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Marc Carnal

Wer sich weit aus dem Fenster lehnt, hat die bessere Luft. Lach- und Sachgeschichten in Schönschrift.

18. 6. 2013 - 16:10

Tagebuch zum Jahr der Pflicht (23)

Juni: In einer katholischen Messe die Lesung halten.

marc carnal

Nach dem "Jahr des Verzichts" im Jahr 2011 gilt es heuer, monatliche Pflichten zu bestehen. Mitstreiter sind in der Neigungsgruppe Pflicht jederzeit willkommen.

Jeden Monat stehen drei Aufgaben in Kategorien wie Handwerk, Wissen oder Selbstüberwindung zur Auswahl. Die Leserschaft stimmt darüber ab, welche Pflicht erfüllt werden muss.

Voting Jänner - Kategorie Handwerk

Voting Februar - Kategorie Wissen

Voting März - Kategorie Musik

Voting April - Kategorie Sport

Voting Mai: Kategorie Essen

Voting Juni: Kategorie Schreiben & Lesen

2. bis 9. Juni

Wie passend, dass eine mit lästigen und schönen Pflichten so üppig ausgestattete Woche in dieses dem Müssen und Sollen gewidmete Jahr fällt. Wenn es allerdings über mehrere Tage kaum etwas Erquickliches zu berichten gibt und man obendrein kaum Lust hat, etwas zu erfinden, ist es verzeihbar, mal eine Tagebuchwoche auszulassen und einfach am

Montag, dem 10. Juni

fortzusetzen, an dem schon längst feststeht, dass es diesen Monat gilt, die Lesung in einer katholische Messe zu halten. Dafür ist es freilich von Nöten, einen gütigen Pfaffen zu finden, der meine fehlende Frommheit akzeptiert und mir dennoch glaubt (und zu glauben ist ja sein Job), meinen Dienst an der gläubigen Gemeinschaft ironiefrei und ambitioniert zu leisten.

Vielleicht vergönnt mir der liebe Gott in den nächsten Tagen einen frechen Moment und ich schreibe dem medial nicht gerade schüchternen Dompfarrer, ob er mir gleich eine Performance im großen Stil gewährt.

Ansonsten steht heute nur ein weiterer Eintrag in meinem elektronischen Diarium:

● Warum fotografieren die Leuteln eigentlich so gerne ihr Essen?

Dienstag, 11. Juni

● Würden Sie...

  • für 10.000 Euro eine Katze ertränken?
  • für 112.000 Euro ebenjene Summe in Form von 20-Euro-Scheinen innerhalb von fünf Jahren essen? Das entspräche täglich drei Geldscheinen.
  • für 263.000 Euro mit Ihrem Vater oder Ihrer Mutter die Nieren tauschen?
  • für 520.000 Euro ein Jahr lang als Pantomime täglich zehn Stunden auf einer ungeregelten Kreuzung verharren?
  • für 1.400.000 Euro den Rest Ihres Lebens ausnahmslos auf Rollschuhen verbringen?
  • für 10.000.000 Euro bis zum Ende Ihrer Tage in Ihrer aktuellen Wohnung bleiben sich ausschließlich von Chips und Nutella ernähren?

Mittwoch, 12. Juni

● Ich würde bei Gelegenheit durchaus Menschenfleisch essen. Vorausgesetzt, der Zubereitete wurde nicht aus kannibalischen oder sonstigen Motiven ermordet. Die Vorstellung ist zwar irritierend, die Neugier wäre aber zu groß.

● Im Text Drucker durckende Drucker wies ich vor über sechs Jahren auf die Gefahren von 3D-Druckern hin. So blöd sind meine Visionen aus heutiger Sicht gar nicht.

Donnerstag, 13. Juni

● In Japan liebkosen sich Jugendliche zunehmend, indem sie sich gegenseitig die Augäpfel lecken. Falls Sie sich gerne in Internetforen herumtreiben, können Sie zu dieser sich gerade munter verbreitenden Meldung einen Kommentar verfassen und dabei gerne folgende Gag-Anreize aufgreifen:

  • Augenauswischerei
  • ein Auge auf jemanden werfen
  • jemandem ins Auge stechen
  • Vier Augen schmecken besser als zwei
  • Sich jemanden vor Augen führen
  • Das kann ins Aug gehen
  • Aus den Augen, aus dem Sinn

● Eine Minute nach dem Aufwachen geschriebene Zweizeiler (1)

Man kann sich von Beeren
allein nicht ernähren.

Freitag, 14. Juni

● Eine sehr freundliche Hornistin erklärt sich nach fünfminütigem Kennenlernen, noch bevor wir unsere Vornamen wissen, bereit, uns im Juli auf einen der 100 höchsten Berge Österreichs zu führen. Die Tirolerin ist begeisterte Kletterin und wird uns bei der nachzuholenden April-Pflicht mit Rat und Tat begleiten. Ich verehre sie bereits jetzt dafür und werde ihr ein Edelweiß pflücken.

marc carnal

● Schüttelreime mit Gesangspädagoginnen, erster und letzter Teil:

Wenn sie brav trällern, leert Frau Firbas
mit ihren Schülern gern ein Bierfass.

Samstag, 15. Juni

● Coolness im 21. Jahrhundert: Zweimal den falschen PIN-Code ins Handy tippen und es ohne Überlegen ein drittes Mal versuchen.

● Schönes Spiel für träge Runden: Reihum Obstsorten aufzählen, bis dem ersten keine neue mehr einfällt. Klingt jetzt nicht nach Rock'n'Roll im klassischen Sinn, erheitert aber überraschenderweise.

● Ein Popup wurde geblockt. Nur so nebenbei.

● Die Pfarrer-Kontaktaufnahme eine Woche lang erfolgreich hinausgeschoben. Das Jahr der Pflicht hat sich zu einem Prokrastinations-Hindernislauf entwickelt.