Erstellt am: 18. 8. 2010 - 19:13 Uhr
Die FPÖ berührt jeden
"Der 'Wiener Blut' Slogan ist nicht der beste Spruch von FPÖ Generalsekretär Herbert Kickl", meint Benedikt Narodoslawsky. Mit dem Generalsekretär und anderen Parteifunktionären hat sich der Journalist im Rahmen seiner Recherchen für seine Diplomarbeit getroffen und ganz gute Einblicke in deren Vorgehen bekommen.
Benedikt Narodoslawsky ist freier Journalist, er schreibt unter anderem für Datum, hat sich für seine Diplomarbeit mit der politischen Kommunikation der FPÖ in Wahlkampfzeiten auseinandergesetzt. Die Arbeit wurde im Frühjahr auch als Buch veröffentlicht.
Benedikt Narodoslawsky
So kommt Benedikt Narodoslawsky in seinem Buch "Blausprech" zum Schluss, dass die Aufregung der Medien und der politischen Konkurrenz Teil der freiheitlichen Wahlkampfstrategie sind. Ganz bewusst würde provoziert, die kritischen Reaktionen von anderen Parteien und in Medien seien einkalkuliert und erwünscht. Schließlich ist mit dieser Aufmerksamkeit die Präsenz freiheitlicher Themen garantiert - und bietet außerdem für die Freiheitlichen dann wieder die Möglichkeit, sich als Opfer darzustellen: als missinterpretiert, absichtlich falschverstanden, von Gutmenschen oder linken Meinungsmachern.
Benedikt Narodoslowsky verfolgt die FPÖ Wahlkampfstrategien auch im aktuellen Wien-Wahlkampf und war bei FM4 Connected zu Gast.
Veronika Weidinger: Du beschreibst die Mechanismen, wie die FPÖ gezielt mit ihren Wahlkampagnen provoziert und wie sie die Kritik als Teil des eigenen Wahlkampfs einkalkuliert. Steht also die Reaktion auf Kritik auch schon im Vorfeld fest?
Benedikt Narodoslawsky: Beim "Wiener Blut" ist es so, dass die FPÖ jetzt mit Strauß und mit Falco argumentiert. Sie wandeln diesen ganz, ganz negativ konnotierten Begriff, der mit Nazi-Mief verbunden ist, um. Sie sagen einfach: Falco hat das auch schon besungen. Aber dieses „Wiener Blut“ hat viele verschiedene Bedeutungen. Rammstein zum Beispiel hat im letzten Jahr ein Lied gemacht, das so heißt. Da geht es um den Inzestfall von Amstetten. „Wiener Blut“ ist auch ein Film aus der Nazi-Zeit, von 1942, dem diese Reichsfilmkammer damals in Berlin das Prädikat "künstlerisch besonders wertvoll und kulturell wertvoll" gegeben hat. Und was Falco besungen hat, war der Klub 45, er hat damit dieses SPÖ-Netzwerk von damals kritisiert. Wenn man das jetzt hernimmt, ist das ein bisschen lächerlich, wenn die FPÖ sagt, Falco hat das besungen. Wenn man dann sagt "Mehr Mut für unser Wiener Blut", dann heißt das nichts Anderes als mehr Klub 45. Mehr SPÖ-Netzwerk. Das ist jetzt ein bisschen verquer, aber es ist ganz interessant.
Glaubst du, ist das auch bewusst? Oder würde der Herbert Kickl dazu sagen „Wir wussten das gar nicht“?
Das ist, glaube ich, nicht bewusst. Aber es zeigt, dass sie mit einem Begriff umgehen, zu dem sie gar nicht nachgeforscht haben, und der eigentlich sehr stark negativ konnotiert ist. Kurz gefasst, kann man sagen: Die FPÖ provoziert bewusst mit diesem Slogan. "Wiener Blut" erinnert viele zuerst an die Nazi-Zeit. Aber die FPÖ sagt: Das erinnert an Strauß und Falco. Sie wissen aber gar nicht, wovon sie eigentlich reden. Das ist nur diese automatische Abwehr, um dieses Argument zu entkräften und zu sagen "Nein, das ist nicht die Nazi-Zeit". Aber sie kalkulieren natürlich damit, dass das diese negative Konnotation hat. Was auch interessant ist: Es gibt diese Nazi-Seite, diese Alpen-Donau-Info, und die hat sich sehr darüber gefreut, dass die FPÖ wieder auf dieses Blut hinschwenkt.
In der Steiermark sind es die faulen Griechen. Für Datum hat Benedikt Narodoslawsky die FPÖ Kampagne in der Steiermark unter die Lupe genommen und den in rechtspopulistischen Kampagnen erfahrenen Spindoctor Alexander Segert portraitiert.
Du hast im Zuge deiner Recherchen zu „Blausprech“ auch mit vielen FPÖ-Funktionären gesprochen, die auch recht offen darüber gesprochen haben, wie es innerhalb der FPÖ zugeht, auch in Wahlkampfzeiten. Basierend auf den Infos, die du hast: Wie dürfen wir uns denn vorstellen, dass dieser Slogan oder andere markige Sprüche, oft Reime, zustande kommen?
