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Robert Zikmund

Wirtschaft und Politik

6. 5. 2014 - 15:53

Neulinks gegen Altrechts

Von Odessa zur Federal Reserve in drei Punkten samt Anmerkung.

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Man kann sich dem Phänomen der sogenannten "neuen Montagsdemos", die eigentlich ja "Mahnwachen" sein wollen, natürlich auch sehr elegant, wie die Heute-Show nähern. Denn wie sonst sollen Redakteure von Medien, die in Bausch und Bogen als "Mainstreammedien" verteufelt werden, mit denen reden, die eben ohne Graustufen in Schwarz und Weiß einteilen? Und mitten im Interview behaupten, von eben diesen Medien ignoriert zu werden?

Montagsdemo

FM4 / Robert Zikmund

Vor einigen Jahren habe ich mich eine Zeit lang relativ intensiv mit dem Weltbild und den Forderungen der Occupy-Bewegung beschäftigt. Ich habe mich zu der Zeit selbst, im Rahmen der Beendigung meines Studiums, an Geldtheorien samt Verschwörungskomponenten abgearbeitet, die seit Ausbruch der Krise ein Revival erleben. Und zwar in verschiedensten Schattierungen. Und bin selbst vorübergehend in die eine oder andere Denk-Falle getappt. Über weite Strecken blenden die Kernthesen all dieser Ansätze recht hell, so dass nicht wenige Anhänger und Entdecker von derlei sich im Besitz von "exklusiven Wahrheiten" wähnen. "Du verstehst das Geldsystem nicht", oder "Die Massenmedien und die Politik werden ja vom Finanzkapital gesteuert" sind da zwei der Totschlagargumente, die Diskussionen schwierig machen.

Viel von all dem, das aktuell mit dem Konflikt in der Ukraine einem neuen und konspirativ-paranoiden Höhepunkt zustrebt, geht dabei auf eine vermutete Weltordnung zurück, die ihre Macht vor allem aus einem bezieht: Geld. Oder auch der Entstehung von Geld.

Beliebte "Beweise" lauten:
"Wenn die Menschen das Geldsystem verstehen würden, gäbe es vor morgen Früh eine Revolution." (Wird Henry Ford zugerechnet)

Oder: "Ein Schuldgeldsystem mit Zinseszinsen muss immer regelmäßig crashen."

Fassen wir vielleicht die zentralen Glaubenssätze, also jene, die alle Spielarten der Radikal-Oppositionellen teilen, kurz zusammen.

Erstens:

"Das Geldsystem wird von einer Art Elite gesteuert. Es bringt allen andern, also allen Nicht-Profiteuren - die eben nicht Banken, Zentralbanken, Finanzlobbyisten oder angefütterte Politiker sind - nur Nachteile. Geld wird von Banken aus dem Nichts geschaffen. Da die Zinsen aber nicht mit-geschaffen werden, entsteht unter den Nicht-Banken ein permanenter Vernichtungs-Wettbewerb, um Kredite bedienen zu können." Oder: "Durch Zinseszinsen entsteht exponentielles Wachstum, das führt früher oder später immer zum Crash."

Eine etwas andere Lesart, eher anarcho-kapitalistisch, ist zwar nicht gegen Zinsen, sehr wohl aber gegen das Geldmonopol der Zentralbanken, die für sie alles Böse darstellen. In dieser Diktion ist etwa die amerikanische FED ein privater Verein, der quasi das Geldmonopol der Leitwährung hat, und somit ein nie endender Quell an Reichtum für ein paar wenige ist. Der ehemalige US-Präsidentschaftskandidat Ron Paul bringt das etwa mit seinem Bestseller "End the FED" auf den Punkt und bezeichnet die Vorgänge rund um die Zentralbank als größten Raubzug der Geschichte.

