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Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

30. 7. 2012 - 13:32

Facebook-Klage nimmt kafkaeske Züge an

Die Mitteilung der irischen Datenschutzbehörden an die Facebook-Kläger, dass sie vom eigenen Verfahren ab sofort ausgeschlossen werden, kam per SMS.

Was Europäern blühen kann, wenn sie unter Berufung auf die gültige Rechtslage in der Union von ihrem Auskunftsrecht in Bezug auf ihre eigenen, personenbezogenen Daten Gebrauch machen, das erlebt die Gruppe um den Wiener Studenten Max Schrems gerade. Das von den Wienern vor der irischen Datenschutzbehörde angestrengte Auskunftsverfahren gegen Facebook nimmt nach einem Jahr Laufzeit immer kafkaeskere Züge an.

Den Klägern auf Herausgabe der eigenen Datensätze durch Facebook wird nicht nur seit einem halben Jahr jede Akteneinsicht verweigert. Die wenigen von den Iren erhaltenen Auskünfte waren zudem grob unvollständig oder schlicht inkompetent.

"K. u. K. Amtsverständnis"

Zum Auftakt der für Juli angesagten, neuen Verhandlungsrunde teilte die Datenschutzbehörde Schrems und Co. in zwei dürren Sätzen mit, dass man ab nun mit ihnen nicht einmal mehr sprechen werde. Bemerkenswert daran: Die Mitteilung kam per SMS.

"Das offenbart ein Amtsverständnis wie aus der Zeit der K. u. K. Monarchie, sagte Schrems zu ORF.at. Man stehe als klagende Partei mit Augenbinde, Ohrstöpsel und Maulkorb ausstaffiert vor einem Richter, ein faires Verfahren sei damit unmöglich. Ohne die Grundrechte auf Information sei Europe-v-Facebook.org gegen einen multinationalen Konzern wie Facebook logischerweise "vollkommen chancenlos." Damit seien natürlich auch die Entscheidungen der irischen Datenschutzbehörde nicht mehr überprüfbar, was "für die Behörde sehr praktisch ist".

Update 19:00
Die irische Datenschutzkommission hat die Kritik von Europe-v-Facebook.org zurückgewiesen. Die Behörde sei "darüber enttäuscht", dass die Gruppe mit ihrer Arbeit nicht zufrieden sei, so eine Sprecherin auf Anfrage von ORF.at.

Der Prozess

Eröffnet ist das Verfahren zwar und auch der Status als Partei in diesem Prozess musste Schrems und Co. zugestanden werden, doch damit hat es sich schon mit einem ordentlichen Prozess. Nach einem Jahr Laufzeit stellt sich die Lage folgendermaßen dar: Facebook gibt keinerlei öffentliche Erklärungen zu den Anzeigen mehr ab, offenbar aus Sorge darüber, dass diese Argumente vor Gericht gegen die Firma verwendet werden könnten.

Auch die bei Facebook gespeicherten "Roh-Datensätze" über jeden Benutzer, die nach einem ersten Auskunftsersuchen in einem Fall geliefert worden waren, gibt es nicht mehr. Die irische Datenschutzbehörde müsste nach geltendem irischen Recht eigentlich dafür sorgen, dass dies innerhalb von 40 Tagen passiert. Stattdessen verkündet sie per SMS, dass die Kommunikation zu Bürgern der Europäischen Union, die nichts als ihr gesetzliches Auskunftsrecht einfordern, abgebrochen wird.

Jusstudent Max Schrems ist offizieller Beschwerdeführer von Europe-v-facebook.org, einer Gruppe von Österreichern, die Facebook dazu bringen wollen, sich ans EU-Datenschutzrecht zu halten. Schrems hatte im August 2011 bei der irischen Datenschutzbehörde 16 Anzeigen gegen Facebook eingereicht.

