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Andreas Födinger

tourt(e) mit Bilderbuch, Beth Edges, Farewell Dear Ghost, Gerard uvm. durch die Länder, trifft dabei hochinteressante MusikerInnen

23. 1. 2015 - 14:01

Die Lässigkeit des Poeten

Der Nino aus Wien ist eigentlich ein extrem lässiger Poet. Ein Versuch, den schönsten Mann von Wien literarisch zu erfassen.

Was bisher geschah:

Liebste/r Leser_in und liebe Fans, nach förmlich endlos scheinenden Monaten der Enthaltsamkeit jagt uns das Schicksal den nächsten literarischen Kracher ins Gebälk: den Nino aus Wien. Hier ein Zeugnis unseres Treffens.

Der Nino aus Wien an der Bar

Andreas Födinger

Der Nino ist fürwahr ein Phänomen. Einer der letzten Gentlemen des Austropops, der sich mit seiner Lässigkeit und der offen zur Schau gestellten Romanze zum Glimmstängel auch rein charakterlich von anderen hiesigen Phänomenen wie zum Beispiel den Kollegen von Wanda abgrenzt. Ein Songschreiber und Literat, der offensichtlich einen feuchten Kehricht darüber gibt, wie ihn die Leute rezipieren. Der Nino ist seine Musik. Musik, die an manchen Tagen wie Wolfgang Ambros klingt, an anderen aber auch durchaus humorvoll und ungeniert sein Girl mit einem Gefrierschrank vergleicht. Um herauszufinden, ob auch aus dem Nino die Kälte eines Gletschersees spricht, traf ich mich mit ihm in einem fürchterlich angesagten Cafè des siebenten Wiener Gemeindebezirks. Ein Umfeld, dessen inexistenter Charme dir mit einer Steinschleuder das Genick zerschmettert und insofern eigentlich sowas von überhaupt nicht zum subtilen Charme des Ninos passt. Aber macht nix, im Zuge einer gelungenen Dekonstruktion darf der Jacques Derrida der Proleten, nämlich ich, auch mal was Neues ausprobieren und den Nino an geheime Orte führen.

Iceskating am Traunsee

Um das Eis zu brechen, spiele ich gleich meine Fußball-Karte aus. Frage ihn nach seinem Lieblingsverein, seinem Lieblingsspieler, versuche sogar tiefer zu gehen und mit ihm die taktische (De)-Entwicklung des SK Rapid Wien zu evaluieren, so richtig steigt er mir aber nicht auf den Eisbrecher ein, der Nino. Also doch ein Gefrierschrank? Ich merke schnell, dass ich mit ballesterischem Geplänkel nicht wirklich in des Pudels Kern vorstoßen kann und mache mich dann doch ohne Umschweife daran, die Arbeitsweise des Texters und Künstlers kennen zu lernen, ihn darauf aufmerksam zu machen, wie andere Künstler literarisch zu Werke gehen. Da erzählt er mir dann wirklich Spannendes.

Der Nino auf Wirthaustour gemeinsam mit Sir Tralala
21.1. Zwerndorf
22.1. Weiz
23.1. Wolfsberg
24.1. Lienz
29.1. Passau
30.1. Feldkirch
31.1. Innsbruck
1.2. Bozen

und am 17.4. kommt es im Wiener Gasometer zum Gipfeltreffen zwischen Wanda, der Nino aus Wien und Worried Man & Worried Boy

Der Schmäh der Traurigkeit

Der Nino ist ein Poet, behaupte ich jetzt. Er lebt das ganze Jahr über, ohne sich ständig Gedanken über Texte machen zu müssen und entlädt in wenigen Wochen dann, was sich über das Jahr aufgestaut hat. Wie ein Vulkan. Ein Vulkan der Poetik. Er beharre auf jedes Wort und würde Reden schwingen, wenn er von einem Bandkollegen einen Vorschlag zur möglichen Besserung erhielte. Er fährt in der Popmusik hauptsächlich auf Strophen ab, hat großen Gefallen daran, kaum ein Wort öfter als zwei mal zu transkribieren und versucht, Arbeitstechniken des ewigen Bob Dylan aufzusaugen. Die Begeisterung für Dylan sei aber eigentlich auch schon wieder vorbei.

Andreas Födinger

Der Poet Nino ist allerdings auch wahnsinnig sensibel. Er erzählt mir, dass die Geburt seines identitätsstiftenden Krachers Es geht immer ums Vollenden eine überaus schwierige war, mit der Begleiterscheinung nächtelanger Insomnia. Es markierte einen Turnaround im Leben des Texters. Weg vom Humor hin zur fragilen Ehrlichkeit, zur Eigenpoetik der Sprache. Gänzlich humorlos wurden seine Texte aber natürlich nicht. In jedem Lied gebe es mindestens einen (Insider)-Schmäh, von dem zumindest der Nino wisse und der ihn auch zum Lachen bringt - selbst in den traurigsten Liedern.

So wirkt er auch ein bisschen, der Nino. Den Schalk im Nacken, ein verschmitztes Grinsen aufgesetzt, trotzdem nachdenklich und aufgeschlossen, auch meiner bescheidenen Meinungen gegenüber. Der Schmäh der Traurigkeit, sozusagen. Unvorstellbar, dass er vor zehn Jahren viel Reggae gehört hat.

Amore und good ol' Wolle Ambros

Während wir über das Thema Amore, also tatsächlich Liebe, sinnieren, wird auch des Poetens Haltung zu Liebesliedern offensichtlich: "Wenn ich jemanden liebe, dann schreibe ich keinen Song für diese Person, sondern spiel ihr lieber Liebeslieder vor". Es gebe schon viel zu gute und vor allem viel zu viele Liebeslieder, als dass er sich auf dieses schwierige Terrain begeben wollen würde. In erster Linie ist der Poet Nino also auch Musikfan. Das Album Hoffnungslos des Austropop-Revoluzzers Wolfgang Ambros hat es ihm angetan: "Ich schätze an Ambros, dass er ein unglaublicher Sänger war. Er ist der beste Dialektsänger, den es gibt. Es klingt sehr leicht, sehr gelungen, wie er alles phrasiert. Textlich ist es ein sehr depressives Alben. Das beflügelt mich. Ich liebe depressive Alben", wie er das sagt, grinst er verschmitzt, so als würde ich mir genau diesen Satz von ihm erwarten.

Ninos Texte spielen für mich, als absolutem Ambros-Nockapazl, durchaus in einer Liga mit der so geschätzten Nummer Ans vom Wienerwoid. Sie bestehen nicht aus Thesen, vielmehr liefern sie Ideen und Meinungen, die im Konflikt zueinander stehen. Also definitiv doch kein Eiskasten. Auch Intertextualität ist dem Nino ein großes Anliegen. Seine Texte würden isoliert als solche nicht funktionieren, er druckt sie deswegen auch niemals in ein schäbiges, dem Tonträger beiligendes Pappwerk. Musik und Text entstehen Hand in Hand, also gehen sie bis ins Ohr der Hörerschaft auch Hand in Hand.

Es ist schön zu hören, wenn der Nino davon redet, dass er auf Kategorisierungen und Genres herzhaft pfeift. Auch der vielzitierte Druck eines Künstlers beim Texte schreiben, ist ihm recht schnurz. Er macht das, was er macht. Die Leuten sollen reden, wie sie es nennen oder katalogisieren. Ob's jetzt Austropop, Schottenrock oder Diskursjazz ist. Wurscht. Abtauen muss man ihn definitiv nicht, den Poeten aus der Leopoldstadt.