Erstellt am: 26. 6. 2013 - 16:27 Uhr
Tagebuch zum Jahr der Pflicht (24)
marc carnal
Nach dem "Jahr des Verzichts" im Jahr 2011 gilt es heuer, monatliche Pflichten zu bestehen. Mitstreiter sind in der Neigungsgruppe Pflicht jederzeit willkommen.
Jeden Monat stehen drei Aufgaben in Kategorien wie Handwerk, Wissen oder Selbstüberwindung zur Auswahl. Die Leserschaft stimmt darüber ab, welche Pflicht erfüllt werden muss.
Voting Jänner - Kategorie Handwerk
Voting Februar - Kategorie Wissen
Sonntag, 16. Juni
● Der ORF Burgenland sendet einen fast dreiminütigen Bericht über einen Pfarrer, der während der Predigt die Anwesenden darum bat, nicht zu husten. Das mag etwas vermessen und streng sein, ein Skandal sieht aber anders aus. Im Burgenland ist die Kirchengemeinde aber offenbar sehr zart besaitet. Ein aufgebrachter Gläubiger wird interviewt - er plane, den kommenden Gottesdienst zu verweigern, wenn sich der freche Pfaffe nicht entschuldige.
● Rauchertraining: Täglich 200 Glimmzüge
marc carnal
Montag, 17. Juni
● R. hat endlich eine Mitbewohnerin gefunden. Das ist doch schonmal die halbe Miete.
● Nachdem es in einer großen Stadt regelmäßig neue Straßennamen zu finden gilt, etwa wenn ein neues Viertel gezimmert oder die Nazivergangenheit eines Namensgebers enthüllt wird, sei den Verantwortlichen der Vorschlag "Weg der Besserung" ans Herz gelegt.
"Hello Zuckermaus, zehn Minuten noch, ich bin schon am Weg der Besserung!"
Dienstag, 18. Juni
marc carnal
Mittwoch, 19. Juni
● Kollege Josef und ich treffen uns mit der gütigen Hornistin E., die uns im Sommer dabei behilflich sein will, die April-Pflicht nachzuholen, nämlich einen der 100 höchsten Berge Österreichs zu erklimmen. Nachdem ich sie in der Vorwoche mit meiner forschen Natur ein bisschen gach hineintheaterte, gesteht sie uns ihre Zweifel, dass wir als völlig unerfahrene Kletterer über Nacht zu Bergfexen werden und den zwar verhältnismäßig einfachen, aber für Greenhorns doch sehr herausfordernden Weg auf die Kreuzspitze - trotz Zwischenstation auf einer Hütte - meistern können. Dünne Luft, Selbstüberschätzung, null Routine. Sie hat völlig Recht, also muss ich sämtliche Charmereserven bemühen, damit E. uns dennoch begleitet. Der Aufstieg ist nun für die dritte Augustwoche angesetzt, die Kosten für die Bergrettung im Privatbudget veranschlagt.
Donnerstag, 20. Juni
● Kürzest-Schüttelreim namens "Gefrorenes Pergament":
Hier taut
Tierhaut.
● Lieber würde ich mit DJ Bobo am Südpol Mau Mau spielen, als einen Pfarrer mit der doofen Juni-Pflicht zu belästigen. Jeden Tag nehme ich mir vor, endlich den Pflicht-Vollzug zu organisieren und habe dann selbst in ruhigeren Stunden Wichtigeres zu tun (Socken-Paare auseinandernehmen und richtig ordnen, Pfandflaschen zurückbringen, Magistratsdienststellen auswendig lernen...)
Auf diesem Motivationslevel winkt im sechsten Monat bereits die zweite verschobene Aufgabe. Ist aber auch wurscht. Solange man nicht Chirurg, Sprengmeister oder Pilot ist, ist so herrlich vieles wurscht.
Freitag, 21. Juni
● In der Lobau:
Auf Armen, Beinen, Füßen, Hälsen:
Gelsen.
Auf Bäuchen, Brüsten, Händen, Rücken:
Mücken.
Einen derartigen Schwarm hat die Welt noch nicht gesehen. Die Kollegen Wurm/Hurej und ich rannten, wie Comicfiguren um uns schlagend, hurtigst wieder zum Auto zurück, um zu flüchten. In Sicherheit stellten wir fest, dass man den Plural von "Kinn" sehr selten benutzt. "Kinne" beleidigt die Zunge ein bisschen. Immerhin ließe sich damit mein unterklassiges Lobau-Poem um einen zwar nicht mehr authentische, aber für meine arachnophobische Ader beunruhigenden Vers fortsetzen:
Auf Augen, Nasen, Wangen, Kinnen:
Spinnen.
Samstag, 22. Juni
● Erörtere beim abendlichen Umtrunk mit Kollegen Hurej und der allerliebsten A. zwei Fragen, die an den Nachbartischen zwar für Irritation sorgen, aber unsere kleine Runde durchaus zu rocken vermögen:
1) Wenn du dazu gezwungen wärst - Wie würdest du deine Mutter umbringen?
2) Wenn du dir aussuchen müsstest, welcher dir persönliche bekannte Mensch dich auf welche Weise töten würde, wen würdest du auswählen? Einen Feind oder einen Freund?
Mit "den richtigen Leuten" kann man sich ohne falsche Tabus einen halben Abend in diese Fragen vertiefen und fühlt sich dann besser als nach dem tausendsten Popkultur-Geschwafel ("Hast du den gesehen?")
● "Menscheln" gehört zu den entsetzlichsten Vokabeln, die jemals erfunden wurden.
● Schade, dass Trafiken nicht wie Kaschemmen oder Friseure individuell benannt werden. Ich würde gerne in "Joschis Rauchereck", im "Schwarzen Beuschel" oder in "Renate's Lottoparadies" Zigaretten kaufen.