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15. 1. 2015 - 15:26

Der lange Weg zur Adoption

Ein diskriminierendes Adoptionsverbot für homosexuelle Paare wurde vom Verfassungsgerichtshof gekippt. Trotzdem bleibt die Kindesadoption ein komplizierter Prozess, über den in jedem einzelnen Fall entschieden wird.

In Österreich dürfen homosexuelle Paare bisher nur die leiblichen Kinder der Partnerin oder des Partners adoptieren, nicht aber ein fremdes Kind. So steht es im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch bzw. im Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft. Das ausdrückliche Verbot der Fremdkind-Adoption durch Lesben und Schwule hat der VfGH nun als verfassungswidrig beurteilt. Bis Ende des Jahres muss das Gesetz repariert werden, indem das Verbot der Adoption für Homosexuelle aufgehoben wird.

In vielen Medien wird derzeit etwas irreführend vom „Adoptionsrecht für Homosexuelle“ geschrieben – ganz so, als hätten lesbische und schwule Paare in Zukunft einen Rechtsanspruch auf ein Kind. Anneliese Kitzmüller von der FPÖ sieht den gestrigen Tag überhaupt als „schwarzen Tag für unsere Kinder“, und bedauert, dass „marxistischer Gleichheitswahn über Kinderrechte und unsere christlich-abendländischen Werte gesiegt" hätte. Aber: Auch in Zukunft werden Kinder nicht in Scharen an Homosexuelle zur Adoption freigegeben. Denn eine Adoption ist ein komplizierter Prozess, über den in jedem einzelnen Fall entschieden wird. Und: Gesucht werden immer Eltern für ein Kind und nicht umgekehrt.

Die Vorauswahl trifft zuerst das Amt für Jugend und Familie anhand von gesundheitlichen, wirtschaftlichen, persönlichen und sozialen Voraussetzungen. Rechtsgültigkeit erlangt eine Adoption erst nach der Überprüfung des Adoptionsvertrages durch einen Richter.

Gay Parents

CC-BY-SA-2.0 - flickr.com/nerdcoregirl

Auf dem Amt für Jugend und Familie in Wien ist unter anderem Martina Reichl-Rossbacher für Adoptionen zuständig. Hinsichtlich der persönlichen Voraussetzungen achtet sie unter anderem auf die Motivation und die Einstellung der hoffnungsfrohen Adoptiveltern: „Es ist ein schmerzlicher Prozess, wenn Menschen erfahren, dass sie selbst kein leibliches Kind austragen oder zeugen können. Es geht uns auch darum, ob die Trauer darüber von den Betroffenen schon geleistet wurde." Denn Adoption heiße immer auch, mit einem Kind zusammenzuleben, das eine andere Herkunftsfamilie und eine andere Familiengeschichte hat, so Reichl-Rossbacher. Das bringe auch Risiken mit. "Oft sind es Schwangerschaften, die nicht überwacht sind, Schwangerschaften in Lebenssituationen von Menschen, denen es sehr schlecht geht, die ganz viele Probleme haben – denn das ist ja auch mit ein Grund, warum Mütter ihre Kinder zur Adoption freigeben.“

Hinsichtlich der sozialen Voraussetzungen achtet das Amt für Jugend und Familie auf die Bereitschaft zur Kooperation und auf Ressourcen des Familiensystems der Adoptiveltern: "Wen gibt es in der Verwandtschaft? Wie offen soll die Adoption gelebt werden, wer weiß davon? Wie sieht der Freundeskreis aus, wer kann einspringen?", so Reichl-Rossbauer. All das werde in einem Prozess mit den Antragstellern langsam erarbeitet.

Neben der Überprüfung der Eignung müssen Menschen, die ein Kind adoptieren wollen, auch mehrere kostenpflichtige Seminar-Module absolvieren - Gesamtdauer etwa 50 Stunden. Ein wichtiges Thema darin sei die Aufklärung des Kindes über dessen Adoption, sagt Reichl-Rossbauer. „Wann fange ich damit an? Wie bereite ich mich am besten darauf vor? Wie mache ich das überhaupt?“ Denn oft erfolge diese Aufklärung nach einer langen Zeit, sodass die Adoption für die Eltern schon völlig in den Hintergrund gerückt ist.

Am Ende des langwierigen Prozesses steht die gerichtliche Bewilligung der Adoption. In vielen Fällen lädt der Richter die Adoptiveltern in spe vor, um ein Gespräch mit ihnen zu führen. Vor allem aber stellt er sicher, dass der Adoptionsvertrag, den das Jugendamt aufgesetzt hat, juristisch einwandfrei ist, z.B. dass die leibliche Mutter des Kindes aufgeklärt wurde und – im Fall einer offenen Adoption – weiß, wo ihr Kind hinkommt. Erst mit der richterlichen Genehmigung des Vertrages wird das Adoptivkind rechtlich einem ehelichen Kind gleichgestellt.

Im jüngsten Urteil des VfGH steht, dass grundsätzliche Bedenken, es wäre einem Kindeswohl abträglich, wenn es mit homo- statt heterosexuellen Eltern aufwächst, "von vornherein ungeeignet" seien ein Verbot zu rechtfertigen. Auch ein "Schutz der Ehe" oder der traditionellen Familie werde durch die Öffnung des Adoptionsrechts nicht angegriffen.

Genauso sieht es auch Martina Reichl-Rossbacher vom Amt für Jugend und Familie. Homosexuelle Paare hätten auch bisher schon Pflegekinder betreut, deshalb sei es für sie nichts Neues, wenn diese in Zukunft auch mit dem Wunsch zu adoptieren vorstellig würden. „Die sexuelle Orientierung ist für uns kein Entscheidungskriterium. Sie kann höchstens dann eines sein, wenn die Mütter darüber mitbestimmen. Wir hatten vor Jahren einmal eine Mutter, die sich gewünscht hat, dass ihr Kind bei zwei Frauen aufwächst.“