Erstellt am: 14. 6. 2015 - 11:15 Uhr
Nova Rock Tag 2 - Abend
Die Fantastischen Vier sind routiniert und charmant genug, um den Liebes-Schock des Kraftklub Gigs wegzustecken ("Leider können wir unsere T- Shirts nicht ausziehen") und gleich mit der in 20 Jahren perfektionierten Vierer-Conference loszulegen.
Die Fantastischen Vier
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Neben der Bühne prangt statt der Visuals eine Sturmwarnung, der Gig von Rakede auf der Brandwagen Stage war wegen ihr bereits abgebrochen worden. Kurz sieht es so aus, als würde das Gewitter weiterziehen, sicherheitshalber werden Transparente abgebaut. Kurz vor "Krieger" öffnet sich der große burgenländische Himmel und ich bin zu wassercheu, um noch mitzubekommen, wie Thomas D. diese wilde Naturstimmung für eine seiner Jesus-Posen nutzt. 100.000 Liter Wasser später bezeichnen die Fantas das ganze als kleinen Guss und tragen den Gig virtuos nach Hause. Der noch besser zur Stimmung passende "Tag am Meer", der Funk Crossover "Ernten, was wir säen", dann "Troy" und ein schöner Abschiedsgruß: "Lasst euch nicht erwischen, wir brauchen euch!"
Es nieselt noch unaufällig, alle sind nass und lassen sich nicht erwischen und auch nicht unterkriegen. Jetzt harren alle der Toten Hosen. Womöglich haben 95% des Publikums diese Band in den letzten Jahren gesehen. Es wird die gewohnte Party unter Freunden.
Mir ist dennoch bang. Wolfgang Ambros, hinter der Bühne mit Krückstock gesichtet, ist derzeit nicht gerade auf der Höhe seiner Kraft. Das letzte Mal, als ich ihn und seine "Nr. 1 vom Wienerwald" gesehen habe, war ich 15 Jahre alt gewesen, habe auf seinem Konzert eines meiner ersten Biere getrunken und, mit Freunden zusammen, zum ersten Mal geraucht. Wir lernten mit der "Kinettn, wo i schlof" Wienerisch, mit "Schifoan" Gitarre spielen und Jugendzentrumsbetreuer nerven, konnten "Gezeichnet fürs Leben" gut verstehen und haben zur "Wintasunn" geweint. Das ist einige Zeit her, jetzt ist später, einige arrogante Versageralben des Meisters und seines diabolischen Großfreundes Christian Kolonovits später, einige persönliche Theorien und Erklärungsversuche später, wie sich der Mann entwickeln musste und nicht entwickeln konnte, wie sehr seine Sturheit ihn gezeichnet und von einer Szene entfremdet hat, die ihn in Jugendtagen eigentlich verehren hätte müssen und teilweise verehrt hat, wie die Amerikaner ihren sturen Dylan. Und wie sehr seine Würde und Größe diese Zeit überdauert hat. Wie sehr er einer besten Sänger des Landes, vielleicht einer der besten Sänger überhaupt geblieben ist.
Ich habe mittlerweile mit dem Rauchen fast aufgehört. Zum Ambros-Konzert werde ich ein Bier trinken, wenn die "Wintasunn" oder die "Kinett'n" kommt, werde ich weinen. Wir hatten viele Proleme, ich wünsch dem alten, geliebten Baum alles Gute. Und ich habe dennoch Angst vor heute.
Die Toten Hosen
Und die Hosen kommen und die Angst hat kurz Pause, an Tagen wie diesen. Ich dachte ja , dass mir nichts Neues zu den Toten Hosen einfällt, aber das ist gar nicht sehr schlimm, immerhin fällt den Toten Hosen auch nichts Neues zu den Toten Hosen ein ("wir können ja nichts Anderes so gut" hat Campino Zu Philipp L'heritier beim Interview richtig gesagt). Und unnötig das auch wäre, sagt der Meister Yoda in mir, denn wir alle, Verbrecher und Polizisten, Schüler und Studenten, Meister und Schüler, Deutsche und Ausländer, feiern unsere gewohnte Verbindlichkeits-Freundeparty unter dem milde gewordenen Himmel des Burgenlands.
Nova Rock 2015
Tag 1
- Seid ihr alle da? Erste Impressionen von den Pannonia Fields.
- Boris Jordan über die Würde
- Always Hardcore Missverständnis: Philipp L'heritier über den Auftritt von Scooter
Tag 2
- "Je später der Abend, desto besser die Ideen": L7, Frank Turner, Kraftklub (Boris Jordan)
- Wasser, Schweiß, Herzblut und die große deutsche Fete: Die Fantastischen Vier und Die Toten Hosen
- Ambros
Tag 3
- Clowns und Helden: Motörhead, Deichkind, Slipknot
Es könnte alles viel schlimmer sein, wie unsere englischen Freunde immer sagen: Der mächtigste Punkrocker der Welt könnte nicht Campino, sondern weiß nicht wer sein. Die wichtigste moralische Instanz Deutschlands, Merkels Handynummern-Besitzer und Feuilletonkommentator zu allem, könnte zum Beispiel der Unheilig - Graf oder Peter Heppner sein, die alles überlebende Band, die die Massen zum Klatschen bringen hätte, no offense, BAP oder Maurenbrecher geworden sein können.
Und die ewig wiederkehrende Hymne der Deutschen, sei es "An Tagen wie diesen" oder "Weil wir noch Freunde sind" oder irgend ein anderes Hosen-Durchhalteparolen-Brett ist mir ja als "heimliche Hymne", steinigt mich, immer noch lieber als "I am from Austria" und zwar beim Arsch.
Da verzeiht man den Hosen gerne einen gewissen ästhetischen Stillstand und eine "Play it safe" Nummmer des "ihr wart das wunderbarste Publikum". Vor allem, wenn es in einer suuperschnellen Double Time Punk Pogeo Nummer wie "Bommerlunder" und der Liverpool Nummer "You'll never walk alone" endet. That's what Festivals are for.