Erstellt am: 7. 8. 2013 - 13:04 Uhr
Kein faires Verfahren
Sind die Vorwürfe, die das Innenministerium gegenüber einigen der Flüchtlinge im Wiener Servitenkloster erhoben hat, überzogen? Der Falter berichtet in seiner aktuellen Ausgabe von einer doch merkwürdigen Diskrepanz zwischen den Aussagen der Innenministerin auf der einen und den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft auf der anderen Seite.
Florian Klenk, Chefredakteur des Falters, meint, hier zeige sich einmal mehr eine beliebte Strategie des österreichischen Innenministeriums: Dass man Leute, die sich über die Polizei beschweren, durch einen Griff in die Dreckkiste öffentlich diskreditiert und auf diese Art und Weise auch mundtot zu machen versucht.
Riem Higazi hat Florian Klenk für FM4 Reality Check zum Interview getroffen.
www.florianklenk.at
The story of the Servitenkloster-Refugees has a new chapter. And it's an eyebrow-raisung one. Doktor Klenk, expand please...
Die Polizei ermittelt seit März unter dem Verdacht der Schlepperei. Der Anlass ist, dass man auf Bahnhöfen größere Gruppen von Pakistanis entdeckt hat, die von Budapest gekommen sind. Und diese Flüchtlinge oder illegalen Einwanderer gefragt hat, wer sie denn hier von Budapest nach Wien gebracht hat und da haben manche ausgesagt, dass sie von Pakistanis die in Wien leben begleitet wurden. Das hat die Polizei dann unter anderem zum Anlass genommen um Ermittlungen wegen gewerbsmäßiger Schlepperei einzuleiten.
Now let me get this straight. In an interview recently the Interior Ministry said that some of the refugees were part of this human trafficking ring. And then in turn you went to the state prosecutor’s office and they had no idea of this human trafficking ring accusations. Right?
Wir müssen unterscheiden. Es gibt einen gewaltigen Vorwurf des Innenministeriums. Der lautet, es handelt sich um eine riesige Mafia-Organisation die ungefähr zehn Millionen Euro verdient hätte, und die mit ganz brutalen Methoden vorgeht, Flüchtlinge liegen lässt, schwangere Frauen an der Straße aussetzt. Also das Innenministerium hat durch Presseaussendungen, aber auch durch Statements der Innenministerin eine sehr gewalttätige Verbrecherorganisation geschildert der die Flüchtlinge aus der Votivkirche angehören sollen. Diese Information ist nicht die Information, die die Staatsanwälte haben. In den Akten der Staatsanwaltschaft, die ja das Verfahren führt, finden sich vergleichsweise „harmlosere“ Vorwürfe. Nämlich dass zwei Flüchtlinge bei der Staatsanwaltschaft Wien und drei Flüchtlinge von der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt immer wieder geholfen haben, Beispielsweise Flüchtlinge von Budapest oder aus Italien nach Wien zu bringen, im Zug zu begleiten, ihnen Nahrung zu geben, Quartier zu verschaffen und dafür kleinere Beträge – und hier sprechen wir von Beträgen zwischen 30 und 200 Euro – bekommen haben. Das ist nach österreichischem Recht auch strafbar, aber es ist etwas völlig anderes als eine riesengroße, mit brutalen Mitteln agierende und mit Millionenbeträgen ausgestattete kriminelle Organisation.
So you have published your findings today in this week’s Falter. Have you had any reaction from the Interior Ministry?
Ja, auf einer informellen Ebene – und das sind jetzt Beamte, die hier nicht mitspielen wollen – da sagen die, sie finden das gut dass das thematisiert wird, denn die Polizei soll sich nicht von der Politik instrumentalisieren lassen. Die offizielle Reaktion lautet, dass man jetzt ja nur ganz allgemein über Schlepper erzählt habe und nicht über die konkreten Beschuldigten, dass das Verdachtslagen sind, also man rudert zurück. Von Seiten der Justiz und der Staatsanwaltschaft wird ganz deutlich gesagt, dass diese massiven Vorwürfe in dieser Form nicht bewiesen sind und man erst ganz am Anfang der Ermittlungen steht und dass hier offensichtlich eine Vorverurteilung stattfindet die in einem fairen Strafverfahren nichts zu suchen hat. Denn in einem fairen Verfahren hat man im Zweifel für den Beschuldigten zu agieren und nicht im Zweifel alle Mutmaßungen so hochzurechnen und zuzuspitzen, dass ein kleines Rädchen oder ein mutmaßlicher kleiner Gauner zu einem riesigen Boss hochstilisiert wird um Kritik an der Flüchtlingspolitik zu ersticken. Und ich glaube, das ist die Motivation dahinter gewesen. Das Innenministerium war massiver Kritik ausgesetzt und hat versucht, diese Kritik durch eine Gegenpropaganda zu ersticken.
Das ist auch nicht das erste Mal dass das passiert. Wir haben das auch 1999 erlebt im Fall Omofuma. Wir haben das erlebt als der Innenminister Ernst Strasser zwei Rechtsanwälte wegen Schlepperei anzeigen lies, nachdem diese als Menschenrechtsbeiräte an seinem Ministerium Kritik geübt haben. Wir haben das erlebt im Fall Arigona Zogaj, wo ein junges Mädchen gegen seine Abschiebung protestierte und die Geschwister, die irgendwelche Jugendsünden hatten auf einmal ihren Strafregisterauszug in den Medien fanden. Also, das ist eine beliebte Strategie des österreichischen Innenministeriums, dass man Leute, die sich über die Polizei beschweren, durch einen Griff in die Dreckkiste öffentlich diskreditiert und auf diese Art und Weise auch mundtot zu machen versucht.