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Andreas Grünewald

"Es gibt Sachen, die sind so falsch, dass nicht mal das Gegenteil wahr ist."

30. 11. 2009 - 19:57

Prima Klima?

In Kopenhagen verhandeln Experten/innen und Politker/innen ab 7.12. über die Zukunft des Planeten. Was haben die zahlreichen Protestbewegungen daran eigentlich auszusetzen?

Kopenhagen Klimakonferenz

Kopenhagen Klimakonferenz

“In Kopenhagen steht die Zukunft der Menschheit auf dem Spiel”, heißt es in einem Zeitungsinserat des Lebensministeriums zum Klimagipfel, der vom 7.12. bis 18.12. in der dänischen Hauptstadt ausgetragen wird. Diese Meinung wird auch von den zahlreichen KritikerInnen, die im Rahmen von Gegenforen und Protestaktionen in Kopenhagen präsent sein werden, geteilt. Damit hören sich die Gemeinsamkeiten aber schon auf. Denn im Gegensatz zu den zu den geladenen Experen/innen und Politikern/innen fordern die Klimakativisten/innen …. - ja was eigentlich?

Dieser Frage möchte ich in den kommenden Tagen im Rahmen einer kleinen Schwerpunktserie nachgehen. Dabei werde ich jeweils ein zentrales Element der aktuellen Klimapolitik und –Debatte herausgreifen (wissenschaftlicher Hintergrund, technologischer Zugang, marktwirtschaftliche Instrumente, Nord-Süd-Fragen) und mögliche Kritikpunkte vorstellen. Als Einstimmung gibt’s heute einen Überblick zur Ausgangslage in Kopenhagen.

Life of death

Al Gore

apa / Herbert Pfarrhofer

"Life or death, blessings or curses. Therefore, choose life, that both thou and thy seed may live.” Pathetischer Worten bediente sich Al Gore bei der Rede anlässlich der Verleihung des Friedensnobelpreises im Dezember 2007. Der ehemalige Vizepräsident der USA hat sich in den letzten Jahren zum moralischen Gewissen eines Umschwungs in der Klimapolitik gewandelt. In mehreren Büchern, dem Film „An unconvenient truth“ und zahlreichen Awareness-Kampagnen wie dem „Earth-Aid-Day“ verbreitet Al Gore seine Botschaft: „We have begun to wage war on the earth itself.“ Doch bleibt Al Gore nicht bei der Beschreibung düsterer Zukunftsszenarien stehen. In einer gewaltigen Kraftanstrengung der Menschheit sei ein Umschwung noch möglich. Die notwendigen Konzepte und Programme lägen längst auf dem Tisch, und Al Gore hat auch schon die wichtigsten Agenten/innen des möglichen Wandels ausgemacht: „We must ensure that entrepreneurs and inventors everywhere on the globe have the chance to change the world.“ Damit gibt er auch die Marschrute für den Kopenhagen Gipfel vor. Wie auch schon für den letzten Klimagipfel in Bali, zu dem Al Gore direkt nach der Verleihung des Friedensnobelpreises reiste: „We have a purpose. We are many. For this purpose we will rise, and we will act.“

Von Kyoto nach Kopenhagen

In Kyoto legten die Staaten das erste Mal verbindliche Reduktionsziele für Treibhausgase fest: vom Basiswert für 1990 soll der Ausstoß bis 2012 um durchschnittlich 5,2 Prozent gesenkt werden. In Folge wurden zusätzlich „flexible Mechanismen“ wie der Emissionshandel implementiert, die die Erreichung dieser Ziele erleichtern sollten.

