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Andreas Födinger

tourt(e) mit Bilderbuch, Beth Edges, Farewell Dear Ghost, Gerard uvm. durch die Länder, trifft dabei hochinteressante MusikerInnen

14. 11. 2014 - 15:02

Der Champion und seine Füllfeder

Austrofred (Champion) bzw. Franz Wenzl (Kreisky) über lockeres Textschreiben und die Krux der literarischen Verkrampfung.

Kreisky Live

  • 14.11. Wiener Neustadt / Triebwerk
  • 15.11. Freistadt / Local Bühne
  • 20.11. Dornbirn / Spielboden
  • 21.11. Wels / Alter Schlachthof/youki
  • 22.11. Graz / The Bang Bang Club
  • 25.11. Wien / Radiokulturhaus

Ich treffe mich mit dem Champion in einem legendären Café des vermutlich noch legendäreren 12. Wiener Gemeindebezirks, um seiner unheimlich anmutenden Fülle an kreativem Output auf die Schliche zu kommen. Ich will das Geheimnis des einzig wahren österreichischen Performance-Künstlers erforschen, ja aufreißen, wie das ein 3-Jähriger mit einem Überraschungsei macht.

Für mich ist Austrofred (Champion) und Franz Wenzl (Kreisky) so, als ob der verschollen geglaubte Bruder von Chuck Norris und die sexy österreichische Version von Mike Patton ein und dieselbe Person wären.

Glücklicherweise bin ich dem Champion kein fremdartiges Gesicht – wir hatten vor drei Jahren auf dem oberösterreichischen Seewiesenfest erstmals das Vergnügen, als er mich kurzerhand, nach rauschender Backstageeskapade in das Hotel seiner Band „Kreisky“ aufgenommen, und mir freundlicherweise die Badewanne als Schlafsack angeboten hat (ohne mich anzupöbeln, doch gefälligst das Hotel meiner eigenen Band aufzusuchen, welches übrigens keine 200 Meter entfernt war). Dieses einschneidende Erlebnis erzeugt naturgemäß ein uneinschneidbares Band, und so sitzt mir der Champion mitnichten als eben dieser gegenüber – sondern viel mehr als Sänger und Autor Franz Wenzl. Der Champion bleibt er aber natürlich trotzdem.

Franz Wenzel

Andreas Födinger

Von der peniblen Lockerheit

Dass die durchaus lobenswerte Eigenschaft "penibel" eine gewichtige Rolle in der Arbeit des Lyrikers und Texteschreibers einnimmt, wird auch in der anfangs versucht strikten Gewaltentrennung zwischen Kunstfigur Austrofred und Rockmusiker und Texter Franz Wenzl klar. Die Unmöglichkeit, diese Trennung jedoch auch konsequent durchzuziehen, allerdings auch. Wenn der Franz über die Arbeitsweise des Austrofred parliert, wird klar, dass hinter den lockeren und pointierten Geschichten keineswegs das bloße Drauf-los-Schreiben Vorrang hat – vielmehr achtet er penibel auf lexikale Äußerungen.

Hingefetzte Selbstbehauptung und Phantomschmerz

Inspiration holt sich der Champion aus seiner unmittelbaren Umgebung: von Figuren im Kaffeehaus oder in der U-Bahn. Und nicht, wie Sie, liebe/r LeserIn, vermutlich vermuten mögen, von Freddie Mercury's Geist himself!

"Worum es bei Kreisky geht, sind Selbstbehauptungen". Rund um diese Behauptungen spinnt er ein Netz aus Weltbildern und Meinungen, Wertevorstellungen und möglichen sprachlichen Äußerungen, die er auch gerne ungefiltert und ohne Zensur ins Mikrofon skandiert. Es bedarf definitiv einer großen Portion Humor, hochdekorierte SchauspielerInnen als "Burgwixer" zu titulieren, wie im bezeichnenden Super-Smasher "Scheiße, Schauspieler". Er müsse sich sogar zurückhalten, der Garstigkeit nicht zu sehr die Tür zu öffnen. Spontaneität und Lyrik im Moment sind Hauptmotive.


„Und während er mir jahrelang den Dow Jones erklärt sehe ich, wie du dir schon wieder dein Glas nachleerst. Dann sagst du, um Fünf sind wir sicher daheim. Um Vier, sage ich, hast du das auch schon gesagt! … Und wann
sind wir endlich daheim? Wir sind nie daheim!“

Während ich mir einen Cafè Latte nach dem anderen hineingieße, wirft sich der Franz locker in einen Monolog von der Utopie in der Rockmusik und kommt eigentlich zu dem Schluss, dass anderer Leute konkrete Texte über keinerlei Bedeutung für ihn verfügen. Angesprochen auf „Dow Jones“, den rockenden Meilenstein, der den kreisky‘schen Aktienkurs um ein Vielfaches in die Höhe getrieben hat, und auf die plakative Frage nach dem Heimkommen, ernennt Franz den Phantomschmerz der Rastlosigkeit zur treibenden Feder.

Es ist der Phantomschmerz einer Generation, die sich von früheren Generationen abgrenzen muss. Phantomschmerz, der keinen Ausweg zu lässt. Und der auch vermutlich tatsächlich nie heimkommt. Dieses vermaledeite Dilemma kommentiert der Franz aber so schmissig, dass er noch nicht mal darüber schimpfen muss, um es wirkungsvoll zu transportieren. Seine wertvollste Maxime sei, diese Themen derartig locker aus der Hüfte zu schießen, dass alle Welt glauben möge, er habe das schnellstmöglich geschrieben. Wobei das natürlich nicht der Realität entspricht, oft kämpft er bloß mit einem einzigen Wörtchen, das es auszutauschen gilt, um dem Text eine Atmosphäre der Hingefetztheit zu verleihen.

Neben dem üblichen koffeingetränkten Wahnsinn fährt mir ein wichtiger Gedanke ins Gehirn: Vergesst Chuck Norris oder Mike Patton oder Hermann Maier. Franz Wenzl ist in Wahrheit der Clint Eastwood der Lyrik. Anstatt des Colts zückt er halt den Kugelschreiber oder von mir aus auch die Füllfeder. Aber er verkörpert eine Aura der Lockerheit und lässt das Texteschreiben als eine fürchterlich simple Angelegenheit erscheinen. Wie Clint Eastwood. Der tat auch so, als sei Cowboys erschießen eine der leichtesten Übungen. Wobei wir alle wissen, dass das natürlich nicht so ist. Behaupte ich jetzt mal.