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Markus Zachbauer

Bildung und Einbildung, die Herrscher der Welt. Lifelong Learning in der FM4 Internet-Redaktion.

6. 8. 2013 - 17:53

"Beinharte Bosse oder beinharte Posse?"

So vertwitterte Florian Klenk, Falter-Chefredakteur, eine Vorabmeldung seiner Zeitung. Der brisante Inhalt: Innenministerium und BKA hätten die Schlepperei-Vorwürfe gegen Flüchtlinge im Servitenkloster weit übertrieben dargestellt.

Ministerin Mikl-Leitner

APA/Georg Hochmuth

Am 3. August veröffentlichte der Kurier ein Interview mit Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Das Thema: Die heftige Kritik an ihrem Vorgehen bei der Abschiebung mehrerer Pakistani und die zeitnahe Verhaftung von drei anderen Servitenkloster-Flüchtlingen, gegen die nun wegen Schlepperei ermittelt wird.

Auf die Frage des Kurier, ob der Schlepperring nun ausgehoben sei, oder ob mit weiteren Verhaftungen zu rechnen sei, antwortete die Ministerin:

"Ob es noch weitere Verhaftungen geben wird, werden die Staatsanwaltschaften Wien und Wr. Neustadt entscheiden. Wir wissen, dass es sich hier um einen Schlepper-Ring handelt, der auf die brutalste Art und Weise vorgeht. Bis jetzt gab es sieben Verhaftungen, davon fünf allein im Umfeld des Servitenklosters."

Und auf die Nachfrage, was das denn für brutale Methoden gewesen wären:

"Sie haben äußerst unmenschlich agiert. Wenn es etwa Probleme mit schwangeren Frauen auf der Schlepper-Route gab, dann wurden diese Frauen hilflos auf der Route zurückgelassen."

"Wir kennen das nur aus den Medien"

Über die von der Ministerin gemachten Vorwürfe zeigten sich auf Nachfrage der Wiener Stadtzeitung Falter die beiden angesprochenen Staatsanwaltschaften allerdings verwundert. "Diese Vorwürfe sind nicht Gegenstand unseres Ermittlungsverfahrens. Wir kennen das nur aus den Medien“, zitiert der Artikel die Sprecher Thomas Vecsey und Erich Habitzl.

Zwar hieß es aus Wiener Neustadt noch am Montag, im Fall der jüngst festgenommenen "Votivkirchen-Flüchtlinge" wäre auch eine Anklage wegen einer "kriminellen Vereinigung" möglich (derzeit werde aber nur hinsichtlich des Schleppereiverdachts ermittelt), was die kolportierten geflossenen Millionenbeträge betrifft, halten die Akten aber offenbar ebenfalls nicht, was Innenministerium und "Ermittlerkreise", also BKA, versprochen haben.

„Die Verdächtigen sind sicherlich keine großen Bosse. Es liegen uns auch noch keinerlei Beweise vor, welche Beträge wirklich an die Beschuldigten bezahlt wurden und ob die Verdächtigen überhaupt Geld bekommen haben“, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt.

Alles kein Widerspruch?

Für ihre KritikerInnen sind all das neue deutliche Hinweise darauf, dass die Innenministerin mit überzogenen Vorwürfen in erster Linie die Refugees im Servitenkloster in ein kriminelles Eck stellen und die Aufregung über die plötzliche Abschiebung der sieben Pakistani so gering wie möglich halten wollte.

Für das Bundeskriminalamt gibt es allerdings überhaupt keinen Widerspruch. Mikl-Leitner hätte nämlich, was Brutalität betrifft, gar nicht konkret die Verhafteten gemeint, und es "wird klargestellt, dass zu Menschen aus dem Umfeld des Servitenklosters diesbezüglich keine Aussage getroffen wurde, sich hingegen diese Information auf Vorgehensweisen im internationalen Schlepperring bezieht." Ein bisher offenbar unbemerktes Missverständnis also. Und der Rest der Ermittlungen würde eben noch am Anfang stehen.

Die Grünen kündigten inzwischen eine Parlamentarische Anfrage an die Innenministerin an, in der sie wissen wollen, woher sie ihre Informationen hatte und wer in Innenministerium und BKA beschlossen hat, damit in dieser Form an die Öffentlichkeit zu gehen. Und der Caritas-Generalsekretär Klaus Schwertner meint, er schwanke zwischen Fassungslosigkeit, Wut und Erleichterung. In einem Facebook-Posting meint er noch, es sei "zum Schämen, wie auf dem Rücken der Schwächsten in Wahlkampfzeiten Politik gemacht wird" und fragt sich, ob die Unschuldsvermutung für wirklich alle Menschen in unserem Land gilt.

Florian Klenk in Interview

Wir sprechen morgen, Mittwoch, in FM4 Reality Check (12-13 Uhr) mit Falter-Chefredakteur Florian Klenk über die Hintergründe der Geschichte, ihre Folgen und wie und mit welchen Mitteln im Wahlkampf Meinung gemacht wird.