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Burstup

Physische Welt, virtuelle Realität. Politik und Kultur.

20. 2. 2015 - 12:48

Minecraft mit Bitcoin

Die Minecraft-Welt „Bitquest“ integriert die Kryptowährung Bitcoin ins Spiel und erweist sich als interessantes Experiment.

Nach sechs Jahren Minecraft ist es fast zur Ausnahme geworden, wenn man online eine unveränderte, nach den Originalregeln zu spielende Minecraft-Welt entdeckt. Tausende Varianten des Spiels, die von Enthusiasten selbst entwickelt werden, stehen zur Auswahl. Das beginnt beim optischen Design der Welt, geht über Veränderungen des Verhaltens ihrer Entitäten und endet bei gigantischen Erweiterungspaketen, die dem Spiel tausende Objekte und Regeln hinzufügen. Die vielleicht wichtigste historische Leistung des Minecraft-Erfinders Markus Persson ist die Offenheit seines Spiels, die er jahrelang gewährleistet hat und die unseren Blick auf die Möglichkeiten von Indiegames für immer verändert hat.

©Christoph Weiss

Offenheit ist auch ein Grundprinzip von Bitcoin. Der Programmcode des kryptographischen Zahlungsmittels ist für jeden einsehbar und wird von einer nichtkommerziell ausgerichteten Gruppe von Programmierern – ähnlich der Linux Foundation – weiterentwickelt. Bitcoin ist elektronisches Cash, das in Sekundenschnelle, direkt von User zu User, weltweit verschickt werden kann. Das Netzwerk, das diese Transaktionen ermöglicht, ist nicht nur dezentral organsiert, sondern distributed - ein echtes Peer-to-Peer-Netzwerk. Weil es keinen Single Point of Failure hat, lässt sich das Bitcoin-Netzwerk nicht mehr ausschalten – außer man deaktiviert das ganze Internet. Bei Regierungen unbeliebte Plattformen wie Wikileaks, deren Bankgeschäfte durch Behörden in den letzten Jahren empfindlich gestört wurden, haben sich die Resilienz des Bitcoin-Netzwerks erfolgreich zunutze gemacht.

Ungewöhnliches Paar?

Das Kind des vielseitigen Indiegames und der populären Kryptowährung heißt nun also Bitquest. Ich entdeckte es beim Lesen auf Reddit und ließ mich dann einige Abende darauf ein – mit einer großen Portion Skepsis, denn alles, was auch nur ein bisschen nach Pay-to-win-Modell aussieht, löst Unbehagen in mir aus. Und welches andere Motiv für den Betrieb einer Minecraft-Welt mit Bitcoin-Ökonomie sollte jemand haben als jenes der Bereicherung? Das waren meine Gedanken, als ich das erste mal in Bitquest einstieg.

©Christoph Weiss

Neue Spieler starten in einem hübsch gestalteten Städtchen namens Satoshitown. Einige Items befinden sich bereits im Inventar, darunter 50 Smaragde. Wer mit Minecraft vertraut ist weiß, dass diese grünen Edelsteine zu den seltensten Gegenständen im Spiel gehören und bei Dorfbewohnern gegen nützliche Dinge eingetauscht werden können. In Bitquest wurde die Funktion der Smaragde erweitert: Jeder von ihnen repräsentiert einen Bit, also den Millionstelbruchteil eines Bitcoin.

©Christoph Weiss

Ein Bitcoin besteht aus 1 Million Bits, ein Bit hat 100 Satoshis.

Bitcoins bzw. Bits können in die Spielwelt übertragen werden, wo sie dann als Smaragde erscheinen. Im Spiel erworbene Smaragde können aber auch an die eigene Bitcoin-Adresse ausbezahlt werden. Hauptsächlich dient die Ingame-Währung aber für den Handel mit Spielern und NPCs.

