Erstellt am: 13. 6. 2015 - 12:16 Uhr
Always Hardcore Missverständnis
Festivalradio
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Und es gehen dann natürlich klarerweise doch so ziemlich alle hin. Die deutsche Institution für all die ironischen Gutfinder von Trash, gleichermaßen der perfekten Ausfüllung eines mit aller Liebe ernstgemeinten Existenzentwurfs, einer Musik und Haltung war Freitagnacht beim Nova Rock der "lustige" Abschiedsact.
Mitfühlbarer Größtstadionrave, der die Entgrenzung und ein Leben für den und im Beat feiert. Nach einem Tag voller vornehmlich Rock-, Punk-, Metall-, und Alternative-Bands mit Gitarre. Das Hamburger Trio Scooter kam mit den Lichtern, den Slogans, dem Kloppstock und der süßlichen Melodie. Und mit zwei Tänzerinnen im neon-schrillen Top und zwei jumpstylenden B-Boys. Aber Scooter darf man ja, Zwinkersmiley.
Aus dem Nebel waren gleich zu Beginn verheißungsvolle Worte zu hören: "Hyper! Hyper!“ und: "How much is the fish?" Es gab dann aber doch zunächst "One (Always Hardcore)", H.P. Baxxter gab den persönlichen Rave-Jesus mit gewichtigen Gesten. Es war freilich ein großes Rawumms, über das Phänomen "Scooter" ist mittlerweile dann auch bald mal genug gesagt.
Mit dem, was Scooter da seit zwanzig Jahren so erfolgreich machen, wird einerseits ihr Publikum komplett weggenagelt. Zugedröhnt, beschossen, angespritzt. Verglichen jedoch mit den aktuellen Reizüberflutungskanonaden, die unter der scheußlichen und hohlen Genreklammer "EDM" immer noch so hochpopulär sind und in denen alle 25 Sekunden ein Richtungswechsel, ein Break, ein Drop die gesamte Welt erschüttern muss, ist die Musik von Scooter nachgerade minimalistisch, delikat.
Nova Rock 2015
Tag 1
- Seid ihr alle da? Erste Impressionen von den Pannonia Fields.
- Boris Jordan über die Würde
- Always Hardcore Missverständnis: Philipp L'heritier über den Auftritt von Scooter
Tag 2
- "Je später der Abend, desto besser die Ideen": L7, Frank Turner, Kraftklub (Boris Jordan)
- Wasser, Schweiß, Herzblut und die große deutsche Fete: Die Fantastischen Vier und Die Toten Hosen
- Ambros
Tag 3
- Clowns und Helden: Motörhead, Deichkind, Slipknot
Als Jünger der englischen Kunst- und Musik-Terroristen KLF wissen H.P. Baxxter und seine Mitstreiter, wie man einen schlichten Nummer-1-Hit schreibt. Oder zwanzig. Laut Baxxters Eigenaussage war er zunächst bloß Fan der Musik und der Streiche, die KLF den Erwartungen des Publikums in ihren Performances, Videos und erfundenen Linernotes spielten. Erst später soll er das legendäre KLF-Handbuch zur rezeptgenauen Entwicklung eines Top-Chart-Krachers gelesen haben.
Scooter haben es unbewusst auf den Punkt gebracht, der Zynismus ist nicht ihr Motor, sie haben ihre Liebe zu Trance und Rave und Abfahrt in dreieinhalb Minuten Popsong eingedampft und aus der Fabrikhalle in den Mainstream getragen. Melodien aus altbekannten Schmonzetten in den Dancefloor gezogen und mit mysteriös funkelnden Parolen gewürzt. Da kann jeder mitsingen und gerade eben oft das Fehlen einer eindeutigen Bedeutung als Leistung, lustigen Irrsinn, Dadaismus gar interpretieren.
Anderswo gibt es klar nachvollziehbare Befehle oder nachdenklich, tiefsinnig gedachte Kalenderblattweisheiten. I Want To Hear You Scream. Are You Ready To Rock? Are You Ready To Rave? Ausflippen, explodieren und die Welt vergessen. Schwitzen, schreien und sich selbst auf reinigende Weise blöd verkommen.
Nie war die gemeinsame Ekstase an diesem Abend größer und stumpfer. In Worten: Stumpfer, man braucht sich da nichts vormachen. Glowsticks wurden in der Menge gesichtet, recht schnell erschöpft sich dann die Idee, die Scooter einmal gehabt haben. Vielleicht darf man sich Unity auch so vorstellen - selbst wenn sie mit den Mitteln von um die Ecke gedachter Witzigkeit hergestellt wird - und sich Metal-Kids als versteckte Raver ausmalen. Auch wenn manchmal bei den Mitsingparts "Na-na-na-naaa" mit "Dö-dö-dö-dö-dö-dö-dö-dö" verwechselt wurde. Hardcore ist Hardcore und in vielen Styles und Bedeutungen daheim. Mehr muss man nicht wissen, man kann jetzt damit aufhören.