Erstellt am: 6. 5. 2014 - 15:50 Uhr
Von Friedensbewegten und Populisten
Neulinks gegen Altrechts
Von Odessa zur Federal Reserve in drei Punkten samt Anmerkung (Robert Zikmund).
Seit einigen Wochen gibt es, vor allem in Deutschland, wieder Montagsdemos. Die Demos, die in Berlin und in weiteren 23 Städten in Deutschland und mittlerweile auch in Österreich stattfinden, wurden von dem Friedensaktivisten Lars Mährholz aus der Mottenkiste der bundesdeutschen Protestvergangenheit geholt.
Der Berliner Mährholz ist - zumindest am Telefon - der umgänglichste Mensch Berlins. Trotzdem spricht er nicht mehr mit Journalisten. Zumindest nicht, wenn diese seine Aussagen nicht unkommentiert wiedergeben. Die Medien würden, so der Tenor der Montagsdemonstranten, gar nicht und wenn, dann falsch über die neuen Mahnwachen für den Frieden berichten.
Montagsdemos
Die Vorläufer der aktuellen Montagsdemos liegen in der DDR. Dort wurde ab Oktober 1989 für die Demokratisierung des sozialistischen Ost-Deutschlands auf die Straße gegangen.
2004 erlebten die Montagsdemos eine Renaissance. Damals lehnten sich Bürger gegen die Hartz IV-Gesetze auf, weil sie, in den Augen der damaligen Demonstranten, den Sozialstaat endgültig abschafften.
Standen die Montagsdemos, die in Deutschland schon eine längere Tradition haben, früher für den Frieden zwischen Nationen und sozialen Gruppen, so geht es heute eher um Abgrenzung.
Die neuen Montagsdemos stehen im Verdacht, sich dem rechten, zumindest aber dem populistischen Sektor hin zu öffnen. Und Mährholz gibt auch zu verstehen, dass die Bewegung niemanden ausschließen möchte, außer die extremen Gesinnungen, die will er nicht auf seinen Mahnwachen (laut TAZ waren am Ostermontag Mitglieder der NPD auf der Montagsdemo, die Piraten aber ebenfalls). Lars Mährholz sagt mir das am Telefon. Zitieren soll ich ihn nicht. Er bittet mich deshalb, das Gespräch nicht aufzuzeichnen. Muss ich auch nicht, denn seine Message verbreitet er selbst, via YouTube. In der Videobotschaft sagt er: "Das Motto ist der Aufruf zum friedlichen Widerstand. Für Frieden auf der Welt und in Europa. Für eine ehrliche Presse und gegen die tödliche Politik der Federal Reserve, der amerikanischen Notenbank, einer privaten Bank." (zu Mährholz' Meinung zur amerikanischen Federal Reserve Bank weiter unten mehr).
Zum Frieden mahnen?
Für Lars Mährholz war der politische Erweckungsmoment der Beginn der Ukraine-Krise. Bis heute ist die anhaltende Krise in der Ukraine, sowie die "einseitige und tendenziöse Berichterstattung" darüber eine Triebfeder der Montagsdemos.
Vielen Friedensbewegten geht es ganz offensichtlich darum, nicht wieder in die Zeiten des Kalten Krieges zurückgeworfen zu werden. Die Rhetorik einiger Medienschaffender, mit Sprachbildern wie Flächenbrand, Krisenherd etc, macht deshalb auch den Journalismus zu einem der Angeklagten der Montagsdemos. Dass die Berichterstattung aus der Ukraine teils inakzeptabel war, kritisiert auch die ehemalige ARD-Korrespondentin in Moskau, Gabriele Krone-Schmalz. Aus der durchaus zu kritisierenden Ukraine-Berichterstattung großer deutscher Medienhäuser formuliert Lars Mährholz ein "aktives Arbeiten gegen den Frieden".
Wer ist das Anonymous.Kollektiv?
Ein Fragezeichen im Zusammenhang mit den Montagsdemos ist die Facebookgruppe Anonymous.Kollektiv. Sie teilt einen sehr kontroversen Aufruf im Stil der globalen Hackergruppe Anonymous.
Dieser angebliche deutsche Ableger von Anonymous ist maskulinistisch, anti-feministisch und nationalistisch, so heißt es im Aufruf: Die Zeit ist gekommen, dass sich das deutsche Volk erheben muss.
Vice Germany hat recherchiert, dass der Betreiber der Facebook-Seite Anonymous.Kollektiv einer der größten Like-Dealer Deutschlands ist. Auch wenn viele Likes gekauft sein mögen: Ich habe einige meiner Freunde unter den gut 400.000 Likes gefunden.
Seit der Ukraine-Krise ist Anonymous.Kollektiv voller pro-russischer Propaganda, sowie verschiedenen verschwörungstheoretischen Thesen. Populismus ick hör dir trapsen. Anonymous.Kollektiv ist auch Durchlauferhitzer für die Mahnwachen in Deutschland.
Die originalen Anonymous haben sich von den Mahnwachen und der Seite Anonymous.Kollektiv distanziert, mit einer Botschaft über Youtube, auch andere, vor allem linke Gruppen grenzen sich ab. Das Anonymous.Kollektiv ist übrigens auch für die Spam-Attacken auf die Facebookseiten der großen deutschsprachigen Medienhäuser verantwortlich.
In Österreich alles anders?
