Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Facebooks Abstieg"

Michael Fiedler

Politik und Spiele, Kultur und Gegenöffentlichkeit.

3. 2. 2014 - 12:44

Facebooks Abstieg

Pünktlich zum zehnten Geburtstag des erfolgreichsten sozialen Mediums wird sein Ende vorhergesagt. Warum das nicht stimmt, aber irgendwie wahr ist.

Aktuell
Dass Facebook viele Daten seiner Nutzer speichert, ist bekannt. Weniger bekannt ist, was diese Daten verraten. Die kostenlose "Privacy Awareness App" aus Wien kann das sichtbar machen: Radio Wien berichtet. Weiterlesen hier!

Plötzlich war die Oma auf Facebook. Da kannst du die Freundschafts-anfrage natürlich nicht ablehnen. Es ist ja am Anfang auch lustig: Schau mal, die Oma ist auf Facebook. Aber dann ertappe ich mich plötzlich dabei, bereits geschriebene Postings nicht abzuschicken. Den Link zum "Fashion or Porn"-Test erspare ich der Oma lieber. Oder besser gesagt: mir ihre Reaktion. Die Selbstzensur macht sich auf meiner Pinnwand breit. Facebook ist das vermutlich noch vor mir aufgefallen. Und das Netzwerk ist darüber besorgt.

Facebook Logo versinkt im Sand

mkhmarketing on flickr, CC BY 2.0

mkhmarketing on flickr, CC BY 2.0

Weiterlesen

  • 7. 9. 2011: Wir probieren, Anstupser zu sein: Der Wiener Jusstudent Max Schrems setzt als einfacher, informierter Bürger Facebook in Europa unter Druck.
  • 7. 2. 1012: Europe vs. Facebook: Der Student Max Schrems fordert Facebook heraus. Und er hat gute Chancen. Das weltgrößte Social Medium muss reagieren. Gestern haben sich die beiden Konfliktparteien getroffen.
  • 4. 6. 2012: FB in der Doppelmühle: Wo die stärksten Zuwachsraten herrschen, im Mobilbereich und den Schwellenländern, wächst Facebook zwar mit. Nach Nutzern, nicht nach Umsätzen, weil es für Facebook dabei wenig bis nichts zu verdienen gibt.
  • 30. 7. 2012: Kafka lässt grüßen - Die Mitteilung der irischen Datenschutzbehörden an die Facebook-Kläger, dass sie vom eigenen Verfahren ab sofort ausgeschlossen werden, kam per SMS.
  • 4. 12. 2012: Nägel mit Köpfen - Nach über einem Jahr hat die Initiative um Max Schrems nun einen über 70 Seiten langen "Gegenbericht" vorgelegt. Man bereitet sich auf ein Gerichtsverfahren in Irland vor.
  • 14. 1. 2013 - Irland torpediert EU-Datenschutz: Wie ein internes Dokument der irischen EU-Ratspräsidentschaft zeigt, wollen die Iren Geldstrafen für Datenschutzverstöße in der neuen Datenschutzrichtlinie durch "Rügen" ersetzen.

Schon vor fast einem Jahr schreibt Spiegel-Online von einem Rückgang von jungen deutschen NutzerInnen bei Facebook. Insgesamt wächst die Zahl der BenutzerInnen aber immer noch ordentlich, seit 2012 aber praktisch nur mehr in der Altersgruppe ab 45 Jahren.

In den USA hat sich die Zahl der Facebook-UserInnen zwischen 13 und 24 in den vergangenen drei Jahren um fast 7 Millionen verringert, das ist ein Minus von 11,5 Prozent.

Die Oma kann auf Facebook von mir aus alles mitlesen, ich bin eh kaum mehr da. Dafür ist Papa hier und die Tante ebenfalls. Wir teilen Familienfotos und Katzenvideos. Kennst du schon das, wo Katzen gegen Kinder kämpfen? Gestern hat die Oma gelernt, wie man jemanden auf einem Foto markiert. Ich denke an meine Kinderfotos und mir wird ein bisschen schwindlig.

Letztens machte die Meldung die Runde, dass Facebook sich wie ein Virus verhalte. Das soziale Netzwerk als Pandemie: rasende Verbreitung über Datenleitungen, Peak, Abklingen der Infektion. Nur ohne Tote. Die Conclusio der ForscherInnen: Bis 2018 wird Facebook 80 Prozent seiner Mitglieder verlieren. Wobei: das eine gewagte Theorie zu nennen, ist schon mutig. Die ForscherInnen haben sich die Entwicklung der Häufigkeit des Google-Suchbegriffes "Myspace" angeschaut. Und vergleichen diese Kurve mit der des Suchbegriffes "Facebook". Stellt sich nur die Frage, wer zum Teufel irgendeine Website, die er oder sie quasi täglich besucht, über die Google-Suche ansteuert. Und inwieweit die Facebook-App das Ergebnis verfälscht. Man darf die Prophezeiung des Niedergangs von Facebook also ruhig bezweifeln. Auch weil die Firma jede ansatzweise ins Portfolio passenden Konkurrenz einfach aufkauft und Design und Funktionen der Plattform der nicht käuflichen Konkurrenz anpasst.

Aber offenbar reicht uns ein social media nicht mehr, wenn es das überhaupt jemals getan hat. Die eine Gruppe findet sich auf Whatsapp zusammen, anderen schreibe ich in Hangouts, die Mitgliedschaften in verschiedenen Foren organisere ich über Tapatalk. Und angeblich ist Snapchat nach kaum einem Jahr schon gar nicht mehr so in - vor allem, weil es nicht so dreckig ist, wie man es sich vorstellt.

Facebook hingegen wird erwachsen und das heißt, dass junge Leute weniger oft hinschauen, weil sie nicht frei kommunizieren können. Es hat sich vom Geheimtipp über den Jugendtreff zum Dorfwirtshaus gewandelt. Und dorthin gehen Jugendliche nur, wenn eine Familienfeier stattfindet. Selbst der Finanzchef von Facebook, David Ebersman musste im Herbst zugeben, dass es einen Rückgang bei den jungen unter den täglichen BenutzerInnen gibt.

Da gehöre ich kaum mehr dazu, Facebook schreibt mir in letzter Zeit trotzdem täglich Mails. Ich soll doch wieder vorbei schauen, ich hätte Benachrichtigungen. Das Netzwerk ist besorgt und will mir ein schlechtes Gewissen machen. Stattdessen habe ich ein kleines bisschen Mitleid. Aber nur kurz. Denn ich weiß: Wenn ich mich einlogge warten da nur Links, die ich vor einer Woche auf Twitter gesehen habe, Einladungen zu Veranstaltungen, die ich nicht besuchen werde und Freundschaftsanfragen - von Verwandten.