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Andreas Födinger

tourt(e) mit Bilderbuch, Beth Edges, Farewell Dear Ghost, Gerard uvm. durch die Länder, trifft dabei hochinteressante MusikerInnen

27. 2. 2015 - 14:53

Die Königin der Schüchternen

Anna F. ist eine von Österreichs bekanntesten und erfolgreichsten MusikerInnen. Sie coacht nicht nur potenzielle Jürgenses und Wursts, sondern schreibt auch selber Texte. Und wie.

Was bisher geschah:

Liebste/r Leser_in, here I am, rock you like a hurricane oder auch: the empire strikes back. Für die unbedarften Non-Friesen unter Ihnen: damit will ich sagen, dass ich wieder was zu berichten habe. Ich habe mich nämlich diesmal mit der hiesigen Pop-Bardin Anna F. getroffen, schon heute Abend wieder eine der StrippenzieherInnen beim Entscheid über die ehrwürdige Nachfolge der ehrwürdigeren Conchita Wurst. Es ging in unserem Gespräch aber mitnichten um die Frage, wessen Stimmritzen sich für's Vater- und Mutterland aufreißen sollen, sondern vielmehr um ihre eigene Kunst und ihren Zugang zum Texten. Der/die aufmerksame Leser_in hat natürlich innert den ersten Ausführungen dieses Schriftstückes erkannt, dass sie sich damit grandios in eine Reihe von Künstlern haut, die sich alle in einer kleinen Infobox nebenan finden und deren Herangehensweise nicht minder spannend zu lesen ist als die Ausführungen der Anna F.

Anna F. am Tee trinken

Andreas Födinger

Was ich an der Anna immer so außerordentlich aufregend fand, war ihr Mut zur Fragilität und der hörbare Wille, Popmusik einfühlsam und windelweich zu gestalten. Eine Matratze, gefüllt mit einer Million Rosenblättern, umhüllt von der Wolle dieser komischen Alpacas, kleine Babykatzerl drapieren das Arrangement. Sie verfügt über eine derart sanfte Stimme, dass ich mich am liebsten drin baden würde. Wochenlang.

Die Anna F. ist am Tag unseres Treffens spürbar aufgedreht, positiv geladen und durchaus redwillig. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob sie gerade von einer Aufzeichnung fürs steiermärkische ORF-Fernsehen kommt oder ob sie sich einfach wirklich freut, über die Entstehung ihrer Texte zu reden. Es dürfte vermutlich beides der Fall sein. Und was sie da zu berichten hatte, war auch überaus beredenswert. Wir treffen uns also im Nichtraucher-Bereich eines seelenlos wirkenden Cafés, ordern zwei Bottiche Kräutertee und kommunizieren fortan auf einer Ebene, dank eines mir gelungenen Tricks.

Der Trick, liebe/r Leser_in, war folgender: Nach einer kurzen Introduktion meinerseits erwähne ich beiläufig, vor kurzem begeisterungsschwanger einen Gig der Band Wanda besucht zu haben. Sie eröffnete mir, sie sei ja schon so lange glühender Wanda-Fan und trällere täglich einen Song von ihnen (Beweis bekomm ich justamente vorgelegt: "...sterben wirst du leider in Wien, aah"). Ab diesem Zeitpunkt war's klar: Wanda connected people. So auch die Anna F. und mich. Und dann palavern wir über ihre Texte.

Nicht den Mann, sondern den König im Spiegel

Den Einfall zum Song "King in the mirror" hatte sie beispielsweise nach dem Besuch einer Ausstellung des spanischen Künstlers Antonio Velàzquez: "Da schaust du dir dieses Bild an und dann kommst du in so einen inspirierten Modus". Dieser inspirierte Modus ist bei ihr immer analog zu Bewegung. "Ich schreibe im Zug am liebsten, oder im Flugzeug." Die kreative Dynamik muss also auch körperlich spürbar werden, ein strikter Zeitplan ist unvorstellbar für die 3-fache Amadeus-Award-Gewinnerin, die sich der Gefahren von Intimität und Einfühlsamkeit in ihrem geschriebenem Wort durchaus bewusst ist: "Manchmal wünschte ich mir, ich wäre eine Kunstfigur. Wenn du eine Figur erfindest, bist du praktisch nicht persönlich angreifbar. Ich hingegen bin das schon." Aber ist nicht gerade auch verletzliche Kunst erstrebenswert, wohnt nicht in jedem guten Text eine gewisse Verletzlichkeit inne? Man stelle sich vor, good ol' Lenny Cohen hätte Suzanne Verdal nie kennen gelernt, John Lennon nie über seine Eifersucht gesungen und sich stattdessen einen Panzer bauen lassen. "Schon, aber auch diese ständigen Zweifel..."


Das vertonte Gefühl eines Velàzquez: I'm the king in the mirror, queen of the shy

Limahl wusste es schon vor längerer Zeit

Im Laufe des Gesprächs wird klar, dass die Anna sehr schüchtern, zurückhaltend ist, auch hinsichtlich ihrer eigenen Ideen. Konträr zu bereits interviewten Alphatieren wie Nino Mandl oder Franz Wenzl, begrüßt und ermutigt sie Hilfe von Einflüsterern oder Weggefährten: "Wenn ich alleine was schreiben würde, würde ich drei Jahre brauchen, um mir das wen vorspielen zu trauen. Deswegen ist es ganz praktisch, mit meinem Produzenten zusammenzuarbeiten." Diese Arbeitsweise verlangt ein gerüttelt Maß Vertrauen und Mut: "Ich bin zwar dann immer mega-nervös, wenn ich mit jemand anderen schreibe, aber ich mag diesen Nervenkitzel." Also doch auch irgendwie risikofroh, die scheue Anna.

Als ich wissen will, welche Ziele sie sich als Texterin setzt, löst sie sich jeglicher kommerzieller Gedanken: "Ich mag Leute, die eine Geschichte erzählen können. Bei mir sind es bevorzugterweise Bilder oder Gefühle, die ich beschreibe. Aber so Geschichten wie die von den Färingern Teitur zum Beispiel - das bewundere ich sehr." Die Anna F. hat definitiv auch Geschichten auf Lager. Ich kann mir gut vorstellen, dass ihr künstlerischer Weg in Richtung Alanis Morrissette oder Suzanne Vega geht. Auch wenn sie sich jetzt erst mal aufs Coachen von potenziellen Song-Contest-Teilnehmer_innen konzentriert.