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Veronika Weidinger

10. 10. 2010 - 18:15

Wien hat gewählt

SPÖ und ÖVP verlieren, die FPÖ legt zu.

Laut vorläufigem Endergebnis erreicht die SPÖ 44,13 Prozent (ein Minus von 4,8 Prozent), ihre absolute Mandatsmehrheit ist damit ziemlich sicher weg. Massiv gewonnen hat die FPÖ und landet mit 27,06 Prozent auf dem zweiten Platz. Nur mehr 13,25 Prozent haben laut Hochrechnung für die ÖVP votiert (ein Verlust von 5,52 Prozentpunkten), 12,21 Prozent für die Grünen (minus 2,42 Prozent). BZÖ und KPÖ werden den Einzug in den Gemeinderat mit 1,35 bzw. 1,14 Prozent nicht schaffen.

Wahlurne

apa/GEORG HOCHMUTH

1.144.510 WählerInnen konnten ihre Stimme abgeben. Die Wahlbeteiligung fiel laut ersten Informationen geringer aus als bei der Wahl 2005, wo 60,81 Prozent zur Urne gegangen sind. Seitdem wurde allerdings die Briefwahl eingeführt. Diese Stimmen werden erst in den nächsten Tagen ausgezählt. Das endgültige Wahlergebnis soll am 18. Oktober vorliegen.

Am Tag danach

Während die FPÖ Sonntag Abend das "blaue Wunder von Wien" feiert, ist dem Mann, dessen Konterfei auf den Plakatenwänden in Wiens Straßen in den letzten Monaten am präsentesten war, weniger nach Feiern. Im SPÖ-Zelt gibt Michael Häupl die Parole für die kommenden Jahre aus: Am Tag nach der Wahl "beginnt das Projekt der Rückeroberung der Absoluten".

michael häupl

apa/herbert pfarrhofer

Für diese Wahl hatte die SPÖ potentiellen WählerInnen offenbar nicht genug zu bieten, und das, obwohl die Partei seit 2001 alleine regiert, Wien im internationalen Vergleich als lebenswert und sicher gilt. Die Versuche, mit Gimmicks wie der Volksbefragung, mit Reformen des Schulsystems in Richtung Gesamtschule oder mit dem Einsatz von Ordungsberatern in Gemeindebauten mehr BürgerInnennähe zu schaffen, haben offenkundig zu kurz gegriffen. Oder, wie Michael Häupl Sonntag Abend formuliert, die SPÖ hätte nur die Köpfe der Menschen erreicht, und "in Zukunft zielen wir mit unseren Argumenten ein bisschen tiefer, nämlich aufs Herz, und nicht auf den Kopf".

heinz-christian strache

apa/herbert neubauer

Ein bisschen tiefer, auf ein emotionales "Wir"-Gefühl, das sich durch die Abgrenzung von "den Anderen" generiert, darauf setzt die FPÖ. Die bewährte Wahlkampfstrategie der Freiheitlichen ist auch diesmal aufgegangen: HC Strache als Spitzenkandidat, ein paar Aufreger wie die "Wiener Blut"-Kampagne und der umstrittene Comic, Fokussieren auf ein Thema: seit eh und je die "Ausländerproblematik". In Wien geht es dafür von 15% auf 27%.

Auch ÖVP-Spitzenkandidatin Christine Marek hatte dasselbe Problem identifiziert, aber der ÖVP hat man den strengen Kurs in Sachen Integration nicht wirklich abgenommen, trotz der Schützenhilfe der Politik Maria Fekters. Die Grünen mit Maria Vassilakou haben auch verloren, die internen Streitigkeiten haben da sicher nicht geholfen.

WählerInnenströme zwischen den Generationen

Die FPÖ konnte vor allem WählerInnen von SPÖ und ÖVP gewinnen, heißt es in der WählerInnenstromanalyse. Bei den PensionistInnen schaut die Sache so aus: 51 Prozent die SPÖ, 28 die FPÖ, 13 die ÖVP und nur fünf Prozent die Grünen. Ganz anders, so SORA-Daten, haben die jungen Wählerinnen und Wähler gestimmt: die SPÖ kommt auf 46 Prozent, FPÖ (21) und Grüne (20) liegen fast gleichauf - und die ÖVP erreichte nur 12 Prozent. Ziemlich deutliche Unterschiede gibt es auch zwischen den Geschlechtern.

Bei den Frauen unter 20 kommen die Grünen auf 29 Prozent und sind damit doppelt so stark wie bei den Männern (14). Umgekehrt ist der Anteil der FPÖ-Wähler mit 27 Prozent fast doppelt so hoch wie der der FPÖ-Wählerinnen (15 Prozent).

Koalitionsverhandlungen

Der Wiener SPÖ-Chef Michael Häupl ist auch einen Tag nach der Wahl Bürgermeister. Häupl wird das Amt behalten, allerdings wird er nicht, wie seit 2001, alleine regieren. Die SPÖ-Absolute ist dahin, eine Koalition ist angesagt. Ein Szenario, das der Bürgermeister schon von 1996 kennt. Damals, nach seiner ersten Wahl als SP-Spitzenkandidat hat er sich mit der ÖVP unter dem liberalen Bernhard Görg auf eine Zusammenarbeit geeinigt.

Nicht nur diese erste Erfahrung mit der ÖVP spricht für einen Deal zwischen Rot und Schwarz in der Wiener Stadtregierung, auch wenn sich die Grünen schon seit Wochen für Rot-Grün stark machen und Junge in der SPÖ, wie etwa die Sozialistische Jugend, gegen Rot-Schwarz protestieren. Aber, Rot-Schwarz gibt es im Bund, warum also nicht auch auf Gemeindeebene, mit dem Schwarzen Erwin Pröll in Niederösterreich ist die Freundschaft auch groß. Die Wiener Wirtschaft freut sich über eine ÖVP-Beteiligung und die Schwarzen sind für Häupls SPÖ leichter zu kalkulieren als etwa die Grünen.