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Gerlinde Lang

Innerlichkeiten. Äußerlichkeiten.

4. 5. 2010 - 14:17

Mein Leben ohne Internet

Du hast den Laptop vergessen, Gerlinde.

Montag Abend. Nach dem Versuch, den armen kranken Tixo mit einem Filmchen von meiner Festplatte zu unterhalten, kehre ich nach Haus zurück. Öha, großes Öha sogar: Ich komme heim, aber der Laptop nicht. Ich habe ihn liegengelassen. Kein Problem, denke ich, hol ich ihn eben morgen.

Als ich am nächsten Morgen, es ist Dienstag, das Haus gen Arbeit verlasse, ist alles anders. Das Wohnzimmer ist aufgeräumt. Seeehr aufgeräumt. Mein Wohnzimmertisch ist so gut wie leer, ich habe gemütlich gefrühstückt und das Oberteil, das ich trage, ist gebügelt. Außerdem habe ich neben meinem Luxusmüsli endlich das Yoga-Fachmagazin und den Hörbuchkatalog, die ich mir schon so lange zu Gemüte führen wollte, zu je einem Drittel angelesen. Wahnsinn. Wenn das so weitergeht ... was dann?
Ich beschließe, mein Wording zu ändern. Nein, ich habe nicht einfach meinen Laptop außerhäusig vergessen, ich mache eine Woche ohne Internet, teile ich meiner Freundin Bina am Telefon mit.

Bina lacht. Immer, wenn sie nämlich was auf die Reihe kriegen will, stellt sie ihren Fernseher in die Abstellkammer am Gang. Immer unter ekelhaft pädagogischem Nicken meinerseits: Sehr gescheiter Schritt, Bina. Ich persönlich sehe ja kaum fern.

WARUM WOHL??? Weil ich stattdessen Firefox aufmache, kurz mal was nachschaue, vier Stunden später ist es zwei Uhr nachts, ich habe Hunger, und mir ist kalt. Nein, nein, ich hab das im Griff. Kannst mir glauben.

Hand, die eine Birne mit Augen auf ein weißes Blatt zeichnet

Gerlinde Lang/FM4

Ohne Laptop kannst du dir alles selber malen.

Dienstag Abend, ich komme vom Sport. Der Hin- und auch Heimweg war mäandernd, weil ich ohne Laptop den Weg ja nicht im Internet recherchieren konnte. Es folgten entnervtes Anhalten und die Entdeckung des guten alten Stadtplans mit Gummicover in der Seitentasche der Autotür. Dann: sich in Spiralen dem Ziel nähern. Geht doch. Fatburning ist eh doof, gut, wenn ich es nur halb machen muss.

Und jetzt lecker Abendgestaltung. Normalerweise erstarre ich jetzt für ein paar Stunden vor meinem RSS-Reader.
Heute mache ich mir ein belegtes Brot, Salat dazu, dann fein Duschen und ab ins Bett. Sehr entspannend, ist ja fast wie auf Kur. Aber, äh, es ist erst zehn.

Ich beschließe, ein Buch zu lesen. Gut, Buch gelesen. Neuer Linus Volkmann. Nach dem halben Buch fühle ich mich immer noch munter. Ich fühle mich kribblig. Jetzt noch ein paar Modeblogs ... oder auch nicht. Ich könnte ja auch den Geschirrspüler einräumen. Warum nicht. Damit was weitergeht.

Es ist halb zwölf. Ersatzdrogen. Ich brauche Ersatzdrogen. Ich finde die Fernbedienung unter dem Bett und glotze los. Aha, das österreichische Bundesheer sorgt in letzter Zeit für einiges TV-Material, heute wollen auf VOX ein paar Männer unbedingt zum Jagdkommando und machen deshalb
nach 40 Stunden durchgehendem Marschieren, Rennen, Hieven, Kriechen noch Liegestütze. Dabei werden sie angeschrieen. Dann und wann gibt einer auf, aber nur selten. Die Gesichter der Ausbildner sind gepixelt. Eine exzellente Metapher für, ja was eigentlich. Ich gehe endlich schlafen.

Nett. Aber Cold Turkey. Man hört nicht ungestraft auf mit dem Netz.
Die angenehm moralfreie Geschichte von meiner Woche ohne Internet geht morgen weiter.