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Petra Erdmann

Im Kino und auf Filmfestivals

11. 9. 2016 - 13:11

Goldener Löwe für "The woman who left"

Auffällig viele Löwen-Kandidaten hatten heuer auf Farbe verzichtet. So auch der philippinische Ausnahme-Filmemacher und Hauptpreisträger Lav Diaz.

Die internationale Wettbewerbsjury hat Samstagabend unter dem Vorsitz des Briten Sam Mendes ("American Beauty", "James Bond 007 – Skyfall") in einer gewohnt schmucklosen, aber wie bei den Italienern üblich wortreichen Award-Show, die Preise der 73. Filmfestspiele von Venedig verliehen.

Lav Diaz

APA/AP/ANSA/Ettore Ferrari

Lav Diaz

Die Welt in Schwarz Weiß

Auffällig viele Löwen-Kandidaten hatten heuer auf Farbe verzichtet. So auch der philippinische Ausnahme-Filmemacher und Hauptpreisträger Lav Diaz in "The Women who Left" ("Ang Babaeng Humayo"). Seine politische Parabel basiert auf Leo Tolstois Kurzgeschichte "Gott sieht die Wahrheit, sagt sie aber nicht sogleich". Lav Diaz, der auch für Kamera und Schnitt verantwortlich war, erzählt die Geschichte von Horacia.

Die wackere Heldin hat 30 Jahre unschuldig im Gefängnis wegen Mordes verbracht. Nach ihrer überraschenden Entlassung geht die Hauptfigur einen steinigen Weg der Vergebung. Sie sucht die Nähe der Verantwortlichen des Verbrechens und ihre schweigsamen Komplizen. Der Gewinner des Goldenen Löwen schlägt in knapp vier Stunden und schon fast luzide eine kontrastreiche Brücke aus der literarischen Vergangenheit in die repressive Gegenwart, die sich unter dem neuen philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte drastisch ankündigt.

Frau und Mann sitzend auf einer Bank in einem Gang

Hazel Orencio

"The Women who Left" ("Ang Babaeng Humayo")

"My Head is spinning" - damit hat Lav Diaz Samstag abends seine Freude über den Hauptpreis hinter dem Rednerpult auf der Zeremonie. Die Arbeiten des 57-jährigen Regisseurs sind für ihre intensiven Längen bekannt. Diaz selbst hatte schon öfters verbreitet, dass er seine Werke nicht für Filmfestival-Formate maßschneidert. Sicher aber für den Geschmack deren Jurien und ein Publikum, das sich dem Kino bedingungslos auszuliefern sucht. Diaz' historisches Fantasy-Drama "A Lullaby to the Sorrowful Mystery" hat im Februar auf der Berlinale den Alfred-Bauer-Preis bekommen und dabei 485 Minuten in Anspruch genommen. Den Goldenen Leoparden konnte der Regisseur zwei Jahre davor mit dem 338 Minuten langem "From what is before" über die Ära der Marcos-Diktatur in den 70ern gewinnen.

Italophiler Tom Ford

Mit seiner zweiten Regiearbeit "Nocturnal Animals" hat der US-Mode- und Filmemacher Tom Ford in perfektem Italienisch den "Großen Preis der Jury" abgeholt.

Tom Ford mit Löwen

ASAC

Tom Ford

Ford hatte einen Film im Film, eine Beziehung zwischen dem gehörnten Autor und der leidenschaftlichen Leserin eines Romans inszeniert. In dem romantischen Revenge-Movie kreuzt Tom Ford die Hochglanz-Ästhetik einer sinnentleerten, zynischen L.A.-Kunstwelt rund um die Galeristen Susan (Amy Adams) mit dem stilisierten Realismus eines dreckigen Rache-Roadmovie in der texanischen Wüste.

Amy Adams

Universal

Amy Adams in "Nocturnal Animals"

Filmfestspiele in Venedig

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Und: mögliche Favoriten

Goldener Löwe für Lav Diaz
Preisträger 2016

Emma Stone bedankte sich als zweite Amerikanerin mit einer zugeschalteten Videobotschaft für den "Coppa Volpi". Diesen Preis für die beste Darstellerin hat sich Stone in Damien Chazelles schillerndem Venedig-Eröffnungsfilm, dem Musical "La La Land", verträumt ertanzt und ersungen. Die junge Deutsche Paula Beer hat den "Marcello-Mastroianni-Preis" für ihre bemerkenswerte Nachwuchs-Performance in Francois Ozons Nachkriegsdrama "Frantz" für sich verbuchen können.

Unerwartet hat die dritte Amerikanerin und damit eine von nur zwei Regisseurinnen im diesjährigen Wettbewerb das Rennen um den Spezialpreis der Jury gemacht. Ana Lily Amirpour wurde für ihren bunten Kannibalen-Western "The Bad Batch" mit ihren somnabul grausamen Ausflügen ins Exploitation-Fach prämiert. Manche Festival-Beobachter wollen in Amirpour bereits den neuen "Tarantino" erkannt haben.

Den Silbernen Löwen für die beste Regie teilte sich ex aequo der Russe Andrei Konchalovsky für sein kalkuliertes, übertheatralisches KZ-Drama "Paradise" mit dem Mexikaner Amat Escalante. Escalantes "The Untamed" ("La Región Salvaje") war immerhin mit seiner monströsen Orgasmus-Maschine in Gestalt einer XXL-Riesenkrake eine kuriose Mutation von Pinku eiga, dem japanischen Filmgenre zwischen Erotik- und Kunstfilm, und zeitgenössischem Sozialrealismus aus der mexikanischen Mittelschicht.

Hier die vollständige Liste der Gewinner der 73. Filmfestspiele von Venedig.