Mit meinen 50 Gratis-Smaragden im Gepäck und dem Vorsatz, während meines Tests keine Bitcoins auszugeben, machte ich mich also auf die Reise. Da man in Satoshitown keine Blöcke zerstören und somit keine Ressourcen sammeln kann, begab ich mich in die Wildnis. Aber egal wo ich versuchte, ein paar Bäume zu fällen: Ich durfte es nicht, weil ich mich angeblich zu nahe am Grundstück eines anderen Spielers befand.

©Mojang

Dafür griffen mich bald Monster an, die wesentlich schneller und gefährlicher waren, als man das von anderen Minecraft-Servern gewohnt ist. Da ich mich schützen musste, stellte ich die Newbie-Frage im Chat: "Wo kann man hier bauen?" Ein hilfreicher Spieler erklärte mir, dass ich dafür von der Stadt aus etwa 3000 Blöcke hinauslaufen müsste. Das versuchte ich. Als ich auch beim fünften mal mangels Rüstung und aufgrund überdurchschnittlich starker Mobs starb, war ich knapp davor, das Spiel zu schließen. Meine Befürchtung, dass es sich bei Bitquest um Pay-to-Win-"Abzocke" handeln könnte, schien sich zu bestätigen.

Trotzdem setze ich noch einen Hilferuf ab – oder vielmehr einen frustrierten Ausruf, wie es denn verdammt nochmal möglich sein sollte, hier an einen Ort zu gelangen, an dem man auch wirklich etwas tun kann. Ein Spieler betrat die Stadt, zeigte mir das Pferdegehege, gab mir einen Sattel und ritt mit mir zu seinem Grundstück an der Küste. Ich schnappte mir ein Stück Land neben seinem und atmete erst einmal auf. Nette Community hier, dachte ich.

In der folgenden Stunde stellte ich fest, dass in Bitquest vieles anders ist als gewohnt. Monster, die es normalweise nur im Nether (der Hölle von Minecraft) gibt, spawnen auch am Strand. Zwar verliert man beim Tod im Spiel weder Gegenstände, noch Levels - dafür verfügen aber auch die Monster über Levels, aufgrund derer sie sich oft mit rasender Geschwindigkeit bewegen und schwierig zu besiegen sind. Getötete Mobs werfen mehr und andere Items ab, darunter einige der in Minecraft normalerweise seltensten: Sättel, Enderaugen und sogar Smaragde – somit also Bits.

Die Befürchtung, man würde in Bitquest geschröpft, erwies sich also doch als unbegründet. Zwar kann man sich das Spiel etwas leichter machen, etwa indem man Smaragde gegen verzauberte Gegenstände eintauscht – doch die grünen Edelsteine sind im Spiel nicht wirklich selten. Eine eventuelle Motivation, Bitcoin in das Spiel zu investieren, ergibt sich weniger aufgrund der Schwierigkeit des Spiels, sondern eher aus Spendenwilligkeit für die ungewöhnlich gestaltete Welt.

Weiss

Endertruhen dienen in Bitquest als Schnittstelle zwischen Spiel-Inventar und Bitcoin-Wallet

Eine logische Verbindung

Das Experiment Bitquest zeigt also zwei Dinge. Erstens, dass Bitcoin die Zukunft von Micropayments maßgeblich beeinflussen könnte. Programmierbares Geld, das in Millionstelbruchteile portioniert und in Sekundenschnelle verschickt werden kann - das ist nicht nur für Spieleentwickler, sondern auch für Blogger, Musiker, Fotografen und Internetaktivisten aller Art von großer Nützlichkeit.

Zweitens: Minecraft dient auch im siebenten Jahr seines Bestehens als Basis für innovative Modifikationen. Dass die Verbindung von Sandbox-Game und Kryptowährung im Fall von Bitquest so gut funktioniert, liegt allerdings auch am Engagement kreativer Minecraft-Fans und Bitcoin-Enthusiasten, und nicht an einer von Gier dominierten Verwertungslogik. Microsoft, der neue Eigentümer von Minecraft, sollte sich das vor Augen halten.