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Paul Pant

Politik und Wirtschaft

4. 12. 2014 - 10:26

Urteile im Schlepper-Prozess

#Fluchthilfeprozess endet mit sieben Schuldsprüchen und einem Freispruch, nicht rechtskräftig. Es wurden teilbedingte Haftstrafen zwische sieben und 28 Monaten verhängt.

Das Verfahren hat am 17. März begonnen. Den acht Männern aus Pakistan, Indien und Afghanistan wird Schlepperei zur Last gelegt. Sie sollen im Rahmen einer kriminellen Vereinigung bei der illegalen Einschleusung von Menschen mitgeholfen haben.

Bis 23:23 Uhr hat es am Donnerstag abend gedauert, bis sich der Schöffensenat im Landesgericht Wiener Neustadt auf ein Urteil einigen konnte. Richterin Petra Harbich verhängte sieben teilbedingte Freiheitsstrafen zwischen sieben und 28 Monaten, zum Großteil wegen gewerbsmäßiger Schlepperei in einer kriminellen Vereinigung. Durch die lange Untersuchungshaft sind allerdings alle unbedingten Strafen bereits verbüßt. Die Urteile können aber Auswirkungen auf die Asylverfahren der nichtrechtskräftig Verurteilten haben.

Bei der Verkündung der Urteile kam es teilweise zu Tumulten im Saal. Die Richterin musste Beleidigungen und Beschimpfungen über sich ergehen lassen, verwies aber trotzdem niemanden aus dem Saal. Mehrmals unterbrachen SympathisantInnen der Angeklagten die Urteilsverlesung durch laute Zwischenrufe und Unmutsäußerungen. Auch der Erstangeklagte redete minutenlang auf die Richterin ein und forderte sie auf, das Urteil zu revidieren. Anwalt Lennart Binder kündigte unmittelbar nach der Urteilsverlesung Rechtsmittel an, u.a. eine Nichtigkeitsbeschwerde. Die anderen Anwälte baten um Bedenkzeit, um sich mit ihren Mandanten beraten zu können.

Prozesspublikum mit Pappschildern "Schlepper Retten Leben"

Radio FM4 / Paul Pant

Urteils-Marathon

Es war ein scheinbar nicht enden wollender Prozesstag in Wiener Neustadt am Donnerstag: acht Angeklagte, damit acht Plädoyers zu mehr als 70 Anklagefakten und dazu noch die Schlussrede der Staatsanwältin Gunda Ebhardt. Schon die geplante Tagesordnung nahm mehrere Stunden in Anspruch. Davor startete der Prozess bereits mit Verspätung: statt um 9 Uhr ging es erst um 10:25 Uhr los. Zwei der Angeklagten hatten nämlich verschlafen.

Das Eröffnungsplädoyer der Staatsanwältin war das Einzige, das an diesem Tag sehr schnell abgehandelt wurde. Lediglich 17 Minuten brauchte Gunda Ebhart für ihre Schlussrede. Die Staatsanwältin lobte den Senat und die Prozessführung und verteidigte ihre Anklage nach dem Schlepper-Paragraphen § 114 FPG damit, dass das Hauptbeweismittel, die Telefonüberwachungen, zeigen würden, dass sich die Angeklagten mit Schleppungen ein Zubrot verdient hätten. Deswegen hielt sie an der Anklage wegen Gewerbsmäßigkeit im Rahmen einer kriminellen Organisation fest. Ebhart erklärte in ihrem Plädoyer, dass die Angeklagten zwar nur kleine Rädchen gewesen seien, allerdings in einer international vernetzten Schlepperzelle.

Twitterfeed live aus dem Gerichtsaal

Alle Verteidiger plädierten auf Freispruch

Die VerteidigerInnen sehen das naturgemäß anders. Unisono erklärten alle sieben AnwältInnen (eine Anwältin vertritt zwei der Angeklagten), dass die Staatsanwaltschaft eigentlich nichts in der Hand hätte und die Anklage nur auf Indizien und Vermutungen aufgebaut wäre. Verteidiger Lennart Binder erklärte: "Ein Schlepper ist ein Unternehmer, der auf Profit aus ist. Die auf der Anklagebank sitzenden Männer sind das nicht, sie sind vielmehr eine Schicksalsgemeinschaft, die darauf angewiesen war, sich wechselseitig zu helfen." Dazu sagte er, dass der Prozess 2013 im Zuge der bevorstehenden Nationalratswahl aus parteipolitischen und Privat-Interessen der Innenministerin" initiiert worden sei.

