Erstellt am: 6. 7. 2013 - 10:43 Uhr
Wenn das Stiefkind ein Wunschkind ist
Am 19. Februar dieses Jahres stellte der EGMR (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) fest, dass Österreich gleichgeschlechtliche Paare diskriminiert, indem man ihnen per Gesetz die Möglichkeit der Stiefkindadoption vorenthält. Vorangegangen war dem Ganzen die Klage eines lesbischen österreichischen Paares.
Nach diesem Urteil von oberster Stelle musste die österreichische Regierung diese Diskriminierung beenden. Die war bis jetzt gleich in zwei Gesetzen festgeschrieben. Da das Partnerschaftsgesetz für homosexuelle Paare die Stiefkindadoption aber ausdrücklich verbietet, musste im Zuge des EGMR-Urteils neben dem Adoptionsgesetz auch das Gesetz für eingetragene Partnerschaften geändert werden. Ansonsten hätte sich die absurde Situation ergeben, dass zwar unverpartnerte gleichgeschlechtliche Paare eine Stiefkindadoption beantragen können, verpartnerte aber nicht.
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Wer profitiert davon?
Die Regenbogenfamilie gibt es nicht. Regenbogenfamilien sind so bunt wie ihr Name. Sie können aus ganz verschiedenen Konstellationen bestehen. Das reicht von der Alleinerzieherin bis zur sogenannten "queer family", in der sich ein lesbisches Paar und ein schwules Paar die Elternschaft teilen.
Von der Stiefkindadoption profitieren Patchworkfamilien, in denen sich Vater und Mutter der Kinder getrennt haben und ein Elternteil danach mit einer Person des gleichen Geschlechts zusammenlebt und mit ihr gemeinsam die Obsorge der Kinder übernehmen will. Diese Familien können nun, falls es die Situation erfordert, eine Stiefkindadoption beantragen, so wie es heterosexuellen Paaren möglich ist. Voraussetzung für die Genehmigung des Antrags ist das Einverständnis des anderen leiblichen Elternteils. Das ist die klassische Stiefkindadoption, wie man sie aus heterosexuellem Kontext kennt.
Eine zweite, ständig wachsende Gruppe von Regenbogenfamilien, für die diese Gesetzesänderung Grund zur Freude ist, sind lesbische Paare, die ihr(e) Kind(er) mit Hilfe einer Samenspende gezeugt haben. Diese Familien haben nun endlich eine Möglichkeit, den zweiten, nicht blutsverwandten Elternteil rechtlich anerkennen zu lassen. Somit haben auch Kinder in diesen Familien offiziell zwei Eltern und damit zwei Erwachsene, die vor dem Gesetz Verantwortung übernehmen, was mehr Rechtssicherheit für die betroffenen Kinder bedeutet. Damit ist z.B. gewährleistet, dass sie bei ihrem zweiten Elternteil bleiben können, falls der leiblichen Mutter etwas zustößt und dass Finanzen und Obsorge im Falle einer Trennung geregelt sind.
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Pro und Contra
In vielen Ländern dieser Erde ist Homosexualität leider immer noch lebensgefährlich. Umso erfreulicher ist es, dass immer mehr Länder große gesellschaftliche Fortschritte machen und ein Prozess zur völligen rechtlichen Gleichstellung im Gange ist.
Dabei wird vor allem das Thema "Homosexuelle und Kinder" intensiv diskutiert. Zum Beispiel in den USA rund um die Geschehnisse von DOMA (Defense of Marriage Act), in Frankreich, wo die Eheöffnung als eines der Wahlversprechen von Präsident Hollande gerade umgesetzt wurde und in Deutschland, wo die Adoption für Homosexuelle derzeit prominent Thema ist.
In den heimischen Medien sind Regenbogenfamilien seit dem Urteil des EGMR ebenfalls sehr gefragt und sowohl Gegner als auch Befürworter melden sich immer wieder zu Wort.