Der Mastermind hinter dem Ganzen ist Herbert Kickl, er ist sozusagen der Hofpoet der FPÖ, der Generalsekretär. Er hat erzählt, dass der Slogan immer zum Schluss dazukommt. Es kann sein, dass der Rest schon in der Druckerei ist, und der Slogan erst dann gemacht wird, weil er eben das Wichtigste ist. Mit dem Slogan machen sie nicht nur auf den Straßen aufmerksam, sondern darüber bekommen sie wieder diese Medienresonanz. Die Medien berichten darüber. Was ist die Folge davon? Die Folge ist, dass das Thema der FPÖ transportiert wird: "Wir reden jetzt über Ausländer und wir wollen keine Ausländer", und das ist ein FPÖ-Thema. Auch wenn sich jetzt 75 Prozent der Bevölkerung sagen, das ist eine Schweinerei, wird für 25 Prozent durch die Medien klar: Naja, die wollen keine Ausländer haben. Und die wählen dann die FPÖ. Und die FPÖ schielt ja nicht auf 100 Prozent der Wählerschaft. Wenn sie 25 Prozent hat, dann wäre das eh schon eine Sensation. Dass Herbert Kickl diese Reime macht, ist bekannt. Ob schlecht darüber geredet wird, ob die kritisiert werden, ob das schlechte Sprache ist oder was auch immer, das ist ihm völlig wurscht. Wichtig ist nur, dass man sich diese Slogans merkt. Wobei dieser Slogan „Mehr Mut für unser Wiener Blut“ - das sind sechs Wörter, das ist nicht sein bester Spruch, würde ich mal sagen. Aber grundsätzlich hat Herbert Kickl das werbetechnisch voll erkannt. Wenn man zum Beispiel die ÖVP hernimmt, die wirbt jetzt mit "schönes Wien, schönes Wetter, schönes Schwimmen" oder so. Im Grunde ist das verlorene Plakatfläche. Damit erzeugt man keine Emotion, da denkt keiner darüber nach, das berührt keinen. Die FPÖ berührt jeden. Die FPÖ emotionalisiert. Die FPÖ geht auf das Bauchgefühl. Ob man es mag oder nicht, ist egal. Irgendwer mag es, und das ist dann das Spiel der FPÖ.
Die FPÖ fischt ja auch bei Menschen um Stimmen, die nicht in Wien geboren sind. Wie will man diesen Spagat zwischen Wiener Blut und Menschen, die nicht hier geboren sind, schaffen?
Herbert Kickl - das wird auch in dem Untertitel ersichtlich - sagt dazu: „Zu viel Fremdes tut niemandem gut“. Herbert Kickl sagt, es tut auch den zugewanderten Leuten nicht gut, wenn jetzt noch mehr kommen. Die gut Integrierten fürchten sich genauso vor Verdrängung usw. Das heißt, die Argumentation ist sehr subtil. Damit sind wieder alle eingeschlossen. Das heißt: Auf der einen Seite hindreschen und auf der anderen Seite wieder so ein bisschen in Schutz nehmen und sagen: Nein, wir meinen es eh nicht so, gebt uns trotzdem eure Stimme.
Angekündigt hat die FPÖ für Wien eigentlich einen Wohlfühl-Wahlkampf. Jetzt sind diese Plakate da, es ist diese erste große Aufregung im Wahlkampf für die Wien-Wahl am 10. Oktober. Wie, glaubst du, wird sich das in den nächsten Wochen weiter entwickeln? War das erst der Anfang?
Weiß ich nicht. Sie werden wahrscheinlich dieses Thema weiterspielen. Normalerweise machen sie es so, dass sie das Thema am Köcheln halten. Das Beste, was denen passieren kann, ist, wenn sich noch mehr Leute aufregen. Der Falter hat etwas sehr Kluges geschrieben: Worüber Wien schweigen sollte. Und sie haben gesagt: ja, genau über dieses Plakat. Damit könnte man der FPÖ am meisten wehtun. Was Häupl jetzt macht: Er haut drauf und befördert das Thema der FPÖ. Wahrscheinlich auch bewusst, weil er eine Duell-Situation will, die ihm auch hilft. Aber auch die Grünen hauen hin, weil es ihnen auch selber hilft. Das heißt, eigentlich profitieren drei Parteien von dem Ganzen. Ich glaube, dass sie das jetzt weiterspielen. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob noch so ein Aufreger-Plakat kommt. "Daham statt Islam" war damals eigentlich auch das brutalste Plakat und darüber ist bis in die letzten Tage der Wahl diskutiert worden. Also normalerweise haben sie um diese Zeit ihre Arbeit schon gemacht.
Leykam
Blausprech. Wie die FPÖ ihre Wähler fängt. ist 2010 bei Leykam erschienen.
Die Plakatserie mit „Wiener Blut“ ist ja nur ein Teil der FPÖ-Kampagne für die Wien-Wahl. Es gibt auch noch einen zweiten Plakatentwurf, der, glaube ich, auch schon hängt und in nicht ganz so großer Stückzahl zu sehen sein wird.
Genau. Das ist „Wo Rot regiert, wird abkassiert“. Und das ist sehr gewagt von der FPÖ. Was damals unter Schwarzblau passiert ist - jetzt nur Stichworte: Buwog, Hypo, Saddam Hussein usw., diese Millionen - ist ja gerade sehr präsent in den Medien. Dass sie sich trauen, das jetzt zu plakatieren, das ist wirklich sehr, sehr gewagt, würde ich mal sagen.
Glaubst du, ist das passiert oder bewusst?
Gute Frage. Es schaut eigentlich nach einem großen Fehler aus, meiner Meinung nach. Vielleicht auch nicht. Ich finde nur, wenn man die Medienberichterstattung mit dem Plakat zusammenzieht, wirkt das ziemlich lächerlich. Und da könnte man eigentlich als andere Partei schon reagieren und schreiben: "Wo Blau regiert, da gilt die Unschuldsvermutung" oder so ungefähr. Also das ist schon sehr frech, was die da machen.