Zweitens:

"Die Mainstreammedien stecken, wie die politische Klasse, mit den Eliten unter einer Decke." Das passt auch insofern zu Ron Paul, als seine Jünger lange behaupteten, er werde von den großen US-Networks absichtlich im Presidential Run ignoriert. Sein Buch "End The FED" ist übrigens auf Deutsch im KOPP-Verlag erschienen. Denn schon längst haben Verlage, die früher auf Autoren wie Von Däniken setzten, die Wirtschaft und die Geldkritik entdeckt. Bücher, die behaupten, "Wahrheiten über die Wirtschaft" aufzudecken, verkaufen sich wie die warmen Semmeln. Da muss man gar nicht bis Amerika schauen. Von Andreas Popp über Bernd Senft bis Dirk Müller oder Franz Hörmann gibt es auch im deutschsprachigen Raum zahlreiche Beispiele.

Drittens:

"Diese neuen Spielarten von Kapitalismuskritik bewegen sich jenseits alter links-rechts Schemata." Dies war schon ein gängiges Merkmal der Occupy-Bewegung. Kritiker nannten das "Wer nach allen Seiten offen ist, kann nicht ganz dicht sein." Im radikalen Truther-Duktus allerdings ist der politische Diskurs, oder Kampf, eine reine Maßnahme der Mächtigen, um per "divide et impera" die Leute abzulenken. Interessant: Bei der gestrigen Montagsmahnwache vor dem Parlament erklärten Junge Linke, zwar prinzipiell mit der Forderung nach Objektivität und Friede im Ukraine-Konflikt mitgehen zu können, jedoch von den als völkisch oder gar antisemitisch empfundenen Standpunkten abgestoßen zu sein. Das größte Problem aller klassischen Linken mit dieser Spielart der (Finanz)-Kapitalismuskritik ist ihre Verkürzung und eine Art Rückzug auf beliebige Innerlichkeit.

Junge Linke bei den Montagsdemos

FM4 / Robert Zikmund

Subjektive Anmerkungen

Zu 1
Auch wenn Armin Wolf unlängst twitterte "Immer, wenn einer 'Fiat-Geld' schreibt, weiß man, jetzt folgt eine Verschwörungstheorie", ist es wohl wichtig, hier genau zu trennen. Denn es ist möglich, analytisch über unser Geldsystem zu sprechen, ohne in düstere Zwischenwelten abzugleiten. Und natürlich ist unser Geld seit der finalen Abkehr jeder Edelmetalldeckung vor allem durch das Versprechen des Souveräns, also des Staats, des Steuerzahlers oder letztendlich durch Vertrauen gedeckt. Und natürlich konnte durch die Fiat-Ausweitung (also dem Schöpfen von Zentralbankengeld ohne entsprechender Golddeckung und der Ausweitung dieser Geldmenge durch die Giralgeldschöpfung der Geschäftsbanken) auch einiges an Wohlstand geschaffen werden.

Ob dieser Wohlstand nur auf Pump basiert und damit auch zu unserer heutigen Krise beiträgt, bleibt dabei ökonomisch umstritten. Fakt ist: Auch wenn etwa die FPÖ eine Rückkehr zu einem partiellen Goldstandard fordert - unser Staatswesen wäre kaum wieder zu erkennen; es hatte gute Gründe, warum man davon in den 70er Jahren völlig abgekehrt ist. Im Prinzip bauen die meisten Theorien, die den Ausgangspunkt für alle Krisen im Geldsystem verorten auf ähnlichen Ideen wie in diesem Video auf.

Vielleicht noch eine Anmerkung zu den Zinseszinsen: Oft wird hier zur Untermauerung das Beispiel des Josephspfennigs verwendet. Also: "Hätte Josef zu Jesu Geburt einen Pfennig bei einer Normalverzinsung von ein paar Prozent angelegt, wäre dies heute hunderte Erdkugeln in reinem Gold wert." Was all diese Modelle allerdings übersehen: Auch aktuell haben wir Negativzinsen, sprich, die Vermögen verlieren sogar real an Wert. Wenn man dann noch immer wiederkehrende Phänomene wie etwa Währungsreformen einbezieht, sieht man schnell, dass das nur beim ersten Hinhören gut klingt.

Zu 2
Dazu nur eine private Anekdote: Als ich damals im Selbstversuch "zu nahe dran" war an der Occupy-Bewegung und ihren rückblickend betrachtet teilweise naiven Vorstellungen, habe ich vereinzelt auch Podiumsdiskussionen und Veranstaltungen in diesem Umfeld moderiert. Im Zuge so einer Veranstaltung erzählte ein Teilnehmer davon, "bei FM4 ein Interview gegeben" zu haben. Was andere Besucher sofort zum Schluss kommen ließ, dass "er dort doch sicher manipuliert und zensiert wurde".