Gegner, die hier meist konservativ-katholischen Kreisen entstammen, beharren darauf, dass ein Kind Vater und Mutter für ein erfolgreiches Großwerden braucht. Und weil es Behauptungen immer mehr Gewicht verleiht, wenn diese mit wissenschaftlichen Studien untermauert werden, wird dabei immer wieder eine Studie von Mark Regnerus zitiert. Bei näherer Betrachtung stellt sich allerdings schnell heraus, dass die vom konservativen Witherspoon Institut in Auftrag gegebene Studie nicht dazu geeignet ist, zu beurteilen, wie es Kindern in Regenbogenfamilien geht. Die Studie gilt inzwischen als methodisch unzulänglich und inhaltlich nicht haltbar. Bestenfalls zeigt sie, dass es Kindern in intakten Familien in der Regel besser geht als Kindern in zerrütteten Familien. Zu diesem Schluss kam übrigens auch die amerikanische soziologische Gesellschaft in ihrer Begutachtung für das amerikanische Höchstgericht.
Im Gegensatz dazu gibt es mittlerweile viele seriöse Studien, die aufzeigen, dass es Kindern mit gleichgeschlechtlichen Eltern gut geht und dass sie sich in keinem Bereich schlechter entwickeln als Kinder mit heterosexuellen Eltern. Dazu gehören z.B. die Studie von Marina Rupp, die vom deutschen Justizministerium in Auftrag gegeben wurde, oder die NFFLS, eine Langzeitstudie aus den USA über Kinder mit lesbischen Eltern.
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Gleichstellung noch nicht in Sicht
Die Stiefkindadoption ist auf alle Fälle ein großer Schritt in Richtung Gleichstellung von homosexuellen Menschen. Wir sind allerdings noch lange nicht am Ende dieses Weges angelangt. Nach wie vor wehren sich sämtliche konservative Kräfte hierzulande u.a. gegen eine generelle Aufhebung des Adoptionsverbots und gegen eine Aufhebung des Verbots der medizinisch unterstützten Fortpflanzung für alleinstehende Frauen und lesbische Paare. Eine Pflegeelternschaft ist homosexuellen Paaren erst in fünf Bundesländern (erst vor kurzem gesellte sich erfreulicherweise Salzburg dazu) erlaubt.
All diese Diskriminierungen müssen mühsam mit Hilfe von Gerichten bekämpft werden. Von sich aus scheint die Politik hier keinen Fingerbreit nachgeben zu wollen, obwohl sich deutlich abzeichnet, dass eine Gleichstellung von einem immer größer werdenden Teil der Bevölkerung unterstützt wird. Eine Öffnung der klassischen Ehe für Homosexuelle ist in Österreich, trotz Vorstößen der Grünen und vereinzelten Stimmen aus der SPÖ, weit und breit nicht in Sicht.
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Doch wir Lesben und Schwule, Bi- und Transsexuelle, die wir überall auf der Welt auf die Straße gehen, die wir trotz manch heftiger Rückschläge (siehe Russland) nicht müde werden, unsere (Menschen-)Rechte einzufordern, folgen weiterhin unserem Weg, der uns - zwar in Babyschritten, aber unbeirrt - ans Ziel der völligen Gleichstellung führt. Ein Weg, der voller glücklicher Momente, aber auch Gefahren sein kann, wenn Angst vor dem Unbekanntem und Anderssein angeheizt wird von religiösem Fundamentalismus und sich so in Hass und Homophobie verwandelt wie unlängst in Frankreich.
Ein Weg, der sich immer wieder als ziemlich steinig erweist, weil öffentliche Auftritte und Äußerungen, wie die von BZÖ-Politiker Martin Stiglmeyr neulich bei einer Gegenveranstaltung zur letzten Regenbogenparade, verletzen, obwohl man sich im Laufe der Zeit eine dicke Haut zugelegt hat und einiges gewöhnt ist.
Meine eigene kleine Regenbogenfamilie freut sich aber jetzt erst einmal darüber, dass wir hoffentlich schon ganz bald auch offiziell als Familie anerkannt werden und unser Antrag zur Stiefkindadoption unseres Vierjährigen zu einem positiven Abschluss kommt.