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Alex Wagner

Zwischen Pflicht und Kür

2. 12. 2014 - 15:11

Generation YT

Small Screen Stars: Hinter dem Phänomen der YouTube-Stars stecken meist große Firmen, sogenannte Multichannel Networks, die die Reichweite der YouTube-Kanäle maximieren und die Erlöse aus der Werbung erhöhen wollen. YouTube-Money, kadsching!

"Ich wäre gerne YouTube-Star. Das Leben muss voll chillig sein. Du spielst Spiele, machst Videos und bekommst viel Geld!"

Small Screen Stars

YoutuberInnen und ihre Fans. Ein Schwerpunkt zur österreichischen Youtuber-Szene, am 2. Dezember den ganzen Tag auf Radio FM4 und im Anschluss für 7 Tage on Demand.

Große Augen schauen mich an, sie funkeln. Fast jeder Jugendliche, mit dem ich mich in den letzten Tagen unterhalten habe, schaut YouTube und kennt sie, die Stars der deutschen YouTuber-Szene. Und viele von ihnen planen, dort selbst Videos hochzuladen, in der Hoffnung, als YouTuber richtig durchzustarten und einer von ihnen zu werden.

Die Namen, mit denen bereits Mitzwanziger nichts mehr anfangen können, zaubern ihnen ein Lächeln ins Gesicht: Gronkh, Taddl, Y-Titty, ApeCrime, Freshtorge, Dagi Bee, Dner, LifeWithMelina oder Sarazar heißen sie, die deutschen YouTube-Stars, die eigentlich nicht so genannt werden wollen. Vielmehr scheinen sie ganz einfache Jugendliche oder Junggebliebene zu sein, die vor ein paar Jahren damit begonnen haben, ihr Gesicht in die Kamera zu halten und Videos zu veröffentlichen. Sie zocken Games und kommentieren dazu (Let´s Play), halten ihren Alltag in Vlogs fest, trainieren, kochen, sind witzig, geben Beauty- und Lifestyle-Tipps und sagen dir, welches Make-up-Produkt die schönsten Smokey Eyes macht. Und scheinbar kann jeder YouTube-Star werden und vom Videomachen leben, wenn er nur kreativ ist, durchhält und die richtigen Partner hat. YouTuber unterhalten Tausende und erhalten Tausender.

Brotjob YouTube

An der Spitze der YouTube-Charts ist derzeit der Schwede Felix Kjellberg alias PewDiePie. Mehr als 32 Millionen "Bros", also Fans, haben seinen Kanal abonniert, fast sieben Milliarden Mal wurden seine Videos angeklickt. Bekannt geworden ist PewDiePie durch das Indie-Horror-Game "Amnesia" und vor allem durch seine Reaktion auf Jumpscares: Er flucht, pöbelt, kreischt laut wie ein Baby und lacht dabei über sich selbst. Rund vier Millionen Dollar soll der Schwede mit seinen YouTube-Videos im Jahr verdienen.

Der meistabonnierte deutsche YouTuber ist Gronkh. Er macht vor allem Let´s Plays und schafft es gerade einmal auf 3,3 Millionen Abonnenten. Der Blog Guru Ticker hat überschlagsweise hochgerechnet, dass Gronkh bei etwa 18 Millionen Videoaufrufen im Monat 31.500 Euro verdienen müsse - ohne Product Placement und Affiliate Links.

Zwar dient die Summe nur als grober Richtwert, und die Branche schweigt für gewöhnlich, wenn es um das Einkommen der YouTuber geht - sollten die Angaben aber auch nur ansatzweise stimmen, wird man einsehen, dass aus dem Hobby YouTube längst mehr geworden ist als reiner Zeitvertreib: eine handfeste Einnahmequelle, vielleicht sogar ein neues Berufsbild. Im Blog heißt es weiter: Wenn man von YouTube leben möchte, brauche man konstant 200.000 Videoklicks und man müsse mehrmals die Woche Videos hochladen. Das zu erreichen ist allerdings alles andere als einfach. Der deutsche Comedy-YouTuber Freshtorge hat derzeit 1,2 Millionen Abonnenten und meint im Interview, er habe viel Glück gehabt. Er habe schon sehr früh damit angefangen, als auf YouTube noch nicht so viel los war. Mittlerweile probieren sehr, sehr viele, YouTuber zu werden und davon zu leben.

