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Irmi Wutscher

Gesellschaftspolitik und Gleichstellung. All Genders welcome.

6. 10. 2010 - 15:00

Hobt’s a Kroft?

Die SPÖ Roadshow am Wallensteinplatz mit Jazz Gitti und Wienerlied.

Egal ob Weinwandertag, Mistfest, Mädchenfußballtournier oder Bezirkstour: Bei den Wahlkampfveranstaltungen der Wiener SPÖ wird hergezeigt, wie gut nicht in Wien alles funktioniert und wie schön es hier ist.

Am 23. September hat die SPÖ Bezirkstour, "Roadshow" genannt, im 20. Bezirk Halt gemacht, nämlich am Wallensteinplatz. An diesem sonnigen Herbstnachmittag wurden eine kleine Bühne sowie drei Reihen Heurigenbänke auf dem Wallensteinplatz aufgestellt. Ein paar alteingesessene BrigittenauerInnen nehmen darauf Platz, voll sind die Bänke damit aber nicht. Die ansässigen MigrantInnen halten sich trotzdem lieber im Hintergrund, nur die Kinder trauen sich näher heran, laufen rund um die Bühne und belagern den Stand mit den Wahlgeschenken.

Wahlhelfer der SPÖ

Radio FM4 / Wutscher

Wiener Potpourri

Bei der Gemeinderatswahl 2005 erreichte die Wiener SPÖ 49,1 Prozent, ein Plus von 2,2 Prozentpunkten im Vergleich zu 2001. Mit 55 Mandaten verfügt die SPÖ damit über eine satte Mehrheit).

Die Motive herzukommen haben nicht unmittelbar mit dem Wiener Wahlkampf zu tun: Manche nennen zwar die SPÖ als Grund, mindestens genauso oft kommt aber das Argument, die Jazz Gitti sehen zu wollen oder von der Musik überhaupt angelockt worden zu sein.

Geboten wird ein Wienerlied-Potpourri und Austropop-Hits von „Die Drei“. Im Publikum entdecke ich Operettendiva Birgit Sarata, die mir später im Interview erzählt, dass sie das Musikprogramm kuratiert hat. Zwischen dem Unterhaltungsprogramm geben Stadt- und BezirksrätInnen ein so genanntes "Interview" mit Moderator Alex Krause auf der Bühne. Dabei geht es aber weniger um konkrete Vorhaben, Wahlparolen werden auch keine geliefert, vielmehr wird ein wenig aus dem bezirkspolitischen Nähkästchen geplaudert. „Wie zufrieden sind Sie mit der Neugestaltung des Platzes?“ fragt Alex Krause zum Beispiel die Bundesrätin Elisabeth Grimling und diese antwortet, dass das öffentliche Leben sich geändert habe, seit der Wallensteinplatz umgestaltet wurde.

Es gibt also Feelgood-Atmosphäre, wie etwa mit der Jazz-Gitti, die gleich zweimal den "wunderschönen Tag" besingt. Schunkeln und Publikums-Animation inklusive. "Hobts a Kroft?" ruft sie ins Publikum und liefert sich dann mit den anwesenden "Rock’n’Rollern" die Antwort in Liedform gleich selbst. Frage-Antwort-Gesänge und Handwedel-Choreografien inklusive.

Jazz Gitti bei einer SPÖ Wahlveranstaltung

Radio FM4 / Wutscher

Moschee ade

Dabei ist die Brigittenau für die SPÖ ein gar nicht so einfaches Pflaster: Zwar hält sie im traditionellen Arbeiterbezirk seit Jahren die absolute Mehrheit, hat diese aber 1996 schon einmal verloren, da die FPÖ damals stark dazugewann.

Ähnliches könnte auch bei dieser Wahl blühen: Vor zwei Jahren haben hier Demonstrationen gegen den Ausbau einer Moschee in der Dammstraße stattgefunden, bei denen sich die FPÖ öffentlichkeitswirksam engagierte. Angesprochen wird das Thema Moschee oder Integration auf der Bühne am Wallensteinplatz aber nicht, auch sonst keine klassischen Wahlkampfthemen.

Jazz Gitti erwähnt auf der Bühne, dass „der Michi ein guter Käptn“ ist. Ansonsten wird von allen auftretenden Promis darauf hingewiesen, überhaupt zur Wahl zu gehen: „Weil nicht dass sich alle denken, es ist eh schon gelaufen, und dann geht keiner hin.“ Abgesehen davon wird sich auf das angebliche „Duell um Wien“ nicht eingelassen. Auch im Publikum will man HC Strache keine große Bedeutung einräumen: „Der ist so unwichtig, der Strache, wie nur was“ meint eine SPÖ-Anhängerin. Ein selbstbetitelter "Alter Roter" meint: "Er hat gute Vorsätze der Herr Strache, aber umsetzen kann er sie nicht. Der macht immer nur Blabla!"

BesucherInnen einer SPÖ Wahlveranstaltung

Radio FM4 / Wutscher

Gentrifizierung mit "Piazza"

Vienna Elections on FM4 Reality Check:

Eine andere Entwicklung, die die SPÖ in der Brigittenau zu spüren bekommt ist die Gentrifizierung: Seit der Wallensteinplatz mit EU-Geldern in eine "Piazza" umgestaltet wurde und immer mehr Wohnblöcke saniert und ausgebaut werden, zieht schickeres und kaufkräftigeres Publikum zu - und dieses zählt nicht unbedingt zur SPÖ-KernwählerInnenschaft, sagt Gemeinderätin Tanja Wehsely. "Das ist eher die Grüne Wählerschaft", erklärt sie. Das heißt auch von dieser Seite könnten der SPÖ Prozentpunkte abgejagt werden.

Bei der Veranstaltung am Wallensteinplatz sind übrigens weder potenzielle Grün-WählerInnen, noch Michael Häupl anwesend. "Nein der Michael Häupl kommt zur Road Show nicht mit", sagt Tanja Wehsely. "Das müssen wir in den Bezirken schon selber machen, und das schaffen wir auch."