Erstellt am: 4. 12. 2012 - 18:03 Uhr
Europe-v-Facebook: "Nägel mit Köpfen"
Max Schrems redet schnell und viel. Dabei bleibt keine Zeit zum Austausch von Smalltalk und Banalitäten. Es geht um viel. Nach über einem Jahr Europe-v-Facebook, der Initiative für die Umsetzung von europäischem Datenschutzrecht auf Facebook, der US-amerikanischen Social-Media-Plattform mit über einer Millarde Usern, hat sich die Lage zwischen der irischen Datenschutzbehörde und der österreichischen Initiative nun zugespitzt.
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Die irische Behörde sei heillos überfordert, sagt Max Schrems, und dennoch könne man darauf keine Rücksicht nehmen. Die Verantwortung der Behörde sei riesig, denn viele IT-Großkonzerne aus den USA haben aus steuerrechtlichen Gründen ihren Europa-Firmensitz in Irland. Weil sich die Britischen Inseln traditionell ohnehin selten als Teil von Europa sehen, hofft man dort auf milde Urteile und, wie man in Wien sagt, "nur keine Wellen". Ein unglaublicher Missstand, wie Schrems immer wieder betont.
"Es geht um Grundrechte, die wir haben: in der Grundrechte-Charta auf europäischer Ebene und im Datenschutzrecht in der Verfassung auf nationaler Ebene."
Previously on Europe-v-Facebook
Nachdem vergangenen Sommer das Beschwerdeverfahren der Österreicher bei der irischen Behörde von selbiger eingestellt worden war, bekam Europe-v-Facebook keinerlei Akteneinsicht mehr. Der Kontakt wurde seitens Irland so gut wie möglich abgebrochen bzw. auf ein Mindestmaß reduziert. Man ist ab sofort den Beschwerden der Österreicher auf eigene Faust nachgegangen.
Max Schrems
Zwischenzeitlich hat Facebook einige Änderungen am System vorgenommen - am Auffälligsten ist hierbei die Zurücknahme der Gesichtserkennung außerhalb Nordamerikas. Es wurde auch versucht, die User über bevorstehende Änderungen abstimmen zu lassen. Die Bedingungen und Vorgaben dazu (z.B. ein prozentuelles Mindestmaß der User-Beteiligung) wurden aber schnell zur Farce und man ist wieder bald zur üblichen Tagesordnung übergegangen. Solche Anpassungen kosten Facebook angeblich Millionenbeträge - da holt sich der Konzern im Zweifelsfall wohl lieber teure Anwälte als noch mehr Geld wegen eventueller Datenschutzverletzungen in Europa auszugeben.
Bisherige Änderungen unzufriedenstellend, Klage vorbereitet
"Nach über einem Jahr wird es Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen und eine verbindliche Entscheidung in Irland zu bekommen.", schreibt Europe-v-Facebook in der aktuellen Presseaussendung. Die irische Behörde hat die seitens Facebook getroffenen Änderungen und die selbst abgegebenen "unverbindlichen Empfehlungen" gesammelt und nach Wien geschickt - wohl in der Hoffnung, die Österreicher würden es nun gut sein lassen.
Doch das Gegenteil ist der Fall: Europe-v-Facebook ist jetzt bereit, noch einen Schritt weiter zu gehen. Die Initiative bezeichnet den Bericht als "schlampig und ungenau" und plant ein Gerichtsverfahren. Als Untermauerung hat Max Schrems heute (Dienstag, 4. Dezember) einen über 70 Seiten starken "Gegenbericht" vorgelegt, in dem die Inhalte der ursprünglichen 22 Anzeigen und was sich seither geändert hat, nochmal detailliert analysiert werden. Dabei dreht es sich etwa um vom User gelöschte Inhalte, die aber weiter im System bleiben und darum, welches Zutun und welche Zustimmungen seitens des Users zu welchen Konsequenzen führen.
Facebook vs. Europe
Crowdfunding zum Sammeln der Prozesskosten
Weiterlesen auf fm4.ORF.at:
- "Facebook-Klage nimmt kafkaeske Züge an" (Juli 2012)
- "Facebook in der Doppelmühle" (Juni 2012)
- "Wir probieren, der Anstupser zu sein" (September 2011)
Max Schrems erwartet, dass sich die irische Datenschutzbehörde - der übrigens laut ihm weder ausgebildete Juristen noch Techniker angehören würden - kaum auf diesen Gegenbericht eingehen wird. Demnächst trifft die Behörde aber eine finale Entscheidung in der Sache. Danach bleiben Europe-v-Facebook gerade 21 Tage Zeit, um vor Gericht zu gehen.
Weil es in Irland weder Verfahrenskostenlimits noch Prozesskostenhilfe gibt, ist es ratsam, nur mit hohen Geldbeträgen im Gepäck einen Strafprozess anzuzetteln. Deshalb sammelt die Initiative ab sofort auf der selbstgemachten Crowdfunding-Plattform crowd4privacy.org Spenden. 100.000 Euro sind laut Experten der notwendige Mindestbetrag, 300.000 Euro wären eine optimale Summe. Wenn also 5.000 Menschen jeweils 20 Euro spenden, so Max Schrems, hätte man schon das Notwendigste zusammen.