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Barbara Köppel

Durch den Dschungel auf die Bühne des Lebens.

27. 9. 2010 - 16:00

"Seid ihr bereit für den besonderen Kampf?!"

Mit diesen Worten ließ die Wiener FPÖ das "Duell Strache vs. Häupl" und damit den Wahlkampf für die Landtagswahl in Wien eröffnen. Ein Besuch beim Wahlauftakt der FPÖ in der Wiener Lugner City.

Die Menge tobt. Die letzten Takte "Wiener Blut" sind gerade verklungen, auf der Galerie wehen RFJ-Fahnen und noch einmal dröhnt aus hunderten Kehlen "H-C! H-C!". Dann endlich setzt der für die Veranstaltung quasi als Ringsprecher gebuchte John-Otti-Band-Leadsänger zu einem grollenden "Let’s get ready to rumble" an, und aus einer Wolke Theaternebel tritt der Gerufene auf die als Boxring dekorierte Showbühne.

Wahlkampfveranstaltung der FPÖ in der Wiener Lugner City

Barbara Köppel, FM4

Vor Strache standen schon DSDS-Sänger Menowin, Dieter Bohlen oder Paris Hilton auf dieser Bühne.

Bei der Gemeinderatswahl 2005 hat die Wiener FPÖ nach der Abspaltung des BZÖ viele Stimmen verloren. Mit 14,8 Prozent ist sie zwar drittstärkste Partei geworden. Aufgrund der Wahlarithmetik hat sie aber nur 13 Mandate (eines weniger als die Grünen) erhalten, und ist damit aktuell die kleinste Fraktion im Rathaus. 2001 ist die FPÖ auf 20,1 % gekommen.

FPÖ Bundes- und Landesparteiobmann Heinz-Christian Strache tritt als schlagfertiger Herausforderer auf. Titelverteidiger und Bürgermeister Michael Häupl wird bei jeder sich bietenden Gelegenheit als amtsmüde, träge und pensionsreif dargestellt - und davon gibt es in Straches etwa einstündiger Rede viele. Er wirft der roten Wiener Stadtregierung Skandale und Steuergeldverschwendung vor, und eine verfehlte Sicherheits- und Integrationspolitik.
Immer wieder bedient Strache dabei die seit langem bewährte Unterscheidung der Freiheitlichen zwischen "anständigen und unanständigen Zuwanderern", was in der Lugner City großen Anklang findet - und zwar nicht nur bei den "echten Wienern".

Denn hier, wo das Schnitzelhaus zwischen Kebab-König und türkischen Spezialitäten steht, und das Geschäft hauptsächlich über Fastfood, Billigmode und Blockbuster läuft, sind viele Kundinnen und Kunden mit Migrationshintergrund. Auf die Frage, weswegen sie am Tag der FPÖ Veranstaltung gekommen seien, weisen nicht wenige von ihnen für die eigene Person vorauseilend das Vorurteil zurück, AusländerInnen seien kriminell oder nützten den Sozialstaat aus. Auf gesellschaftlicher Ebene beziehen sie allerdings oft klar Position: „Was zuviel ist, ist zuviel.“, meint z.B. ein aus Bosnien stammender Arbeiter, der extra gekommen ist, um Strache reden zu hören. Er habe die österreichische Staatsbürgerschaft, viele Mitglieder seiner Familie arbeiteten hier, und seine Frau habe er sogar in Wien begraben. Seit er aber 1966 hierher gekommen sei, habe sich einiges geändert. "Banden, Schießereien und den Staat aussackeln" - all das hätte es damals noch nicht gegeben, und deswegen sei es jetzt besonders wichtig, sich an die Österreicher anzupassen, fleißig zu arbeiten und nicht von anderen zu leben. Nur wenige Minuten später sagt auch eine junge Neoösterreicherin, die gerade beim Kaffee sitzt, energisch ins Mikrofon: "Strache hat Recht mit seinen Bestimmungen gegen die Ausländer. Wir brauchen keine Kriminellen in Österreich."

