Erstellt am: 27. 8. 2015 - 17:03 Uhr
Kindliche Biester und kaltes Wasser
Es gäbe viele Gründe, die Pause zu legitimieren: Der Sommer, der Urlaub, die Hitze, das Schmelzen der Tastatur, die wetterbedingte Verlangsamung jener Hirnregionen, die für kreativen Output zuständig sind.
Was es auch war, hier endlich wieder eine Sammlung an aktuellen, österreichischen Musikvideos. Und erneut ist alles vertreten, vom Indierocksong über elektronischen Dance-Pop bis hin zur akustischen Singer-/Songwriterperle.
Esteban's - "Beast"
Drei Jahre ist es her, dass ich von dem wunderschönen Album "IR - In Rebellion" geschwärmt habe, auf dem Garish-Gitarrist Christoph Jarmer alias Esteban's seinen Folk-Pop mit leisen Tönen und großem Tiefgang zelebriert hat. Jetzt steht das Nachfolgewerk "Overthrown" in den Startlöchern und präsentiert sich mit der ersten Single "Beast" als gereiftes, virtuoses und ungeschminktes Musikwerk.
Zarte rückwärts abgespielte Gitarrenfragmente schmiegen sich an organisches Akustikgitarren-Picking und herrlich eingängigen, reduzierten Gesang. Mit dem stimmungsvollen Video enthüllt das Stück immer mehr sein wahres Ich. Die Gesichter der Kinder und ihr Weg durch den dunklen, mystischen Wald in Verbindung mit den liebevollen Klängen repräsentieren das Spannungsfeld zwischen "im Herzen ewig Kind sein" und dem Erwachsenen-Ich. Die neue Vaterrolle, damit verbundene Veränderungen und der Christoph Jarmer nicht unbekannte Kampf mit den "inneren Biestern" wie dem Perfektionismus scheinen sich hier in einem großartigen Werk zu kanalisieren. Da wächst die Vorfreude auf das im Herbst erscheinende Album.
Destroyed But Not Defeated - "Wonderful Day"
Die Neunziger Jahre, das war für mich die Zeit der Bands, die mit ein paar Akkorden die Stimmung einer ganzen Generation einfangen konnten und die mir mit ihrer Indiemusik eine ganz neue Welt eröffnet haben. "Wonderful Day" von Destroyed But Not Defeated versetzt mich in diese Zeit zurück. Ganz abgesehen davon, dass Gitarrist und Sänger Lelo Brossmann mit dieser Musik aufgewachsen ist und sein Herz eindeutig für den Indierock schlägt, versetzt einen auch die Produktionsweise in die frühe Ära von Weezer & Co.: Angenehm verzerrter Gitarrensound, fettes und reduziertes Schlagzeug, herrlich schnarrende Bassgitarre und ein großer Mithüpf- und Mitsingfaktor.
Da passt es natürlich hervorragend, dass Lelo davon singt, ein ganz gewöhnlicher Typ mit einem ganz gewöhnlichen Leben zu sein, der keine Extreme durchmacht, aber müde geworden ist, von Liebeskummer und Weltschmerz zu singen. Stattdessen schaut er in die Sonne und versucht, alles zu tun, um einen wundervollen Tag nach dem anderen zu erleben. Das alles wird im Video mit entsprechenden Bildern umgesetzt: Man sieht die Band im Proberaum, im Wald, auf der vorstädtischen Wiese und im Skatepark. Das alles funktioniert wunderbar, sodass am Ende alle zwischen den Skateboardern mithüpfen.
At Pavillon - "Face It"
At Pavillon haben letztes Jahr schon mit einigen guten Indiepop-Songs überrascht. Das Wiener Quartett beweist zwischen gewohntem Indie-Songwriting eine erfrischende Eigenständigkeit. Das Timbre von Sänger Mwita Mataro hat nicht nur einen hohen Wiedererkennungswert, sondern auch etwas ganz Besonderes. Es klingt nach jugendlichem Leichtsinn und gleichzeitig nach reifer Lebenserfahrung. Eine Mischung, die At Pavillon von so manchem Sound vergleichbarer britischer Pendants abhebt.
Die aktuelle Single "Face It" besticht durch funkige, abgestoppte Gitarrenlinien, treibenden Disco-Beat und beschwingten Refrain. Im Video scheint sich zu all dem modischen Stil die Atmosphäre von alten Raumschiff Enterprise-Folgen eingeschlichen zu haben. Unsere Helden sehen sich auf einem fremden Planeten mit einer unbekannten Kultur konfrontiert. Aber mit den blumigen Hemden und dem coolen Sound kann man nur sagen: let's face it, At Pavillon sind zu Recht die, die hier die Discokugel in Händen halten.
The Bandaloop - "Cold Blue Water"
Rechtzeitig zum Sommerschluss und der sich noch einmal aufbäumenden Hitze hat das Wiener Elektropop-Duo The Bandaloop eine weitere Single von ihrem Album "Bonfire" veröffentlicht. "Cold Blue Water" ist ein kecker Achtziger Jahre-Ohrwurm geworden, der gute Laune mit ein bisschen Melancholie vereint. Die Stimme von Barca Baxant fügt sich perfekt ein in das reduzierte Popstück, das auch vom Styling her eine dreißigjährige Zeitreise unternimmt.
An nur einem Drehtag als one-take geschossen, transportiert das Video Leichtigkeit und Spaß. Auch die spontan entstandene Choreographie lässt einen nicht nur Schmunzeln, sondern vermittelt eine gewisse Unschuld und Verspieltheit. Über allem steht - wie bei The Bandaloop generell - die Freude an der kreativen Arbeit. Die beiden MusikerInnen lassen sich aber nicht von Trends oder gegenwärtigem Zeitgeist einschränken, vielmehr folgen Barca und Produzent Justin Case ihrem Herzen. Und genau das zaubert einem beim Zuhören und Zusehen ein Lächeln aufs Gesicht.