Politischer Prozess

Seine Kollegin Michaela Lehner ergänzte Binders Ausführungen wonach das Verfahren ein politischer Prozess sei. Wie schon im Tierschutz-Prozess sollen "friedliche DemonstrantInnen kriminalisiert werden ". Anwalt Gerhard Angeler kritisierte vor allem die aus seiner Sicht schlampige Ermittlungsarbeit der Polizei: "Die Suppe ist nicht nur zu dünn, sie besteht einfach nur aus klarem Wasser", sagte er.

Verteidiger Clemens Lahner führte aus, dass in fast allen Anklagepunkten die Phrase "noch auszuforschende Personen" verwendet wurde - für Menschen, die mutmaßlich geschleppt worden sein sollen. Er sagte, in der langen Zeit der Untersuchungshaft und des Prozesses wurde "genau nix ausgeforscht". Auch er forderte einen Freispruch.

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Urteile um 23:23 Uhr

Nachdem alle AnwältInnen ihre Plädoyers gehalten hatten, erteilte Richterin Harbich am Donnerstagnachmittag das Schlusswort den Angeklagten. Der Fünft- und Hauptangeklagte brach in Tränen aus als er erzählte, dass durch den Prozess und die Untersuchungshaft sein Leben und seine Zukunft zerstört seien. Das einzige was ihm bliebe sei, in Österreich bleiben zu können. Er bat die Richterin, das zu berücksichtigen. Nach den Schlussworten unterbrach Richterin Harbich die Verhandlung, damit sich die Schöffen mit ihr zur Urteilsfindung beraten konnten. Danach hieß es warten. Zuerst bis 20 Uhr, wo die Urteilsverkündung das erste Mal angekündigt war, weiter bis 21 Uhr, dann durch einen nochmalige Verschiebung bis 21:30 Uhr, wo wiederum nichts geschah. Schließlich wurden erst um 23:23 mit der Verlesung des Urteils begonnen.

Refugee-Camp-Aktivisten

Den acht Männern auf der Anklagebank wurde Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Sie kommen aus Afghanistan, Pakistan und Indien und sind Refugee-Camp-Aktivisten, die bei der Besetzung der Votivkirche in Wien dabei waren. Vier von ihnen haben zum Zeitpunkt der Verhaftung im Servitenkloster gewohnt. Bei einigen läuft noch das Asylverfahren.

"Hilfe statt Profit"

Im Prozess haben sie kaum bestritten, ihren Landsleuten geholfen zu haben, illegal nach oder durch Österreich zu reisen. In ihren Augen sei das aber Fluchthilfe und nicht Schlepperei gewesen. Sie hätten Hilfsdienste gemacht wenn sie darum gebeten wurden z.B. für Unterkunft und Verpflegung zu sorgen. Eine Bereicherungsabsicht bestreiten sie, genauso den Vorwurf der Polizei, dass sie Mitglied eines Schlepperings gewesen sein sollen.

Höchststrafe: 10 Jahre

Im Falle einer Bestrafung hätten den Angeklagten bis zu zehn Jahre Haft gedroht. Mit einer Verurteilung droht allerdings nicht unbedingt die Abschiebung der noch im Asylverfahren befindlichen Angeklagten, wie Verteidiger Clemens Lahner auf Anfrage der Austria Presse Agentur (APA) erklärte. Es wird zwar ein Aufenthaltsverbot ausgesprochen, doch dann muss entweder Fremdenpolizei oder das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl prüfen, ob in den Heimatländern der Asylwerber deren körperliche Integrität gewahrt bleibt. Das heißt, man muss ausschließen können, dass weder Folter noch Todesstrafe in den Herkunftsländern den Flüchtlinge droht.