Vienna Elections on FM4 Reality Check:

Das Einzugsgebiet der Lugner City ist der 15. und 16. Wiener Gemeindebezirk. Rudolfsheim-Fünfhaus und Ottakring sind jene Bezirke mit dem höchsten bzw. fünfthöchsten AusländerInnenanteil Wiens. In Rudolfsheim-Fünfhaus sind es 32,3 Prozent der Wohnbevölkerung die mehrheitlich aus Serbien, der Türkei, Polen, Kroatien und Bosnien kommen, in Ottakring 26,9 Prozent. Die meisten BewohnerInnen haben keine höhere Ausbildung als Pflichtschule oder Lehre abgeschlossen, und die Bezirksvorsteher in beiden Bezirken stellt seit Jahrzehnten die SPÖ.

Kein Wunder, dass die FPÖ gerade hier versucht, Stimmen zu sammeln. Zum einen richtet man sich gezielt an jene Bevölkerungsgruppen, die auf dem Arbeitsmarkt sowie bei Bildungs- und Aufstiegschancen direkt miteinander konkurrieren. Zum anderen meint man am Schauplatz Lugner City die sozialen Verhältnisse sichtbar machen zu können, wo doch der 15. und 16. Bezirk laut FPÖ Landtagsabgeordneten Johann Gudenus zu jenen Bezirken gehören, die am meisten unter einer "misslungenen Integration" zu leiden hätten. Integrierte Zuwanderer betreffe das übrigens genauso wie die dort lebenden Wienerinnen und Wiener.

Das offene Werben um die Gunst der Zuwanderer - auch Strache bedankt sich in seiner Rede bei jenen, "die sich integriert haben und ihre neue Heimat respektieren“ – scheint für die FPÖ von wahlentscheidender Wichtigkeit zu sein, darf aber freilich nicht allzu weit getrieben werden. Vorsorglich haben daher die "Wiener Blut"-Plakate bereits ganz zu Beginn des Wahlkampfs klar gemacht, was die FPÖ wirklich von Zuwanderung hält. Trotzdem gelingt es ihr, diese Widersprüche erfolgreich für sich zu nutzen. Denn wie zur Unterstreichung sieht man in der Lugner City dutzende MigrantInnen-Kinder, die putzigen HC-Bären herzen, die als Schlüsselanhänger verteilt werden, und nicht wenige Mütter mit Kopftüchern, die blaue Luftballons an ihre Kinderwägen gebunden haben.

Kinder mit FPÖ-Luftballons

Barbara Köppel, FM4

Anblicke wie dieser geben Landtagsabgeordneten Gudenus aber auch wirklich allen Grund zu glauben, dass FPÖ Forderungen wie das Minarett- oder Kopftuchverbot potentielle muslimische WählerInnen nicht abschrecken könnten: "Viele Muslime wählen uns, weil sie glauben, dass wir bei der Familien- und Sicherheitspolitik die besseren Angebote haben. Ein gemäßigter Moslem wird mit dem Kopftuch- und Minarettverbot sicher auskommen."

Johann Gudenus ist nach Strache Zweiter auf der Landesliste der Wiener FPÖ. Beim Wahlkampfauftakt darf er vor der großen Rede schon ein bisschen Stimmung machen, indem er gegen die "gewaltbereiten Anarchisten da draußen" eifert, und meint damit eine Handvoll Leute der Sozialistischen Linkspartei und von der Sozialistischen Jugend, die vor den Eingängen der Lugner City Anti-HC-Sticker verteilen und Müllsäcke für die "FPÖ-Propaganda" aufgestellt haben.

Barbara Köppel, FM4

Gudenus stellt sich vor

Die Wiener Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahlen 2010 finden am 10. Oktober statt. FM4 berichtet vom Wiener Wahlkampf.

Gudenus wird möglicherweise allein - ohne Strache - in den Wiener Landtag einziehen. Denn Strache wird vermutlich nur unter einer Bedingung ins Rathaus wechseln, nämlich wenn er Bürgermeister wird. Wenn er das nicht erreicht, was wahrscheinlich der Fall sein wird, wird er im Nationalrat bleiben. Ist dann das inszenierte Strache-vs.-Häupl-Duell für die WählerInnen nicht völlig irreführend, wenn Strache die Position, um die er kämpft gar nicht besetzen wird? "Das ist nicht gesagt", meint Gudenus auf diese Frage, "ich weiß nur, dass die Frau Marek von der ÖVP auf Platz 1 ist und mit ziemlicher Sicherheit nicht in den Landtag gehen wird. Für Heinz-Christian Strache hängt es davon ab, ob die Wienerinnen und Wiener ihn zum Bürgermeister machen oder nicht".