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Petra Erdmann

Im Kino und auf Filmfestivals

1. 9. 2016 - 13:00

Li Li Lidoland

Die 73. Filmfestspiele von Venedig mit Musical-Stars Ryan Gosling und Emma Stone sind eröffnet.

Festivalleiter Alberto Barbera hat das traditionelle Galadinner samt Strandparty vor dem Luxus-Hotel Excelsior abgesagt. Er wolle lieber den Erdbebenopfern von Amatrice gedenken, als ausufernd zu feiern. Erhöhte Polizeipräsenz und bauliche Veränderungen sollen das schnelle Durchbrechen von Fahrzeugen am Festival-Areal erschweren und gemahnen an die terroristische Amokfahrt von Nizza am 14. Juli dieses Jahres. Dass die 73. Filmfestspiele von Venedig gestern Abend mit dem US-Musical "La La Land" eröffnet haben, verspricht zumindest im Kino einen eskapistischen Ausweg aus den Krisen, die gerade die Welt bedeuten.

Ryan Gosling und Emma Stone in La La Land

La La Land / Filmfestspiele Venedig

"La La Land"

Filmfestspiele in Venedig

Li Li Lidoland Musical-Stars Ryan Gosling und Emma Stone eröffnen die Filmfestspiele.

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Der Opener "La La Land" will und ist mehr als eine knallbunte Hommage an die Hollywood-Musical-Ära der 50er Jahre und seine Stars wie Gene Kelly und Fred Astaire. Regisseur Damien Chazelle ("Whiplash") hat die Utopie vom leidenschaftlich erfolgreichen Leben ins gegenwärtige Los Angeles gerückt - also ins durchgeknallte La La Land, wie die West-Coast-Metropole auch genannt wird. Zu Filmbeginn öffnen sich die Autotüren im Stau. Dutzende anonyme Fahrer befreien sich durch großzügig inszenierte Gesangs- und Tanzeinlagen vom grauen Highway-Alltag. Auf dem harten Pflaster "Hollywoods" gibt es wenig schnellen Ruhm und schon gar keine Wertschätzung abzuholen. Da hilft nur träumen und durchaus Reminiszenzen an Jacques Demys wundersamem Musikfilm-Klassiker "Les Parapluies de Cherbourg" aus dem Jahr 1962.

"La La Land" und seine überlebensgroße Dancing Stars und Casting Shows

Im Kino darf noch weiter kompromisslos geträumt werden. Ryan Gosling will als Jazz-Pianist Sebastian einen eigenen Club in Los Angeles aufmachen - wenn er nicht gerade damit beschäftigt ist, auf Gartenpartys mit 80er-Jahre-Coverversionen wie "Take on Me" von A-ha sein Geld zu verdienen. Die angehende Schauspielerin Mia (Emma Stone) hat einen McJob. Beim Vorsprechen erfährt sie eine erniedrigende Abfuhr nach der anderen. Auf einem holprigen Karriereweg flüchtet das Liebespaar immer wieder singend und tanzend in fantasievolles Pastice überlebensgroßer Choreografien. Die echten A-Stars, Gosling und Stone, erreichen ihr Publikum mit dezenten Performances ergreifend unbombastisch. Mit beschwingter, aber auch melancholischer Romance und dem Ohrwurm "City of Stars" ist der Festivalauftakt geglückt. Auch wenn Ryan Gosling nicht zur "La La Land"-Premiere nach Venedig gereist ist, mit seiner Stimme konnte ein nostalgischer Mr. Cool auch in Abwesenheit hier Gänsehaut bescheren.



Nach so viel Verzauberung im Kinosaal, landet man am Boden der Pressekonferenz-Realität besonders hart. Emma Stone hat sich da gestern über die sinistre Mentalität vieler Opinion-Leader und Medienfabrikanten beklagt. Das moderne Musical "La La Land" wäre ein besserer und ganz unzynischer Gegenentwurf für junge Leute, wenn sie nur bedingungslos an der Erfüllung ihrer Träume arbeiten. Der Karrieretipp von Emma Stone wurde anschaulich durch ihren Sitznachbar verkörpert. Nach seinem ehrgeizigen Drummer-Drama "Whiplash" und nun dem prachtvollen "La La Land" lebt der kanadische Regisseur Damien Chazelle seinen Aufsteigertraum in die vorderste Hollywood-Liga.

Emma Stone

ASAC

Auf der Pressekonferenz in Venedig: Emma Stone

Von den 20 internationalen Produktionen im Wettbewerb um den Goldenen Löwen sind ein Viertel US-amerikanische Filme. Mit durchaus interessanten Genre-Versatzstücken wie etwa Denis Villeneuves realistisch-düsterem Alien-Movie "Arrival" oder dem Neo-Noir-Revenge-Thriller "Nocturnal Animals" von Modedesigners Tom Ford ist heuer der Star-Auftrieb am mondänen Lido besonders gesichert. Amy Adams hat in beiden oben genannten Filmen die Hauptrolle inne und wird heute Abend am Roten Teppich erwartet.

Amy Adams in Arrival

Arrival / Filmfestspiele Venedig

Adams treibt damit durchaus ihre Chancen höher, endlich ihren ersten, längst fälligen Oscar als beste Hauptdarstellerin zu bekommen. Jedenfalls weist vieles darauf hin, dass Festivaldirektor Alberto Barbera mit seiner Programmatik auch Vorbote für den Ausgang der Academy-Awards-Rennen 2017 werden könnte. Noch vor ein paar Jahren attestierten Branchenkenner dem ältesten Filmfestival der Welt seinen drohenden glamourösen und künstlerischen Abstieg. Immer mehr Premieren gibts beim A-Filmfestival in Toronto, das überlappend stattfindet. Seitdem Barbera aber mit "Gravity" (2013), "Birdman" (2014) und "Spotlight" (2015) gleich drei Oscar-Hauptgewinner der Öffentlichkeit als erster präsentieren konnte, hat Venedig nahezu freie Wahl bei den US-Studio-Bossen für jede heiß erwartete Frischfilmware.