Erstellt am: 30. 9. 2010 - 18:12 Uhr
Wenig Lärm um nichts?
Wien-Wahl 2010 auf FM4
Glaubt man Ernst Hinterberger, wird im 22. Wiener Gemeindebezirk die große Politik gemacht. Rudi Gneisser und Erwin Schoitl alias Rot und Schwarz spazieren gemütlich über die Grünflächen Kaisermühlens und teilen sich untereinander die Donaustadt auf. Die FPÖ kommt in diesem Märchen als böser Dritter in Gestalt eines Quasi-Haiders vor. Die Grünen werden im "Kaisermühlen Blues" nur am Rande erwähnt.
Vieles von Ernst Hinterberger ist Fiktion. Die SPÖ besitzt seit mehreren Jahren die absolute Mehrheit in der Donaustadt (2005: 57,1 Prozent) und hat den flächenstärksten Bezirk Wiens zu einem Architektenmekka gemacht. Am ehemaligen Flugfeld Aspern etwa wird heftig gebaut: In den nächsten zwanzig Jahren sollen für 20.000 Menschen neue Wohnungen und Büros bereit stehen. Mit dem DC Tower folgt 2012 der größte Wolkenkratzer Österreichs. Schon ab dem 2. Oktober 2010 rückt die Donaustadt ein Stückchen näher ans Zentrum: Die U2 wird bis nach Aspern verlängert.
wien.gv.at
Anders als bei Hinterberger ist die FPÖ in der Realität zweitstärkste und die ÖVP nur drittstärkste Partei in der Donaustadt. Einzig und allein bei einer Partei sind sich Fiktion und Realität einig: Die Grünen spielen nur eine kleine Rolle (2005 in der Donaustadt: 10,6 Prozent). Dabei befindet sich die grüne Kernwählerschaft nicht nur im Zentrum der Stadt, sondern auch in ihren Randbezirken - und das nicht nur wegen des hohen Anteils an Grünflächen. Durch den neuen Stadtteil in Aspern und die U2-Verlängerung wird die Donaustadt insbesondere für junge Familien und StudentInnen attraktiver. Bisher konnten die Grünen diese potentiellen WählerInnen aber nicht genug ansprechen.
Stell dir vor, die Grünen fahren Rad und keiner fährt mit ...
Bei der Gemeinderatswahl 2005 erreichten die Wiener Grünen 14,6 Prozent, ein Plus von 2,1 Prozentpunkten im Vergleich zu 2001. Sie ist zwar nur viertstärkste Partei geworden, aber erhielt aufgrund der Wahlarithmetik 14 Mandate (eines mehr als die FPÖ).
Gleich auf zwei Veranstaltungen am selben Tag und am selben Ort versuchen die Grünen ihren Bekanntheitsgrad im Bezirk zu steigern. Die Grünen Donaustadt initieren das "Fest für Bock" in einer kleinen Pizzeria am Kagraner Platz, während die Gesamt-Grünen eine Radsternfahrt anlässlich des "autofreien Tages" veranstalten. Ihr Startpunkt: ebenfalls der Kagraner Platz.
Um 14.30 Uhr soll es losgehen. Motorisierte Polizisten sind bereits vor Ort, die die Radfahrer bis zum Ring, der bereits gesperrt ist, begleiten sollen. Einzig allein an Radfahrern fehlt es: Gerade mal zwei Handvoll sind gekommen, die meisten selbst von den Grünen Donaustadt. Unter ihnen Bezirksobfrau Eva Hauk, eine Grüne der ersten Stunde. Sie ist seit 1984 als Gründungsmitglied dabei und Hainburg-Aktivistin. Wahlkampfzeiten ist sie gewohnt: "Der Tag hat mit E-Mails beantworten begonnen, dann bin ich hierher gesaust, so schnell ich konnte, um unsere Radfahrer und Radfahrerinnen zu unterstützen."
Grüne Donaustadt
Vienna Elections on FM4 Reality Check:
Hauks Schwerpunkte sind u.a. Stadt- und Raumplanung und Verkehr, wodurch sie zur Spezialistin für die Besonderheiten der bauwütigen Donaustadt wird. "Die Verlängerung der U2 bis nach Aspern begrüßen wir zwar, aber in den letzten Jahrzehnten wurden in der Donaustadt einige stadtplanerische Fehler begangen." Immer mehr Grünflächen müssten der Bauwut der SPÖ geopfert werden und auch der öffentliche Verkehr würde im Umkehrschluss nicht weit genug ausgebaut.
Hauk steht hinter dem Kurs der Wiener Grünen. Der beinhaltet in den Bereichen Stadtplanung und Verkehr u.a. weniger Einkaufszentren, mehr autofreie Zonen, mehr Radverkehrsanlagen, ein günstigeres Tarifmodell für die Benutzung der Wiener Linien (max. 100,- Euro pro Jahr), aber auch die Einführung einer City-Maut.
Grüne Wien
Kurz nach 14.30 Uhr bewegt sich die kleine Karawane an Radfahrern in Richtung Ring. Vielleicht wird im Zentrum mehr los sein, aber hier im Randbezirk Donaustadt war die Aktion "Radsternfahrt" nicht mehr als eine Erscheinung am Rande. Fragt man Passanten rund um den Kagraner Platz, hat kaum jemand eine Ahnung von der "Radsternfahrt", geschweige denn eine Meinung zu den Grünen. Was sich jedoch beharrlich hält, sind alte Schreckgespenster, die die Partei außerhalb ihrer Wählerschaft nicht ablegen kann. Eine junge Mutter, die sich eigentlich vom Wahlkampf der Grünen angesprochen fühlen müsste, assoziiert mit der Partei nur eines: "Sind das nicht die, die Marihuana legalisieren wollen?"
Knapp zwei Wochen vor der Wahl ist das bezeichnend für den gesamten Wahlkampf der Grünen. In der Steiermark hat es für die Partei gerade mal für ein paar minimale Prozentpünktchen mehr gereicht. Viel zu wenig, um bei den Großen mitzumischen. Und auch das "Duell um Wien" findet derzeit noch ohne die Grünen statt. Die Partei um Spitzenkandidatin Maria Vassilakou hat es bisher nur durch interne Streitigkeiten in die Schlagzeilen geschafft und ihre Basis wird weiterhin als "unberechenbar" eingestuft. Massenwirksame Namen wie Alexander Van der Bellen kandidieren zwar, aber lediglich als Bezirksvorsteher im ersten Bezirk, dem Bezirk mit den wenigsten Wahlberechtigten in Wien.
Grüne Wien
Die Wiener Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahlen 2010 finden am 10. Oktober statt. FM4 berichtet vom Wiener Wahlkampf.
Für viele haben die Grünen auch weitaus weniger Profil als früher. Die Besinnung auf "grüne" Werte wie z.B. Umweltschutz ist nicht mehr als eine laue Brise im Vergleich zu der dominierenden Themenvorgabe anderer Parteien. So ist zum Beispiel der Ausländer-Wahlkampf der FPÖ deutlich emotionaler behaftet, als die Wahlkampfthemen der Grünen.
Für Bezirksrätin Eva Hauk liegt es aber nicht an fehlender Kommunikationspolitik, dass die Themen der Grünen nicht ausreichend bei den WählerInnen ankommen. Es fehle vielmehr an Ideen und an positivem und intelligentem Aktionismus, der auf Probleme hinweist: "Das habe ich immer verlangt und dazu stehe ich."