Ob die Appelle des Klimaschützers Nummer 1 diesen Dezember Früchte tragen werden, ist mehr als fraglich. Offizielles Ziel des Gipfels ist es, ein Nachfolgeabkommen für den Kyoto-Vertrag von 1997 auszuarbeiten, der 2012 ausläuft. Sollte nicht einmal ein Minimalkompromiß, das heißt das Erstellen einer Roadmap für den nächstjährigen Gipfel in Mexiko, erreicht werden, scheint eine globale Klimapolitik gescheitert, bevor sie erst richtig begonnnen hat. Denn alle bisher angepeilten Reduktionsziele sind in weiter Ferne. So meldete das Global Carbon Project vor kurzem, dass die weltweiten Treibhausgasemissionen seit 1990 nicht um die vereinbarten 5,2 Prozent gefallen, sondern um 41 Prozent gestiegen sind.
Doch trotz dieser alarmierenden Zahlen bleibt das Konfliktpotential in Kopenhagen groß: neben der Frage, wer wie viel Treibhausgasemissionen reduzieren muss, geht es vor allem auch ums liebe Geld: Wer kommt für die Kosten von Verhinderungsmaßnahmen sowie von Anpassungsstrategien an den Klimawandel auf? Und auch an technischen Fragen spießt es sich: Was fällt alles unter Emissions-senkende Maßnahmen, was gilt alles als sogenannten CO2-Senke, die Treibhausgase bindet und damit die eigenen Emissionsrechte erhöht?

Die Streitparteien

Die Realität der globalen Klimapolitik ist von Al Gores Vision also weit entfernt. Anstatt eine geschlossene Gruppe verantwortungsbewusster Führungspersönlichkeiten darzustellen, stehen sich in Kopenhagen verschiedene Parteien und Staatenallianzen mit nur schwer zu vereinbarenden Interessen gegenüber. Da gibt es zum einen die Trennung zwischen Annex B-Staaten und nicht Annex B-Staaten. Zu den ersteren zählen 37 Industrieländer, die verbindliche Reduktionsziele unterzeichnet haben, zur zweiten Gruppe die Entwicklungs- und Schwellenländer (darunter auch Brasilien, China und Indien), denen keinerelei Reduktionen auferlegt wurden. Ein Großteil der Annex-B Staaten hat sich zudem dazu verpflichtet, den Entwicklungs- und Schwellenländern bei der Entwicklung unweltfreundlicher Technologien und bei Anpassungsmaßnahmen finanziell unter die Arme zu greifen. Ein wichtiger Knackpunkt von Kopenhagen ist also: werden Länder wie Brasilien oder China zu neuen Annex B-Staaten, wer darf wie viel emittieren, und wer zahlt wem was?
Teilweise quer zu dieser Zweiteilung treffen am Gipfel mehrere Staatenallianzen aufeinander.

Der Präsident der Malediven hat vor einigen Woche in einer medienwirksamen Aktion auf die bedrohliche Situation seines Landes aufmerksam gemacht: Er hielt eine Kabinettsitzung in voller Tauchermontur am Meeresboden ab.

Die Alliance of Small Island States (AOSIS) ist ein Zusammenschluss von Staaten, die vom Klimawandel und dem damit einhergehenden Meeresspiegelanstieg besonders stark betroffen sind und rasche Maßnahmen fordern. Auf der anderen Seite des Spektrums ist die Umbrella-Group angesiedelt, ein Zusammenschluss von Klimaskeptikern, zu denen neben den USA u.a. Kanada, Japan, Russland und Norwegen zählen. Sie stehen weiteren verbindlichen Abkommen kritisch gegenüber, auch wenn US-Präsident Obama jüngst neue Töne angeschlagen hat.

Barack Obama

dpa / Marijan Murat

Einen weitern Block stellen die EU-Staaten, die sich als Vorreiter in puncto Klimapolitik sehen, selbst jedoch große Schwierigkeiten haben, sowohl was eine geschlossene Positionierung, als auch was das Erreichen der Reduktionsziele betrifft. Andere Allianzen wie die der „Least Developed Countries“ oder der ASEAN-Staaten verkomplizieren die Verhandlungslage noch weiter: sie verbinden mit Kopenhagen entweder die Hoffnung auf finanzielle Hilfe für Anpassungsmaßnahmen, der Eröffnung neuer Geschäftsfelder im Rahmen der „flexiblen Mechanismen“ oder aber erleben ein verbindliches Abkommen als Gefahr für den eigenen wirtschaftlichen Aufschwung. Es wird also schwierig werden für den dänischen Gastgeber, bei den bestehenden Interessensunterschiedene eine Einigung zu erzielen.

