Erstellt am: 13. 6. 2015 - 20:14 Uhr
Nova Rock Tag 2
FM4 Festivalradio
Alles zum Nova Rock 2015 unter fm4.orf.at/novarock2015, und überhaupt alles zu deinem Festivalsommer unter fm4.orf.at/festivalradio.
Und Überraschungen gibt es noch, mit Würde haben sie nur im weitesten Sinne zu tun.
"Die Wiener Funpunk Band Turbobier ist, gemessen an ihrer musikalischen Bedeutung und Bekanntheit (und auch umgekehrt proportional zu jenen) tatsächlich die erfolgreichste Band des bisherigen Festivals. Am Eröffnungs- "Slot" um 13 Uhr mehr Leute zum Schreien und Mitsingen zu animieren und mehr Hände in die Höhe zu bewegen als beide Headliner am Vortag zusammen genommen, dazu bedarf es eines gewissen Zuges zur leichten Muse, der nicht jedermann sofort gegeben ist. Ihr volksverständlich eindeutig formuliertes politisches Anliegen ist dem Motto des Anführers der im Allgemeinen als Vorläufer der Punkbewegung anerkannten französischen Künstlergruppe der "Situationistischen Internationale", Guy Debord, nachempfunden: "Ne travaillez jamais", niemals zu arbeiten. Dazu bedienen sie sich klassich anmutender Weisen aus der reichhaltigen amerikanischen Tradition ("You are my Sunshine") sowie dem derzeit bei Gesamtbevölkerung wie Exekutive vielleicht beliebtesten Gassenhauer, "Atemlos", dessen Kernaussage im Sinne der Gruppe in "Arbeitslos" umdefiniert wurde. Zudem scheint die nicht weniger massentauglich in Manifestform gegossene politische Forderung nach "Bier am Fußballplatz" und die Sonderanfertigung von Arbeitslosengeld in prä-EU-Altwährung und deren altrömisch anmutende Umverteilung auf anhaltende Zustimmung in der illuminierten Bevölkerung zu treffen.
Die Aufgabe, die erste Erwähnung dieser Alkbottle-Ripoff- Spaßband im Stil der bürgerlichen Theaterkritik zu verfassen, ist hiermit vollbracht, Respekt jedenfalls vor der Mittagsmobilisierung.
Jetzt wieder zu den echten Bands .... vielleicht auch zu solchen mit "Würde".
Camping Area
L7
Zu diesen wie folgt: Seit L7 im Gefolge der ersten Feminismuswelle zusammen mit Hole, Bikini Kill oder Babes in Toyland eine selbstbewusst weibliche Version von Hardcore Punk repräsentieren durften, sind 20 Jahre ins Land gezogen. Und was hat sich nicht alles verändert seitdem? Nun, nicht gerade eine Menge: Während ihre Veteranenkollegen, von Melvins bis Pearl Jam, Kraft eines Gründermythos Headlineranspruch haben, müssen die vier Frauen den internationalen Eröffnungsslot bestreiten. Und das mit zwei Hits aus der Grunge Zeit und einem Song auf dem Soundtrack des auch bei StudentInnen beliebten Films "Natural Born Killers". Der Sound ist auch eher beschissen, nicht so schlimm wie bei Mastodon, aber schon nervig schlecht. Aber L7 spielen sich in die Herzen der Menschen, vor allem die wilde Jennifer Finch, die vor dem Stagedive ihren Bass auf die Bühne wirft und am Schluss in der Menge verschwindet.
Frank Turner & The Sleeping Souls
Es prangt zum ersten Mal eines der ikonischen Symbole des Hardcore-Punk, das Straight Edge Kreuz mit den vier Buchstaben über der Bühne. "FTHC" steht wohl für Frank Turner Hardcore, aber die in Modkrawatten und weiße Hemden gehüllte Band mit der Mandoline, die "Sleeping Souls", sind mit an Tom Robinson und Graham Parker geschulten britischen Songwriterpop weiter von Hardcore entfernt als alle anderen Bands bisher. Frank Turner ist ein energetischer und gewitzter Sänger, sein "Glory Hallelujah" ("There is no God, so clap your Hands together") begeistert nüchterne wie ausgelassene Christen und Heiden gleichermaßen.
Kraftklub
Nova Rock 2015
Tag 1
- Seid ihr alle da? Erste Impressionen von den Pannonia Fields.
- Boris Jordan über die Würde
- Always Hardcore Missverständnis: Philipp L'heritier über den Auftritt von Scooter
Tag 2
- "Je später der Abend, desto besser die Ideen": L7, Frank Turner, Kraftklub (Boris Jordan)
- Wasser, Schweiß, Herzblut und die große deutsche Fete: Die Fantastischen Vier und Die Toten Hosen
- Ambros
Tag 3
- Clowns und Helden: Motörhead, Deichkind, Slipknot
Jetzt hagelt's Superlative! Was die Performance und die Interaktion mit dem Publikum betrifft, sind Kraftklub eindeutig die Band der Stunde, der bisherige Höhepunkt des Festivals. Wenn auf Befehl des Sängers alle ihre T-Shirts ausziehen und über dem Kopf schwingen, wenn die Band nach einem Abgang von der Bühne in einer Art Leiterwagenbühne ein Lied von der Mitte des Pits aus spielt und dann in der "von ihnen erfundenen Disziplin" Crowdsurf-Wettrennen zusammen zurückgetragen werden, wenn die Menge zusammen ein Stück Müll, das neben ihnen liegt, in die Luft wirft oder am Schluss die Coda von "Hey Jude" grölt - dann entstehen die Momente von Spaß und Glück, wegen denen man überhaupt auf ein Festival fährt, und die uns allen das Gefühl geben können, jung und dumm sein zu dürfen und zusammen eine gute Party zu haben.
Unglaubliche Band, die ihre Musik direkt aus dem guten weißen Disco Crossover von Blondie, Devo und Gang of Four bis LCD Soundsystem in die Jetztzeit überträgt und mit Witz (allein der vollmundige Doppelsinn von "Scheiß In Die Disco", jaja, ich weiß) und Ossi Selbstironie würzt (wie bei ihrem "Heimatlied" zur Melodie von Beck's "Loser" "Wir sind aus Karl-Marx-Stadt" gesungen wird). Kraftklub sind auch die einzigen, die - was mir heute besonders gefällt, die Menge fragt, ob sie "Würdig und bereit zur Randale" sei... hätte nicht gedacht, dass eine Band dieses Wort auch noch ausspricht. Aber: "Je später der Abend, desto besser die Ideen."
Jetzt kommt auch noch die traditionelle Sturmwarnung des Nova Rock. Mal sehen, wie es weiter geht, wie die Heldenfigur deutscher Verbindlichkeit, Campino, das noch toppen kann und wie Wolfgang Ambros, der größte Sänger österreischischer Zunge, den David Hasselhoff/Scooter Spaß-Slot bestreitet.