Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Mein Leben ohne Internet. Tag Sieben."

Gerlinde Lang

Innerlichkeiten. Äußerlichkeiten.

11. 5. 2010 - 12:18

Mein Leben ohne Internet. Tag Sieben.

Das ist der letzte Tag.

Je weniger das Internet da ist, desto mehr denke ich mir: Vielleicht bin ich doch ein Morgenmensch. Am Vormittag ist es nie ein Problem, wenn kein Internet da ist. Essen, telefonieren, Perlen fädeln, Fensterbrettgärtnerei, Konzipierung einer neuen Besenkammer, das gute Buch, you name it.

Am Abend, wenn ich alleine bin, keiner Zeit hat und im Fernsehen nichts läuft, keine Schokolade vorrätig ist und einfach schon alles getan und gedacht ist und ich zu müde bin, noch ein neues Tun und Denken anzureissen, da wird's interessant.

Ich stehe vor dem Spiegel und male meine Lippenkonturen mit einem sehr selten benutzten Stift nach. Ich lege Lippenstift auf, darüber Gloss. Dann kommt das Augenmakeup. Nicht zu knapp vom guten Pigment. Dann kommt noch Puder und Glänz und Kämm und dann lege ich beide Hände unten am Kiefer an und schiebe sie nach oben. Quer durch das Makeup. Nichts passiert. Nur meine Gesichtsfarbe ist jetzt durchgehend strahlend dunkelrosa. Und hundert goldene Glänzpartikel schieben sich zwischen meine Netzhaut und meine Kontaktlinsen. Aua, aua, aua aber auch.

Die internetlose Woche ist zu Ende und ich kehre bei Tixo ein, um meinen Laptop abzuholen. Wie in ein viel zu heisses Bad steige ich gaaanz langsam wieder ins Internet.
Tixo und ich klappen unsere Laptops auf, wir haben das gleiche Modell, und beginnen eine Partie Scrabble über Facebook. Wir sitzen nebeneinander auf dem Sofa, gucken auf den Monitor des jeweils anderen, helfen uns gegenseitig beim Wörterzusammenstoppeln und warten ganz gelassen, wie das neutrale Internet unsere Spielschritte mal schneller, mal langsamer dem anderen auf den Monitor spült.
Dann und wann mischen wir die Buchstabensteinchen, was im Computer ein lautes Rascheln erzeugt, um den anderen ein bisschen zu ärgern.

fauchende katze vor einem scrabble brett sagt: kitteh iz so word. wurth twelvity five points.

icanhazcheezburger.com

Komm in meine Arme, sehnlichst vermisstes Lolcat-Widget!

Danach schaue ich, ob sich etwas auf Facebook getan hat. Eigentlich nicht. Ich tippe eine Statusmeldung, dass es eh egal ist, ich aber nach einer Woche nun zurück bin. Dann lese ich alle meine Modeblogs und gehe alle meine sehnlichst vermissten Internetläden durch. Irgenwie war das Internet in meiner Erinnerung besser. Mir geht auch das Gefühl auf den Nerv, das sich beim Anblick gewisser neuer Schuhe online einstellt. Gerade noch war ich zufrieden, und jetzt ist mir weh ums Herz, weil so ein Holzpantoffel namens Charlie nicht nach Europa versendet wird? Was sind das für Gefühle?

Ich bereite mich darauf vor, am nächsten Tag meine Serie "Mein Leben ohne Internet" zu starten. Eine Woche lang wird mir der Kollege schlechthin, wenn er mich im Funkhaus vor dem Monitor sitzen sieht, "Weg mit dem Teufelszeug! Ist verboten", zurufen. Und ich werde klarstellen, dass ich ja noch Telefon und Bügeleisen und Auto verwende, aber er wird eine Waschrumpel-Bewegung mit den Armen machen, "Keine Waschmaschine" sagen und lachen.

Eigentlich möchte ich jetzt Mönch werden, in eine Waldklause ziehen und nur mehr selbst erwürgte Hirsche am Spirituskocher zubereiten. Ohne so ein Fazit darf man doch heutzutage eine Woche ohne Internet gar nicht mehr beenden. Oder doch.

Ich drücke auf "save & exit", aber irgendetwas stimmt nicht. "Mein Outlook geht nicht", sagt die Kollegin rechts. "Mein Internet lädt nicht", sagt die Kollegin links. Ich rufe die Helpline an. Der Core-Router im Funkhaus hat den Geist aufgegeben. Wir sind alle offline.