Selbst als ich preisgab, persönlich dieses Interview mit ihm gemacht zu haben, war der implizite Manipulationsvorwurf nicht mehr weg zu bekommen. Es reichte schon, dass FM4 Teil des ORF ist. Soll das heißen, dass es prinzipiell keine Manipulation von Massenmedien gibt? Natürlich nicht. Aber wenn man der Meinung ist, Russia Today würde "objektiver" über den Ukraine-Konflikt berichten als ARD oder ORF, wirkt das schon einigermaßen befremdlich. Die beste Lösung ist wohl immer, ein möglichst großes und diversifiziertes Medien-Portfolio zu konsumieren.

Montagsdemo

FM4 / Robert Zikmund

Zu 3
Mal abgesehen davon, dass Herr Popp auch bei der FPÖ gern gesehen ist, abgesehen davon, dass Ken FM während einer Diskussion mit Henryk M. Broder meinte, "ich weiß, wer Auschwitz als PR erfunden hat" und auch abgesehen davon, dass in diesen Kreisen gerne Diktionen wie "Systemmedien" verwendet werden: Die Abgrenzungsprobleme vom rechten Rand waren schon bei Occupy und Co Legion - und scheinen es auch nun zu bleiben. Es dauert oft nicht allzu lange, bis man bei "den Rothschilds" oder "der Ostküste" landet, wenn man auf einer derartigen Facebookseite über die Weltwirtschaft diskutiert. Allerdings - auch gestern waren die "Normalos" zahlreicher vertreten, etwa Menschen, die mit Russen oder Russinnen verheiratet sind und denen die "westliche Berichterstattung" missfällt.

Ob es schon automatisch antisemitisch ist, sich an Zinskritik zu beteiligen oder GoldmanSachs zu verteufeln, möchte ich unbeantwortet lassen. Der klügere Weg ist es wohl, wie das gestern einige Vertreter eben der Jungen Linken machten, die Diskussion zu suchen. Denn man kann ja auch etwa Beispiele wie den Josephspfenning relativ leicht widerlegen, ohne diese Keule auspacken zu müssen. Haben auch die Nazis das Narrativ vom raffenden und vom schaffenden Kapital bemüht? Natürlich. Sind deshalb alle verdächtig, die meinen, hier auf etwas zu stoßen, das ihnen die Welt erklärt? Auch nicht.

Fazit:
Um zu sehen, dass aktuell eine seltsame Dynamik greift, die die Schere dramatisch auseinander gehen lässt, braucht man weder Pikettys neues Buch lesen noch Wirtschaft studieren - es ist wohl kein Zufall, dass gerade die Betriebe im Luxussegment einen Umsatzrekord nach dem anderen schreiben. Und auch wenn gerade in Ländern wie Österreich noch immer großflächiger Wohlstand herrscht, fällt dies den Leuten natürlich auf. Es geht nicht immer um die absoluten Zahlen, auch der relative Wohlstand bewegt die Bevölkerung. Und da sieht man auch im reichen Mitteleuropa, dass etwa gerade Deutschland oder Österreich einerseits mit die höchsten Steuerbelastungen haben und dennoch die geringsten Reallohnzuwächse seit Jahren. All die Gewinne kommen schon längst nur mehr immer weniger Menschen zu Gute, wie nicht nur Thomas Piketty schreibt. Der übrigens diese Woche am Spiegel-Cover mit diesen Worten abgehandelt wird: "Von der Unmöglichkeit mit Arbeit reich zu werden." Denn - wenn der Anreiz für eigene Leistung fällt, dann fällt unsere ganze Wirtschaftsordnung.

Insofern gäbe es genug Möglichkeiten, ökonomisches Engagement in Kanäle und von mir aus auch in Empörung zu lenken. Was jedenfalls nie schaden kann: Zweimal denken, zweimal lesen. Das gilt natürlich auch für die Montagsdemos und deren Anhänger.