Im Gegensatz zu Deutschland und vor allem im Vergleich zu den USA hinkt die österreichische YouTube-Welt weit hinterher. Um die 100.000 Abonnenten haben hier die einflussreichsten YouTube-Channels. Aber seit im April 2013 der österreichische Ableger YoutTube.at gestartet ist und auch heimische YouTuber Partner der Videoplattform werden und am Werbekuchen mitnaschen können, beginnt sich die österreichische YouTuber-Szene langsam zu entwickeln.

Die Rolle der Multichannel-Netzwerke

Hinter den erfolgreichsten YouTubern stecken meistens sogenannte Multichannel-Networks. Die Firmen helfen den Videobloggern dabei, ihre Kanäle zu optimieren, die Abo- und Klickraten zu steigern, übernehmen die Pressearbeit und teilweise sogar Schnitt und Upload der Videos (Fun-Fact: Es gibt Job-Annoncen als "Youtube-Uploader"), veranstalten Seminare und Workshops, damit sich YouTuber untereinander austauschen und vernetzten können und bringen ihnen bei, wie sie ihre Videos professionalisieren. Nebenbei wollen sie natürlich auch an den YouTubern mitverdienen.

"Wir sind der perfekte Partner sowohl für Webkünstler als auch für Werbetreibende, die ihr Produkt noch näher an ihre Zielgruppe bringen möchten", ist auf der Website von Studio 71 zu lesen, neben Mediakraft Networks eines der größten deutschen Multichannel-Networks. Mediakraft selbst bezeichnet sich als "größter Online-TV-Sender im deutschsprachigen Raum", der "qualitativ hochwertige und relevante Inhalte für ein Millionenpublikum" herstellt.

"Der Vorteil eines Netzwerkes ist ganz klar, dass man sich mit anderen um einiges schneller austauschen kann, man bündelt Interessen, hat dadurch die Möglichkeit, Produktionskapazitäten zu erschaffen, sich Equipment und Personal zu teilen, also bei der Produktion zum Beispiel Kameraleute und Regisseure, aber es gibt natürlich auch die Möglichkeit der gemeinsamen Vermarktung. Wenn wir mehrere Kanäle für Werbekunden in sogenannte Bundles geben, dann wissen Werbekunden, dass sie ihre garantieren Impressions, nach denen sie immer wieder verlangen, um einiges sicherer bekommen", meint Christoph Poropatits, Executive Vice President Platforms and Operations bei Mediakraft Networks.

Die Authentizität und Nähe der YouTube-Stars zu ihren Fans ist für Werbetreibende äußerst ansprechend. YouTuber zielen auf eine sehr junge Zielgruppe zwischen zwölf und 20 Jahre ab, die über klassische Medien immer schwerer erreicht wird. Oberstes Ziel der Multichannel-Networks ist es, die Reichweite der Videoabrufe und der Abonnenten ihrer Channels zu steigern. Zum Beispiel mit Hilfe von Cross-Promotions und Zusammenarbeit verschiedener YouTube-Kanäle, aber auch durch die Optimierung der Thumbnail-Vorschaubilder und der Metadaten, also dem, was im Titel und im Beschreibungstext eines jeden YouTube-Videos stehen soll und möglichst oft gesucht und angeklickt wird.

Ein genauer Plan, zu welchem Zeitpunkt Videos hochgeladen werden, erhöht die Abrufe zusätzlich. Und obwohl sich YouTube gerne als immer verfügbare Videothek und damit dem linearen Fernsehen überlegene Plattform inszeniert, scheint es doch regelmäßige "Sendezeiten" der Uploads zu benötigen, um erfolgreich zu sein. Mehr Wachstum bedeutet auch mehr Werbeeinnahmen. Wie viel die Multichannel-Networks davon abzweigen, ist von Vertrag zu Vertrag verschieden, über die Details der Verträge herrscht in der Öffentlichkeit Stillschweigen.

Screenshot Youtube

Youtube / LeFloid

"Wir wollen schon darauf achten, dass alle davon leben können, also dass unsere Kanalpartner davon leben können, was sie auch tun, aber natürlich auch die Gehälter der Mediakraft-Mitarbeiter gezahlt werden können, die sie dabei unterstützen", meint Christoph Poropatits dazu schlicht. Mediakraft wird von YouTube-Fans im Netz häufig als Symbol für die Kommerzialisierung der deutschen YouTuber-Szene angesehen. Statt kreativer Inhalte und neuer Ideen kann das ständige Optimieren der Channels nämlich auch zu mehr Redundanz und more of the same führen. Und eine Frage bleibt: Wenn immer mehr YouTuber werden wollen und ihre Videos hochladen, wer hat dann noch Zeit, all diese anzuschauen? Derzeit werden pro Monat mehr als sechs Milliarden Stunden YouTube-Videos geschaut, pro Minute 100 Stunden an Videos hochgeladen. Christoph Poropatits glaubt aber daran, dass der Markt noch lange nicht gesättigt ist und noch immer viel Bedarf an neuem Content besteht.

