Erstellt am: 2. 12. 2014 - 18:55 Uhr
Wir sind keine Freunde
Small Screen Stars
YoutuberInnen und ihre Fans. Ein Schwerpunkt zur österreichischen Youtuber-Szene, am 2. Dezember den ganzen Tag auf Radio FM4 und im Anschluss für 7 Tage on Demand.
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"Ich bin irgendwie ein bisschen nervös, jetzt, wo ich dieses Video mache", sagt YouTuberin Marie Meimberg als Einleitung zu einem ihrer Videos von Anfang Oktober, bevor sie mit etwas besorgter Miene schnell zum Punkt kommt: "Wir machen uns was vor. Wir halten fest an einer Idee, die schon lange nicht mehr der Realität entspricht. Wir reden davon, dass wir alle auf einer Augenhöhe sind. Dass wir so was sind wie Freunde. Dass YouTuber keine Stars sind. Dass wir alle besser und anders sind als Fernsehen. Aber das ist inzwischen nicht mehr wahr."
Dieses ernüchternde Statement trifft einen zentralen Punkt einer ehemaligen Subkultur, die vielleicht zu schnell zu erfolgreich geworden ist. So schnell, dass selbst ihre ProtagonistInnen nicht damit Schritt halten konnten. YouTuberIn sein, das bedeutete vor ein paar Jahren noch, erst einmal mit sich und seiner Webcam alleine zu sein und sich über jeden neuen Abonnenten zu freuen. Die ursprüngliche Motivation aufgrund der ersten selbst erstellten Inhalte und die mantrahaften Hinweise, die eigenen Videos doch bitte zu liken und den Kanal zu abonnieren, haben bei manchen schneller als erwartet zu einer Art Machtverschiebung geführt. Die mitunter sprunghaft angestiegenen Abozahlen haben vielfach die Rollen vertauscht: Bald haben nicht mehr die YouTuberInnen um Aufmerksamkeit gebuhlt, sondern die vielen Fans bei ihren neuen Stars, die doch gar keine sein wollen.
Anders als Fernsehen?
Alle Kommentare zu lesen und zu beantworten gehört für viele, etwa die österreichische Fashion- und Beauty-Bloggerin Anna-Laura Kummer, zu einer selbst auferlegten Verpflichtung. Man möchte mit der eigenen SeherInnenschaft verbunden bleiben, sämtliche Fragen beantworten und offen für Ideen und Ratschläge bleiben.
Dass das sehende Publikum und unter ihm die oft stark mit der jeweiligen YouTuber-Person verbundenen Fans diese offenen Ohren auch als Bestätigung empfinden, dass hier eine Art von Beziehung am Laufen ist, ist nachvollziehbar. Auch die Form der Selbstpräsentation vieler YouTuberInnen legt nahe, dass diese sich einerseits weiterhin treu bleiben möchten - im Andenken an die Zeit, als man gerade mal zwei- bis dreistellige Abozahlen hatte - und dass anderseits eine bewusste Abgrenzung zur traditionellen Inszenierung im Rundfunk stattfindet.
Das klassische, passive Sender-Empfänger-Verhältnis lehnen YouTuberinnen und YouTuber ab, und das geht über die interaktive Komponente des Kommentierens und "Likens" hinaus. Die gesamte Inszenierung atmet in jedem Moment das gerne bemühte Wort Authentizität, und das ist in diesem Fall gleichbedeutend mit: Ich bin wie du und ich habe keine Geheimnisse vor dir. Wenn ich mich verspreche, mal einen Blödsinn sage oder einen schlechten Tag habe, verstecke ich das nicht vor dir. Die mittlerweile kultivierte Outtakes-Kultur, wo selbst in den Hauptvideos - meist jeweils am Ende und Schluss - die lustigsten Versprecher bewusst reingeschnitten werden, ist zu einem wichtigen Teil des Gesamtauftrittes geworden. Die Botschaft ist klar: Wir sind für dich da und pfeifen auf Skripts und Drehbuch, doch die da vom Fernsehen dozieren von oben herab und tun nur so, als wären sie an dir interessiert.
Ich bin ein Produkt. Aber wer vermarktet mich?
Dass YouTuberInnen-Kultur längst professionalisiert ist und von sogenannten Multichannel-Networks kommodifiziert wird, lässt ihre zeitgenössische Ausformung zu einer schizophrenen Angelegenheit werden: Man hält weitgehend am alten, kumpelhaften Präsentieren fest, weil das zum Wesen des Gesamtauftrittes dazugehört. Gleichzeitig ist man selbst eine Marke, ein Produkt, das mit Werbeeinnahmen und Partnerschaften finanziert wird. Die amikale Form der YouTuberInnen-Kommunikation schneidet sich ziemlich mit der Vermarktung. Man erwartet sich ja auch keine Einnahmen, wenn man mit einer guten Freundin telefoniert oder dem besten Haberer zeigt, was man für nette Kleinigkeiten am Weihnachtsmarkt gekauft hat.
Alex Wagner hat in seiner Geschichte "Generation YT" unter anderem mit Christoph Poropatits von Mediakraft Networks gesprochen.
Marie Meimbergs besorgter Blick bei ihrem "Ich bin nicht eure Freundin!"-Video, das von der Wirkung her einer Art Outing gleichkommt, sitzt tief. Er legt die Ambivalenz offen zwischen der ehemals neuen, selbst entwickelten Weise, sich zu präsentieren und dem, was daraus entstanden ist. Es hätte eine niederschwellige Alternative zu Funk und Fernsehen sein sollen, mit flachen Hierarchien und ohne Einspruchsrechte von einer wie auch immer gearteten Chefredaktion.
Was daraus wurde, ist Fernsehen 2.0, mit neuen Konzernen wie etwa der deutschen Firma Mediakraft Networks, die laut eigener Aussage "größter Online-TV-Sender im deutschsprachigen Raum" werden möchte. Selbst die On-Demand-Revolution wurde von alten Fernsehtraditionen eingeholt: Wer seine Lieblings-YouTuberInnen regelmäßig verfolgt, wird wissen, dass es längst üblich ist, dass neue Videos an einem bestimmten Wochentag und oft sogar zu einer bestimmten Uhrzeit hochgeladen werden.
www.svensonpictures.com
So wie früher - nur besser
Sie sind nicht unsere Freunde, aber das müssen sie auch nicht sein. Einige deutsche YouTuberInnen sehen - ähnlich wie manche Social-Media-BeobachterInnen - die Rolle der Multichannel-Networks immer kritischer. Wie Krautreporter.de vor einem Monat berichtet hat, gibt es mittlerweile einen Vereinszusammenschluss namens "301+", der zurück zu den Wurzeln der YouTuberInnen-Kultur will und Vermarktung und Verdienst selbst in die Hand nehmen möchte. Denn solange man dem verlockenden Ruf nach viel Geld nicht sofort nachgibt und stattdessen überlegt, wo man mit sich und seinen Videos langfristig hinmöchte, fallen großspurige Medienkonzerne schnell aus dem eigenen Konzept raus. YouTuberInnen und YouTuber sind mit ihrer hausgemachten jungen Kultur schnell weit gekommen und haben dabei selbst viel gelernt. Es wäre zu schade, wenn man diese Freiheit und die Möglichkeiten, davon zu leben, nun vorschnell an berechenbare Konzerne auslagert.