Für ein anderes Klima!

Noch etwas bereitet der dänischen Regierung jedoch Kopfzerbrechen: die zahlreichen Gegenveranstaltungen und Demonstrationen, die während des Klimagipfels stattfinden werden. Das Kopfweh der Regierung ist so groß, dass sie mit einem Eilgesetz, dem sogenannten „Lümmelpaket“, die Versammlungsrechte massiv einschränken will: Die Polizei soll dabei das Recht erhalten, Demonstranten/innen bei Verdacht auf ordnungswidrige Absichten 12 Stunden in Vorbeugehaft nehmen zu dürfen, bei Straßenblockaden wie einem Sitzstreik drohen 40 Tage Haft, und auch die Geldstrafen bei Störung der öffentlichen Ordnung werden nach diesem Plan massiv erhöht.

Im Klimaforum09, das während der gesamten Konferenzdauer in Kopenhagen abgehalten wird, sollen die negativen Auswirkungen der aktuellen Klimapolitik ebenso diskutiert werden wie Ansätze zu einem radikalen Wandel.

Ungeachtet dessen gehen die Vorbereitung für diverse Aktionen und Proteste weiter. So breit die Palette an NGOs und Aktivisten/innen, die zum Klimagipfel reisen, so divers sind auch die Anliegen: Während Umweltschutzgruppen wie Greenpeace Druck für ein Nachfolgeabkommen des Kyoto-Abkommen machen und sich damit eng an der Position Al Gores bewegen, treten viele andere Gruppen für radikalere Veränderungen ein, fordern ein „gerechteres Klima“ zwischen Nord- und Südländern oder verbinden die Klimadebatte mit anderen aktuellen Problemen wie der Ernährungskrise. Ein anderes Klima, so ihr Credo, ist nur über den Aufbau einer anderen Gesellschaft möglich. Al Gore ist hier längst kein Verbündeter mehr, sondern Ausdruck einer herrschaftlichen Bearbeitung der Klimaproblematik.

Ein postpolitisches Klima?

Der Klimagipfel in Kopenhagen auf FM4

und mehr zum Klimaschutz auf fm4.orf.at/klimaschutz

Der dominante Klimadiskurs sowie die daran anschließende Politik ist in den Augen vieler KritikerInnen Ausdruck einer postpolitischen Situation, die Al Gore perfekt verkörpert: In dessen Weltsicht gibt es keine sozialen Spaltungen oder Interessensunterschiede im Bezug auf den Klimawandel. Stattdessen muss sich ein globales „Wir“ den Herausforderungen stellen, deren Lösung ohnehin schon parat ist: Technische Expertise, aufgeklärte Eliten und zukunftsorientierte Unternehmen sollen die Klimawende einleiten. Fragen von demokratischer Mitbestimmung bleiben dabei ebenso auf der Strecke wie Analysen der Ursachen des Klimawandels, die über eine enge naturwissenschaftliche Betrachtung hinausgehen. Angesichts der propagierten Horrorszenarien scheint für solche Dinge keine Zeit.
Der Geograph Erik Swyngedouw bringt die Kritik an einer solchen Herangehensweise, die von eine Vielzahl sozialer Bewegungen geteilt wird, so zum Ausdruck: „The world’s premature ending in a climatic Amrageddon seems easier to imagine (and sell to the public) than a transformation of (or end to) the neoliberal capitalist order that keeps on practicing expanding energy use and widening and deepening its ecological footprint.“

In den kommenden Tagen werden ich einige dominante Herangehensweisen in der Klimapolitik und die Kritik daran genauer darstellen. Hier ein kurzer Überblick:

  • Nur heiße Luft? Wissenschaft und Klima
  • Techno-Klima: Wie die Technik das Klima retten will
  • Climate for Sale: Marktinstrumente gegen den Klimawandel
  • Climate Justice: Klimapolitik und globale Gerechtigkeit