Auch in Österreich geht die Angst vor einem neuen Krieg um. Auf Facebook haben einige hundert Menschen ihre Teilnahme für die Montagsdemos am 5. Mai angekündigt. In Wien und Salzburg, sowie anderen Städten wollen Menschen für Frieden auf die Straßen gehen. In Wien organisiert Felix Abegg die Montagsdemos. Auf meine Frage, ob er sich von Lars Mährholz distanziere, verneint er. Er hat unsere Facebook-Konversation hier veröffentlicht.
FED
Mit der FED ist die Federal Reserve Bank gemeint, um die Notenbank der USA, die in verschiedenen Verschwörungstheorien für alles mögliche verantwortlich gemacht wird.
Zur Gretchenfrage: "Wie stehst Du zur FED (Zentralbank der USA)" äußert er sich vorsichtiger als Mährholz. Die FED trage an Konflikten zumindest eine Teilschuld. Der Währungsfond habe die Ukraine gezwungen, Frieden in allen Landesteilen herzustellen, damit die Kredite weiter an das Land ausgezahlt werden können. Damit trage das Finanzsystem auch Schuld an der Eskalation. Aber die Zentralbank abzuschaffen führe nicht automatisch zum Frieden, so Abegg.
Sammy Khamis
Jürgen Elsässer ist Herausgeber Monats-Magazins Compact. Nur zu Einordnung: Elsässer ist von der Linken abgefallen und publiziert heute Thesen Thilo Sarazzins. Für Elsässer sind Einordnungen wie links oder rechts überholt
Gretchenfrage deshalb, weil die prominenten Unterstützter der Montagsdemos in Deutschland mit ihrer Kritik am Bankensystem an einem alten antisemitischen Stereotyp kratzen: Der Personalisierung des Kapitalismus. Jürgen Elsässer meint dazu: Das Verbrechen hat Name und Anschrift. Um einige Namen zu nennen: Rockefeller, Rothschild, Soros, Chodorkowski, das englische Königshaus, das saudische Königshaus.
Für Jürgen Elsässer ist der Kapitalismus vor allem das Werk von finsteren Mächten. Kritiker wie Jörg Wellbrock vom Spiegelfechter, werfen ihm deswegen vor, antisemitische Stereotype zu befeuern: Das des jüdischen Bankers, das der Ostküste. Jörg Wellbrock ist ein Kenner der sogenannten neuen rechten Szene. Einen kritischen Artikel über die neuen Montagsdemos musste er vom Netz nehmen, weil ihm die Veranstalter der Montagsdemos mit rechtlichen Schritten gedroht hatten.
Zur Frage, ob die Demos rechts oder links sind: Ich habe mir über den Jürgen Elsässer vor einiger Zeit etwas notiert. Elsässer betreibt ja das Compact-Magazin, das will ich gar nicht bewerten, aber das ist auch bekannt dafür, dass es durchaus eine ganz Menge Verschwörungs- und rechtslastige Tendenzen enthält. Jedenfalls hat Jürgen Elsässer am 19. Februar 2013 geschrieben: "Hilfe, die Roma kommen. Die wilde Einwanderungsflut bedroht deutsche Städte. Ganze Dörfer kommen mit Sack und Pack und lassen sich in Elendsquartieren im Ruhrpott in Mann und in anderen Städten nieder. Sprachkenntnisse gleich null." Wenn man das jetzt als nicht rechts oder nicht links bezeichnen will, dann ist das meiner Meinung nach schon sehr naiv. Das ist - zumindest wie ich das verstehe - schon hochgradig rechts, was der Mann da geschrieben hat.
Man kann über Jürgen Elsässer nun Zitate finden wie man will. Aussagen, die ihm positiv ausgelegt werden können, wie auch jene, die ihn in ein negatives Licht rücken. Bei den Menschen auf den Berliner Montagsdemos scheint er aber gut anzukommen, auch weil seine Rhetorik des Friedens zweierlei macht: Sie verschmäht "Die Medien" (hatten wir oben schon) und mit der Kritik an der Ukraine-Berichterstattung nehmen sie ihren Gegnern des linken Spektrums Wind aus den Segeln, wie Jörg Wellbrock meint: In dem Moment, wo man die rechten Kräfte z.B. in der Ukraine kritisiert und dann natürlich auch die deutsche Regierung gleich mit - die ist ja auch durchaus kritikwürdig, daran gibt es ja keinen Zweifel - aber in dem Moment kann man natürlich leicht von sich behaupten: Wir kritisieren den Faschismus, bzw. die faschistischen Tendenzen in der neuen ukrainischen Regierung, also können wir ja gar nicht rechts sein.
Rechts oder links oder quer?
Die Nähe zu Verschwörungstheoretikern und Populisten macht die neuen Montagsdemos für Blogger Misha Anouk offen nach rechts. In einem Text hat er zehn Gründe dafür ausgeführt.
In den Kommentaren der Wiener Montagsdemonstranten ist noch kaum Potential, dass die Mahnwachen ähnlich wie in Deutschland konnotiert werden. Es gäbe die Chance, den Demos ein neues Gesicht zu geben. Für Deutschland ist Jörg Wellbrock pessimistischer:
Wenn man also im Grunde genommen alles Böse der Welt auf die FED und möglicherweise auf Israel reduziert, dann gibt es keine Chance, aus dieser rechten Ecke wegzukommen und auch keine Chance in irgendeiner Form tatsächlich über den Frieden zu sprechen.