Erstellt am: 26. 11. 2015 - 15:13 Uhr
Die "Bitcoin-Regulierung" wird nicht stattfinden
Der Aufstieg von Bitcoin als verschlüsselte Finanztransaktions-Technologie führt immer wieder zu Forderungen nach deren verstärkter Kontrolle. In Europa haben zuletzt die Terroranschläge von Paris zu einem Aufflammen dieser Debatte geführt. Auffällig ist dabei, wie verzerrt diese Überlegungen in vielen Medien dargestellt werden.
In einem Dokument mit dem Namen "Schlussfolgerungen des Rates der EU und der im Rat vereinigten Mitgliedstaaten zur Terrorismusbekämpfung" heißt es in Punkt 8, der Rat ersuche die EU-Kommission, "die Kontrollen von bankfremden Zahlungsmethoden (z. B. elektronische/anonyme Zahlungen, Finanztransfers, Geldtransporte, virtuelle Währungen, Transfers von Gold oder Edelmetallen und Prepaid-Karten) entsprechend dem damit jeweils verbundenen Risiko zu verstärken und den illegalen Handel mit Kulturgütern wirksamer zu unterbinden".
Diesen sehr allgemein gehaltenen Absatz griff die Nachrichtenagentur Reuters auf, indem sie schrieb: "EU clamps down on bitcoin, anonymous payments to curb terrorism funding". Von da verbreitete sich die Nachricht auf Websites und in Tageszeitungen weltweit.
AFP
Die verzerrtte Meldung wurde kurz darauf begleitet von einem Bericht, die G7-Staaten würden die Terrormiliz IS verdächtigen, Bitcoin für ihre Finanzierung zu benützen und deshalb eine stärkere Regulierung wünschen. Diese Darstellung fand sich unter anderem wieder bei Reuters, sowie in diversen Wirtschaftsmedien.
Tatsächlich haben auch die G7-Staaten bei ihren Beratungen lediglich Überlegungen angestellt, wie man den gesamten Sektor der Finanztechnologie hinsichtlich der Finanzierung von Terror besser kontrollieren könnte. Die sensationslüsterne Reuters-Schlagzeile wurde trotzdem auch hier wieder von anderen Journalisten übernommen.
Es gibt viele weitere Beispiele für diese Art der verzerrten oder vereinfachten Darstellung. Die Direktorin des US-amerikanischen Financial Crimes Enforcement Network (FinCEN), Jennifer Shasky Calvery, sagte in einem Interview: "There has been public reporting of connections of ISIL promoting the use of bitcoin and virtual currencies as a means of moving and raising funds, but I think we are also very focused on the traditional means of moving funds so I think we need to keep our focus on both areas." Im Magazin American Banker wurde daraus die Schlagzeile: "ISIL may be using Bitcoin, FinCEN’s Calvery says."
APA/EPA/VALERIE KUYPERS
Der "Islamische Staat" gilt als kapitalkräftigste Terrororganisation der Geschichte - und es ist relativ gut bekannt, wie er sich finanziert: Durch den Verkauf von Erdöl, die Ausraubung der besetzten Gebiete und ihrer Bewohner, den Handel mit Beutekunst, durch Lösegelderpressungen und durch Spenden. Der Blogger Aaron Y. Zelin hat dazu einige interessante Dokumente zusammengestellt.
Kann Bitcoin reguliert werden?
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Die kryptografische Überprüfung aller Transaktionen im Bitcoin-Netzwerk erfolgt weltweit verteilt - auf der Hardware jener User, die das sogenannte "Mining" bewerkstelligen. Beim "Mining" werden die Schlüssel aller Überweisungen weltweit auf ihre Richtigkeit überprüft sowie neue Schlüssel (und damit neue Bitcoins) errechnet. Das Bitcoin-Netzwerk ist ein Paradebeispiel für ein "distributed network".
Public Domain
Um das Bitcoin-Netzwerk abzuschalten, müsste man daher das gesamte Internet weltweit abschalten. Eine Regulierung von Bitcoin ist nur an den Schnittstellen zwischen der Kryptowährung und den herkömmlichen Zahlungsmitteln möglich - also bei den Währungsbörsen, an denen Fiatgeld gegen Bitcoin und umgekehrt getauscht werden kann.
Bestehende Geldwäschegesetze schreiben diesen Währungsbörsen bereits vor, die Identität ihrer Kunden genau zu kennen: Registriert man sich bei einer dieser Plattformen, muss man üblicherweise nicht nur eine Ausweiskopie und einen Nachweis der Wohnadresse erbringen, sondern sogar ein Foto, auf dem der Ausweis nebst dem eigenen Gesicht zu sehen ist.
Darüberhinaus ist Geldwäsche mit Bitcoin auch deshalb schwieriger zu bewerkstelligen als mit Bargeld, weil sämtliche Überweisungen im Bitcoin-Netzwerk öffentlich einsehbar sind. Wer zum Beispiel wissen will, wieviel Spendengeld die Whistleblower-Website Wikileaks bisher in Bitcoins erhalten hat, kann das ganz einfach hier nachsehen.
Auf der Website Blockchain.info lässt sich sogar live jede einzelne Bitcoin-Transaktion weltweit mitverfolgen. Bitcoin-Adressen sind pseudonym, nicht anonym. Zwar ist die Verschleierung von Zahlungsvorgängen möglich, indem man für jede einzelne Transaktion eine neue Adresse verwendet und darüber hinaus auch noch sogenannte "Mixer" einsetzt, dennoch bietet die Bitcoin-Blockchain weit mehr Transparenz als jede andere Zahlungstechnologie, die bisher existiert hat.
Zusammenfassend lässt sich daher sagen: Das Bitcoin-Netzwerk selbst ist aufgrund seiner verteilten und verschlüsselten Struktur nicht regulierbar, sehr wohl aber genauestens beobachtbar. Geldflüsse zu und von Währungsbörsen werden durch bestehende Geldwäsche-Gesetze bereits kontrolliert. Dass Menschen Bitcoin verwenden, lässt sich nicht verhindern oder verbieten. Die Erfindung der Bitcoin-Blockchain kann nicht rückgängig gemacht werden, und die Blockchain lässt sich aufgrund des Fehlens zentraler Server oder Unternehmensstrukturen auch nicht zensieren. Die Berichte über angebliche Bitcoin-Regulierungsvorhaben von EU, G7 oder FinCEN sind daher nicht mehr als heiße Luft.