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Rainer Springenschmid

Punk & Politik, Fußball & Feuilleton: Don't believe the hype!

5. 10. 2010 - 18:57

Das gallische Dorf soll wieder nach Hause

In Wien will die ÖVP die Josefstadt wieder von den Grünen zurückholen - damit es wieder mehr Parkplätze und weniger Fahrradständer gibt.

Vor über zwanzig Jahren hatte die Wiener ÖVP zuletzt bei Gemeinderatswahlen mehr als 20 Prozent. Bei den gleichzeitig stattfindenden Bezirksratswahlen ist das anders: in fünf Bezirken ist sie immer noch stärkste Partei und stellt den Bezirksvorsteher. Auch der Achte, die Josefstadt, ist ein klassischer schwarzer Bezirk. Allerdings sind hier vor fünf Jahren erstmals die Grünen vorn gelegen - nach 60 Jahren ÖVP-Dominanz.

Aber weil die Grünen sich auch in der Josefstadt gespalten haben, macht sich die ÖVP Hoffnungen, den Bezirk zurück zu gewinnen. Zum Beispiel mit einem Grätzlfest am Jodok Fink Platz, gleich hinter dem Theater in der Josefstadt.

Der Jodok Fink Platz im achten Bezirk,  im Hintergrund ÖVP Wahlkampfplakate und -zelte.

Rainer Springenschmid, Radio FM4

Hier könnte man eine Neuauflage von Don Camillo und Peppone drehen: der Jodok Fink Platz, einfasst von Piaristengymnasium, Piaristenkirche und Piaristenkloster, und benannt nach einem christlich-sozialen Politiker.

Bei der Gemeinderatswahl 2005 erreichte die Wiener ÖVP 18,7 Prozent, ein Plus von 2,4 Prozentpunkten im Vergleich zu 2001. Sie erhielt damit als zweitstärkste Partei 18 Mandate im Gemeinderat).

Neben der Mariensäule hat die ÖVP ihr „Grätzlfest“ aufgebaut: ein paar Zelte, eine Bühne, Biertische und Autos mit Wahlwerbung. Menschen in gelben Gilets umschwirren das Ensemble, wie überhaupt die dominierende Farbe nicht etwa schwarz ist, sondern gelb. Vor der Bühne moderiert eine Dame ein Kinderquiz und wundert sich über die vielen fremden Namen, die die Kinder hier so haben. Natürlich gewinnt jedes Kind.

Das Publikum ist gemischt: ein paar Eltern, die ihre Kinder vom Kindergarten abholen, Passanten, die sich das Essen und das Bier schmecken lassen (Kaiserschmarrn, nicht Kebap); die meisten BesucherInnen sind aber deutlich im Pensionsalter. Und die wenigsten sind zufällig hier, man kennt sich. Das Wahlziel ist klar: Die Josefstadt, der kleinste Bezirk Wiens, soll wieder schwarz werden. Und wichtigster Inhalt: mehr Parkplätze und weniger Fahrradständer im Grätzel. Denn es gebe, so meint ein junger Mann, doppelt so viele Autos wie Parkplätze im Bezirk, und dafür, sagt eine ältere Dame, mehr Fahrradständer als Fahrräder.

Hier am Jodok Fink Platz wirkt die Josefstadt wie ein kleines schwarzes gallisches Dorf inmitten des roten Wien: Grätzelidentität und bürgerliches Selbstverständnis werden gern zur Schau gestellt. Der junge Mann betont, die echten Josefstädter, die hier geboren seien und auch hier sterben würden, für die sei die ÖVP das Zuhause. Der Unfall mit den Grünen vor fünf Jahren wäre hauptsächlich auf zugereiste Studenten und auf den falschen Spitzenkandidaten zurückzuführen gewesen.

Sandra Pires und zwei Gitarristen auf einer Bühne, im Hintergrund ein Fahrrad.

Rainer Springenschmid, Radio FM4

Sandra Pirés mit zwei Mitmusikern. Das Fahrrad im Hintergrund gab es später zu gewinnen. Und das, obwohl Parkplätze viel notwendiger wären...

Nach einem Auftritt von Sandra Pirés ist es dann so weit: Spitzenkandidatin Christine Marek betritt die Bühne. Inzwischen haben sich die Biertische gefüllt, zwei-, dreihundert Menschen sind da. Christine Marek referiert das schwarze Wahlprogramm: mehr Parkplätze, Deutschpflicht und eine Stadtwache für Wien.

Vienna Elections on FM4 Reality Check:

Rainer Springenschmid, Radio FM4

Über die wienweiten Kräfteverhältnisse machen sich die Anwesenden keine großen Illusionen. Die Absolute der SPÖ brechen, mehr wird wohl nicht drin sein. Im Bezirk sind die Schwarzen schon zuversichtlicher: "Ich hoffe schon sehr, dass die ÖVP den Bezirk zurückgewinnt", meint eine Besucherin, "sonst wär's arg."