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Felix Knoke Berlin

Verwirrungen zwischen Langeweile und Nerdstuff

6. 4. 2009 - 11:20

Frust-Tagebuch: Fleisch und Bananen

Ganz unerwartet schlägt der Provinzfrust im Supermarkt zu. Wie fühlt sich das an, plötzlich keine Auswahl mehr zu haben? Schlecht - aber hinter der Kasse geht es ja weiter.

Vorweg: Im Oktober 2008 zogen meine Freundin und ich von Hamburg nach Halle (Saale). Sie wollte hier studieren, ich arbeiten, gemeinsam wollten wir eine neue Stadt erforschen, neue Freunde finden und viele Abenteuer erleben. Dann packte uns der Provinzfrust. Davon handelt dieses Frusttagebuch. Was es können soll und was nicht, erklärt der Beipackzettel.

Die Nummer 40, so dreckig und abgenutzt, hätte mir eigentlich schon früher zu denken geben müssen. Nummer 40 steht für "Bananen". Der Supermarkt um die Ecke will, dass ich mein Obst und Gemüse selbst wiege. Bananen auf die Waage legen, die Bananentaste drücken und das On-demand-Bananenpreisschild auf die Bananen kleben. Drei Handgriffe, die der Supermarkt in Halle erfolgreich vor allem an den Bananenkunden outsourct.

Denn der Hallenser liebt Bananen, das beweist mir die Bananentaste: Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass Bananen so billig sind, oder ob sie so billig sind, weil sie so erfolgreich sind. Die Bananentaste jedenfalls ist abgenutzt, wie keine andere. Die Äpfeln, Orangen, Kiwis, Zitronen zugeordneten Tasten strahlen unberührt und weiß, während Bananennummer 40 eine schwarze Fingerabdruckkartei der hallenser Bananenfans ist. Und eine Warnung an den Zugereisten sein könnte: Erwarte Bananen und nicht viel mehr als Bananen.

Bananentaste

knoke

Oh Banänsche, du Südseegurke

Wäre da nicht die Fleischabteilung. Gäbe es eine Fleischtaste, dann wäre die Bananentaste in ihrer grindigen Abgewetzheit nicht so allein. Der Hallenser serviert zu seinen Bananen gern Fleisch. Nicht anders kann ich mir das massive Fleischangebot, die vielfältigen Fleisch-Werbeanzeigen, -Banner, -Werbesprüche erklären. Fleisch und Bananen, Halle und Saale. Vor dem "Frischemarkt" hing lange ein Schild: Schlackwurst im Angebot. Was ist Schlackwurst? Hat das was mit Bananen zu tun? Ich will es nicht wissen.

Bananen und Fleischfreunde können in Halle glücklich werden. Ich nicht. Zwar dürstet mir stets nach kühler Bananenmilch (mit ein wenig Vanillezucker und einer Prise Pfeffer), mit dem umwerfenden Fleischangebot fange ich als Vegetarier aber wenig an. Vegetarische Pizzas gibt es im Supermarkt um die Ecke in zwei Varianten, im anderen Billigmarkt gab es nicht mal eine schäbige Margharita. Tofu gibt’s manchmal in teuren Minimengen und dann nur in der teuren, meine Vernunft beleidigenden "Asia"-Abteilung.

Die schmerzt mir als größenwahnsinniger Großkunde eines hamburger Asia-Supermarktes und gefürchteter Olivenkäufer aller türkischen Gemüseläden besonders: Apothekenpreise für homöopathische Mengen Sojasoße, krümelweise Witz-Gewürze und vor allem: Fünfzehn Oliven für den Preis eines Kilos schwarzer Traumoliven von Ercan. Den Kümmer-Koriander darf ich nicht mehr kaufen; wegen Aggressionskontrolle. Und dann erst das Gemüse, diese halbvergammelten, angeschimmelten Carnivoren-Witze von Gemüse. Und zwei Sorten geschmacksneutraler Kartoffeln, Tennisball-große Salatköpfe und Äpfel aus einem vergangenen Jahrzehnt. Mein last ressort, die Käsetheke? Nur ein Hauch kaputter Milch.

Die einzigen Ausweichmöglichkeiten - wenngleich ja prinzipiell auch keine schlechten - sind der sündteure Ökomarkt oder die Gemüsekiste. Da gibt’s zwar auch keine Auswahl, dafür schmeckt das Ökogemüse wenigstens nach etwas. Aber das kann ich mir, meinem Hunger und meinen Bedürfnis nach abwechslungsreichem Essen entsprechend, schlicht nicht leisten.

Ganz zu schweigen davon, in Halle auszugehen. Fleischparadies, Vegetarierqual. In die "Ökoase" trau ich mich aus naheliegenden Humor- und prinzipielleren Wortwitzgründen nicht. Auch nicht in das Sushi-Restaurant. Die Diskussion darüber, ob Vegetarier mit gutem Gewissen Fisch essen sollten, will ich nicht führen. Wohl aber, dass ich mich im unterirdisch gelegenen Luxus-Supermarkt mal an der Fischtheke mit einer Goldbrasse versorgte, die sich trotz ungeheurem Kühlaufwand als wenig frisch und eher muffelig herausstellte. Mehr, als man das von einem eh schon toten Tier erwarten würde. Auch der Lachs, der Thun: Ein Trauerspiel. Wenn aber in diesem Markt auch der Sushi-Koch einkaufen geht ...

Was bleibt? Banane.

Banane - Du Südseegurke
Gelb und Gesund
Fast wie die Sonne
Nur nicht so rund

Banane - Schönheit am Baum
Länger als Breit
Krümmer als Grad
Dich essen macht g'scheit

Ohhh - Banane - Banänschen
Du und die Milch
So schönes Pärchen
Gut für mich und dilch