequetscht haben, hätte selbst der Berliner Vorzeige-DJ nicht besser casten können. Der Polohemdträger mit Gelfrisur liegt dem Conversegirlie im Camouflage-Top in den Armen. Die bunten Riesenplastikhände, die der Mobilfunkbetreiber verteilt hat, wippen in der Luft, als gäbs ein überlebensgroßes High Five zwischen dem Knöpferldreher auf der Bühne und seinem ekstatischen Publikum. Wer da noch sagt, Paul Kalkbrenner wäre zu kommerzig, der kennt seine Fans nicht.
Dass Paul Kalkbrenner möglicherweise ein pedantischer (sein Soundcheck dauerte ungefähr vier Mal so lang wie der von einer handelsüblichen Festivalband), überaus selbstbewusster (gibts backstage nicht mindestens ein Kashmirsofa, dreht er um und geht nach Hause) und populärer (sein Film Berlin Calling wird über kurz oder lang zum Dritten Mann Berlins) Zeitgenosse ist, mag alles stimmen - als DJ ist er allerdings tadellos. Im Nightpark gabs ein schönes Technoset, das sehr deep begonnen hat, ab und zu ein wenig fadgasig und inklusive aller Vor- und Nachteile von balearisch duftenden Breitwandsounds. Das Set mit dem prätenziösen Mad World Remix zu beschließen, ist allerdings ungefähr so, wie beim ersten Date eine Kuschelrock-CD auflegen oder dem Tanznachbarn schon nach dem ersten Anlächeln zwischen die Beine zu greifen - das will einfach zu viel und ist supergrindig.
eva brunner / fm4
Mustard Pimp
Zu viel will auch Mustard Pimp, der vor Paul Kalkbrenner den anderen Floor im Nightpark bespielt. Das allerdings bringt er nicht verschämt über die Hintertür zum Ausdruck, sondern fetzt es dir direkt ins Gesicht. Der aktuelle Meister des Fidget sorgt dafür, dass es zwischen den Headlinern im Daypark und dem Kalkbrenner-Set keine Zeit zum Müde werden gibt. Vor zehn Jahren hätte solchen Sound bestenfalls ein verirrter Drone-DJ auf einer Gabber-Parade gespielt. Dass lautes Gedonnere mit Rod Stewart-Zitaten, Höllenbeat und Breaks im Minutentakt mittlerweile auch die Beine von Festivalpublikum höher springen lässt, ist allerdings eine der größeren Errungenschaften der so genannten Nullerjahre.
eva brunner / fm4
Electro Ferris
Eine der interessanteren Persönlichkeiten im deutschsprachigen Showgeschäft ist Sascha Reimann. "Sascha wer?", fragst du dich. Und er sich auch.
Zur ersten Nightpark-Nacht mit Diplo und Schlachthofbronx gibts in den nächsten Tagen noch Ausführlicheres.
Begonnen hat er als Turboproll Ferris MC, ist dann an die Front (sprich als Sänger) zu Deichkind gewechselt, und jetzt versucht er sich als DJ unter dem Namen Electro Ferris. Wer er wirklich ist, weiß er selbst nicht so recht, gesteht er uns. Er mag es einfach, in verschiedene Rollen zu schlüpfen.
So ungefähr, wie du mit deiner Tante anders bist wie mit deinen Festivalfreunden, teilt er sich sein Leben auch ganz okay ein. Zuletzt hat er mit Mario Adorf für einen Film gedreht, in dem er einen schmierigen Frittenbudenbesitzer gibt, der den großen Mario Adorf als Hilfskraft einstellt.
eva brunner / fm4
Hilfskräfte hat Electro Ferris auch am Frequency notwendig gehabt. Da ist ihm sein Mischpult abgeschmiert, und das Publikum hat nicht einmal was gemerkt. Wozu gibts denn all die vielen Menschen, die hinter den Festivalbühnen dafür sorgen, dass wir den ganzen Tag und selbstverständlich die ganze Nacht durchfeiern können?
Inzwischen sind wir ausgeschlafen und freuen uns auf the one and only Mäuseohren-DJ Deadmau5. Außerdem lass ich mir von Ed Rush Nachhilfe in Sachen Drum'n'Bass geben. Wird gut.