Juristische Inkompetenz

Dieses absurde Verhalten ist wohl nicht allein auf Arroganz zurückzuführen, sondern auf eine Mischung aus Inkompetenz und Überforderung, kombiniert mit einer unklaren nationalen Rechtslage in Irland zum Datenschutz bei Web-Angeboten. Da es in Irland kein Prozessrecht gibt, das klarstellt wie ein solches Verfahren vor der Datenschutzbehörde abzulaufen hat, ist der Willkür Tür und Tor geöffnet. Auch Präzedenzurteile aus vergleichbaren Verfahren gibt es in Irland nicht.

SMS an Max Schrems

Moechel

Dazu kommt, dass die irische Regierung offenbar vergessen hat, dass eine Datenschutzbehörde auch Juristen benötigen könnte. "Nach unseren Informationen hat keiner der Beamten eine juristische Ausbildung", sagt Schrems.

Irisches Steuer-Dumping

Ein weiterer Faktor wurde zwar bis jetzt nie angesprochen, obwohl er in diesem Fall der womöglich Wichtigste ist.

Im FM4-Interview vom Februar 2012 zeigte sich Schrems bezüglich des Klageausgangs noch wesentlich optimistischer.

In Irland haben von Facebook bis Microsoft, von Apple bis Google so gut wie alle großen IT-Konzerne aus den USA ihr Europa-Hauptquartier. Ausschlaggebend dafür ist nicht nur der mit 12,5 Prozent im europaweiten Vergleich äußerst niedrige Satz für Körperschaftssteuern. Die Rechtslage der Inselrepublik eröffnet den Konzernen auch die Möglichkeit ausgesprochen "steuerschonender" sogenannter "Double Irish"- Finanzkonstruktionen.

Ein solches Finanzvehіkel, das es in verschiedenen Varianten gibt, macht es möglich, die Umsätze über Briefkastenfirmen in die Steuerparadiese der Karibik zu verschieben und anschließend wieder nach Irland zurückzuführen. Im Endeffekt kommen die Konzerne so auf einen Steuersatz von deutlich unter fünf Prozent.

US-Großkonzerne haben komplexe Fluchtrouten ausgetüftelt, über die sie - ganz legal - ihre Gewinne vor den Steuerbehörden in Sicherheit bringen. Googles Erlöse nehmen den Umweg über Irland und Amsterdam, um schließlich auf den Bermudas zu landen. Insider nennen das "Double Irish" bzw. "Dutch Sandwich".

Karibische Geldwaschgänge

Neben der offenkundigen Inkompetenz der irischen Datenschutzbehörden und einer insgesamt nicht ausjudizierten Rechtslage kommt als dritter und vielleicht wichtigster Faktor, die Ökonomie dazu. Die von anderen EU-Mitgliedsstaaten regelmäßig als Einladung zum Steuer-Dumping kritisierte, gesamte irische Rechtslage zur Unternehmenbesteuerung kommt durch den Prozess von Max Schrems und Co. quasi nebenbei aufs Tapet.

Ein diesbezügliches Präzedenzurteil könnte mittelfristig zur Folge haben, dass diese "steuerschonenden" irischen Geldwaschgänge via Karibik nicht mehr wie gewohnt funktionieren.

Zum Vergessen

"Das erstinstanzliche Urteil durch die irische Datenschutzbehörde können wir also getrost vergessen", sagte Schrems zu ORF.at, "Wir werden ja als nicht existent behandelt." Da diese Behörde formal unabhängig ist, steht nur der Weg einer Klage bei irischen Gerichten offen, wobei dieser Weg ein ziemlich steiniger ist: bei einer zu erwartenden Verfahrensdauer von rund fünf Jahren und den etwa 100.000 Euro, die dafür nötig sind, müsse man schon sehr gut überlegen, ob sich das Risiko denn auch lohne, sagt Schrems.

Er werde jedenfalls nächste Woche wieder nach Irland fliegen, um dort mit Anwälten zu beraten. Auch ein Spendenkonto habe man vorsichtshalber bereits eingerichtet.