Neben der klassischen YouTube-Werbung gibt es natürlich auch die Möglichkeit, mit Firmen direkt zusammenzuarbeiten. Auch hier helfen die Multichannel-Networks, YouTuber und die entsprechenden Produkte zusammenzubringen. Bei den sogenannten Hauls zum Beispiel leeren YouTuber ihre Einkaufssackerl, zeigen vor laufender Kamera, was sie gerade eingekauft haben und wie gut die Produkte sein sollen. Nicht selten handelt es sich dabei um Product-Placements, die die Verdienstmöglichkeiten eines YouTubers noch einmal aufbessern.

Die deutsche Comedy-Truppe Y-Titty - eines der Mediakraft-Zugpferde - stand vor wenigen Monaten unter Schleichwerbeverdacht. Aus Verträgen ging hervor, dass sie an Sonderwerbeformen wie Product-Placements oder integrierter Werbung pro Clip bis zu 50.000 Euro kassiert haben sollen. Christoph Poropatits betont, dass es sich hierbei um keine Schleichwerbung gehandelt habe und Videos immer gekennzeichnet werden, wenn Werbebotschaften darin enthalten sind. "Wir befinden uns allerdings in einem Markt, der nicht wirklich reguliert ist, weil das Phänomen komplett neu ist. Wir haben das nach bestem Wissen und Gewissen gemacht und arbeiten jetzt mit den Regulierungsbehörden an Lösungen."

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Wann geht Mediakraft & Co. die Kraft aus? (DWDL)

ungespielt: Warnung vor YouTube Partnernetzwerken

Ärger im YouTuber-Paradies
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YouTube setzt auch der klassischen Film- und TV-Branche immer mehr zu. Die Jüngeren sehen oft lieber ihre YouTube-Stars, als den Fernseher einzuschalten. Um von der YouTuber-Szene zu profitieren, kaufen immer mehr Medienfirmen erfolgreiche Multichannel-Networks: Maker Studios ging vor kurzem an Walt Disney, Studio 71 ist eine hundertprozentige Tochter der ProSiebenSat1 Media AG, Style Haul wurde von der RTL Group gekauft. Und so wundert es einen nicht, wenn bei immer mehr Formaten von ProSieben, wie zum Beispiel Taff und "TV Total"-Events, immer mehr YouTuber eingeladen werden, in der Hoffnung, durch diese Crosspromo ihre Channels noch weiter zu pushen.

Freiheit statt Netzwerk

In letzter Zeit gibt es eine neue Unabhängigkeitsbewegung unter den YouTubern. Immer mehr YouTuber wie zum Beispiel ungespielt warnen vor den Verträgen mit den Netzwerken. Und PewDiePie, der ungefähr so viele Videoklicks hat wie die 2.500 Channels, die bei Mediakraft unter Vertrag stehen, hat angekündigt, sein Netzwerk Maker Studios zu verlassen und sich in Zukunft selbst zu vermarkten, weil er sich allein gelassen fühlt. Auch Mediakraft muss den Abgang eines YouTube-Stars verkraften: Florian Mundt alias LeFloid bereitet News für Jugendliche mit viel Humor auf und kommt auf knapp 2,2 Millionen Abonnenten. Auch er hat angekündigt, seinen Vertrag mit Mediakraft zu kündigen, weil sie ihren Netzwerk-Gedanken verloren hätten. Im Interview mit dem "Vice"-Magazin sagt er, er habe erkannt, dass ein Netzwerk ein hart gewinnorientiertes Unternehmen sei, das auch nicht mal zwangsweise daran interessiert sei, die kleinen YouTuber zu unterstützen, sondern die Großen noch größer zu pumpen, was mediale Aufmerksamkeit betreffe, um den eigenen Netzwerkwert zu erhöhen. Er will, dass der kreative Content und die Ideen auf YouTube wieder mehr im Mittelpunkt stehen, nicht die Kommerzialisierung.