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Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

3. 9. 2015 - 10:36

Brennende Katzen und fliegende Maultrommeln

Neue österreichische Musikvideos von Robb, Polkov, Mischkultur und Bernhard Eder.

Nur kurze Verschnaufpause. Nach den letzten neuen Videos aus Österreich hier bereits die nächsten. Und trotz der Geschwindigkeit, mit der die heimischen Musikfilmchen aus dem Boden sprießen, ist die Qualität wirklich herausragend. Von Soul über Indiepop und einer wilden Fusion aus Jazz, Hip Hop und Dance bis hin zu zarten Singer/Songwriter Klängen ist alles dabei, was das Musikherz so braucht.

Robb - "8th Grade"

"Alternative Soulmusik", so nennt der in Wien ansässige Produzent und Mann mit der goldenen Stimme das, was er mit seinem Projekt Robb auf die Beine stellt. Robert Summerfield hat vor zwei Jahren seine Band gegründet und veröffentlicht eine wunderschöne Popnummer nach der anderen. Nach dem famosen Video zu "Salute" legen Robb mit "8th Grade" den Vorboten für das Debüt-Album vor. Erneut nehmen einen das warme Timbre von Robert und die entspannte Kollage aus Soul, Pop und jazzigen Versatzstücken gefangen.

Die organischen Klänge mischt die Band mit digitalen Sounds und lässt so ein breites, erfrischenden Musikkopfkino entstehen. Der Song evoziert Bilder wie eine schöne Autofahrt durch eine weite Wüstenlandschaft, verträumte Sonntagmorgenstimmung auf dem Balkon oder auch das Betrachten funkelnder Sterne beim einsamen Mitternachtsspaziergang. Umgesetzt haben Robb die Nummer "8th Grade" mit einfachen Aufnahmen von Probe- und Studiosituationen. Aber genau das transportiert den positiven Grundvibe der Musik perfekt. Es braucht nicht viele Zutaten, damit das Endergebnis stimmig ist und unter die Haut geht. Zumindest im Fall von Robb.

Polkov - "Ho Un Gatto (Si Chiama Vendetta)"

Es war für mich eines der absoluten Highlights 2014, das Debüt der Grazer Polkov. Geschmeidiger Indiepop zwischen Singer/Songwriter Klängen, und klassischem Folk, inklusive Steel-Pedal-Gitarre und Bläsersetzen. Die recht junge Band hat sich jedoch nicht auf ihren Lorbeeren ausgeruht sondern - weniger still als heimlich - ein neues Werk aufgenommen. Die neue Single "Ho Un Gatto (Si Chiama Vendetta)" schließt an den bisherigen Sound an, wenn auch eine Spur beschwingter und vielleicht auch etwas schräger, wenn man die Schlenkerer im Gesang herauszuhören vermag.

Polkov schaffen es erneut, mit einer pfeifenden Lässigkeit auf der Klaviatur der Indiegemeinschaftsgefühle zu spielen. Der Song hat alles, was ein großartiger, eigenwilliger Popsong braucht. Einen schönen Refrain, eine erfrischende Mitpfeifsequenz, die perfekt ins Harmonieschema passt, und während des ganzen Stücks bekommt man immer wieder das Gefühl, dass der Song entweder gleich in sich Zusammenbrechen wird oder aber mit einem wilden Lärmteil explodiert. Diese Spannung macht den Song noch interessanter, wobei das dazugehörige Video - zugegeben - etwas irritiert. Man sieht ein schönes Feuerchen, wie es sich auf Fernsehern findet, die einen gemütlichen offenen Kamin simulieren sollen. Aber als immer mehr klar wird, was da so vergnüglich vor sich hin kokelt, da runtzelt man schon mal die Stirn. Auch wenn der Song "Ho Un Gatto (Si Chiama Vendetta)", also auf Deutsch "Ich habe eine Katze, die Rache" heißt, und der Schmäh des Videos kein schlechter ist, bleibt man doch mit einem kleinen Fragezeichen zurück. Vielleicht ja nicht das Schlechteste.

Mischkultur - "Fliagn"

Ganz sicher bin ich mir nicht, was Organic Fusion Music bedeuten soll. Aber wenn man sich das Album "Fliagn" anhört, dann wird einiges klar. Es stammt von der Band Mischkultur und vereint World, Jazz, Rock, Funk, Hip Hop, Dub und nicht zuletzt auch den Jodler zu einer innovativen und aberwitzigen Mischung. Der Titeltrack, der mit rasanten Maultrommelklängen beginnt, entwickelt sich mit fetzigem Tanzbeat, treibender Basslinie und Sprechgesang zu einem rasanten Groove-Monster.

Umgesetzt wird das eigenwillige Stück mit einem sehr berührenden Video. Denn die anfängliche typisch wienerische Tristesse, die das oberösterreichische Mühlviertel durch einen genialen Hauptdarsteller vermittelt, wird zusehends mit Farbe und Fröhlichkeit aufgelöst. Ohne Kitsch und mit viel Feingefühl haben Mischkultur ein vierminütiges Feelgood-Filmchen zu dem Titeltrack "Fliagn" gebastelt, das ein bisschen Spaß und Lächeln in den Alltag zaubern kann.

Bernhard Eder - "Bird Away"

Mit der Single "Turn On" aus dem letzten Album "Nonsleeper" hat der heimische Singer/Songwriter Bernhard Eder viel Popgeschick, aber auch Witz und Selbstironie bewiesen. Schauspielerische Leistung mit eingeschlossen. Schließlich ist er im Theaterbereich nicht nur im musikalischen Hintergrund unterwegs sondern auch Bühnenerprobt. Umso gespannter war ich auf das Nachfolgevideo zu dem Eröffnungsstück "Bird Away", seiner bislang besten Platte.

Die ersten, zurückhaltenden Klänge werden von unscharfen, "knisternden" Bildern begleitet. Die Detailaufnahmen ergeben langsam eine erste Szene, die mich sofort an die Schlüsselszene von Club der Toten Dichter erinnert, bei der sich der Schüler Neil Perry das Leben nimmt. Wie der Blick durch eine 8mm-Kamera verfolgen wir Bernhard Eders Vogelgestalt durch alte Gemäuer und dichten Wald. Die klassische Stummfilm-Stimmung in Verbindung mit der unheimlichen und melancholisch klingenden Nummer ist ein kurzweiliger und geheimnisvoll-schöner Musikvideotrip geworden.