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Gerlinde Lang

Innerlichkeiten. Äußerlichkeiten.

7. 5. 2010 - 12:50

Mein Leben ohne Internet. Tag Vier.

Django braucht keinen Stadtplan.

Wir erinnern uns: Am Dienstag hat Gerlinde ihren Laptop außerhäusig vergessen. Ein Zeichen, gleichwertig einer Madonnenerscheinung auf Toastbrot, eine Woche ohne Internet einzulegen. Komme, was wolle.

Ob in der Wohnung oder zuhause, da ist dieses Gefühl der Freiheit.
Den ganzen Tag offline herumzustiefeln ist so, als müsste man weder Handtasche noch Rucksack mitschleppen und hätte doch alles dabei (ja, richtig, Freiheit ist eine Armyhose mit Seitentaschen).

Als wäre man knapp vor der Schule noch in eine Seitengasse eingebogen. Und jetzt liegt der ganze Tag vor mir wie ein Wald, dahinter hügeliges Grasland und wiederum dahinter eine Konditorei.
Oder wie ein Strand, an dem ein paar Katzen sitzen und "God Only Knows" von den Beach Boys singen.

(So, habe ich gelesen, stellt sich nämlich Bethany Cosentino
von der kalifornischen Best Coast den idealen Song vor.)


Ein Tag mit drei Stunden zusätzlicher Freiheit.
Who am I kidding: Eher vier oder fünf.
Das Dumme ist nur:
Alle anderen sind nicht abgebogen und hocken jetzt in der Schule. Ich bin allein auf weiter Flur mit meiner Freiheit.

Zum Beispiel hier auf der Josefstädterstrasse. In zwei Minuten habe ich einen Arzttermin und ich habe schon jedes Haustor im Umkreis von zehn Minuten nach Ordinations-Schildern abgesucht.
"Django braucht keinen Online-Praxisplan und keinen Online-Stadtplan, Django kann sich noch gut erinnern, wie er vor einem Jahr dort war", prahlte ich noch vor mir selbst am Frühstückstisch mit einem weiteren Highlight der zeitaufwendigen Müslizusammenstellung vor mir auf dem Tisch.

Jetzt steht Django da und kann das richtige Haus nicht finden.
Ich glaube, es ist Zeit für einen Telefonjoker.
Mein zuverlässigster Proxy ist immer noch Bruder Besso. "Hallo, sitzt du gerade vorm Internet?", frage ich und mein Bruder macht ein Geräusch. Es ist wie ein Kichern ohne Lungen, es heisst "Ja." und "Wo sonst?" und "Ich weiss."

Besso war zum letzten Mal ohne Internet, als er überraschend über Nacht auf einem Berg biwakieren musste. Er sitzt in seinem Büro an der Technischen Uni und manchmal kommt ein würdiger Greis herein, der vor Jahrzehnten einen raumfüllenden Grossrechner erfunden und "Mailüfterl" genannt hat, und fragt Besso, ob er ihm den Drucker einrichten kann.
"Ich mache gerade eine Woche ohne Internet", sage ich.
"Das könnte mir nicht passieren", sagt Besso.