Erstellt am: 29. 7. 2013 - 11:45 Uhr
In The End
Popfest Wien
Popfest
Vom 25. bis 28. Juli am Karlsplatz
- Zerreißprobe Popfest: Alle Bands zu sehen ist unmöglich. Der erste Tag am Wiener Popfest.
- Rambazamba auf allen Bühnen: Der zweite Tag am Wiener Popfest sprengt Konventionen und Lautstärke-Grenzen.
- Icecubes in our pants: Fast unerträgliche Hitze, schweißtreibende Outfits, großartige Acts: der dritte Tag am Popfest.
- In The End: Der vierte und letzte Tag im Rückblick.
- Popfest for everyone!: Jede Menge Konzerte zum Nachhören.
Alle Informationen unter fm4.orf.at/popfest und fm4.orf.at/festivalradio
Kaputt, fertig, aber glücklich. So beschreiben sich die Menschen, die alle vier Tage durchgehalten haben, von einer Band zur nächsten gehetzt sind, von einer kühlenden Wasserleitung zur anderen. Muskelkater in der Fächer-Hand sind weit verbreitet, genauso wie ein Mangel an Schlaf. Popfest Wien, we love you, but you're bringing us down.
We go surfing
Mit Turban, Bikini, Hawaii-Hemd und barfüßig steht die erste und vermutlich immer noch einzige Surfband Wiens - Beach Girls And The Monster - auf der Bühne der Kunsthalle am Karlsplatz. Der Raum ist klimatisiert, ein Traum. Endlich kann man sich ungeniert bewegen und das muss bei den 60s-Surf-Sounds von B.G.A.T.M. auch einfach sein.
Christian Pausch
"I can't surf", heißt ironischerweise ein neuer Song, den sie uns mitgebracht haben und dem gut gefüllten Raum taugts. Diese Musiker_innen nehmen ihr Konzept und die dazugehörige Musik zwar ernst, können aber auch über sich selbst lachen und das Publikum freut sich über so viel sympathische Ehrlichkeit. Als sie dann auch noch "Kokomo" von den Beach Boys covern, wackeln alle im Gleichklang dahin. Nach der Ankündigung des letzten Liedes ruft ein begeisterter Fan aus vollem Herzen "Neeeeiiiinnn!" und alle geben ihm Recht: dieses Konzert hätte ewig weitergehen sollen.
Im Wien Museum
Auch hier: eine Klimaanlage, der letzte Tag am Popfest macht es einem leicht, sich voll und ganz auf die Musik zu konzentrieren. Tosender Applaus kommt mir entgegen als ich den Raum betrete. Dawa beenden gerade ihr Set und die Anwesenden scheinen komplett hingerissen von den vier Vollblut-Musiker_innen. Lautstark wird eine Zugabe gefordert und wieder bricht Jubel aus, als die Band nochmal die Bühne betritt.
Dawa treffen mit ihrer Mischung aus allen Genres rund um Folk-Pop ins Herz vieler Menschen. Auch ich, obwohl ich nur noch die Zugabe erhasche, bin berührt von ihrem Sound. Schön zu sehen, wie euphorisiert die Band nach dem Gig noch immer ist. Bei so viel Applaus aber verständlich.
Ash My Love
Das Duo aus Wien, bestehend aus Ursula Winterauer und Andreas Dauböck, versetzt mich in eine Parallelwelt. Ich stelle mir vor, Truckfahrer zu sein und wie ich durch eine karge amerikanische Wüste brettere, während im Radio Ash My Love läuft. Das hört sich einsam an, wird aber durch den dramatischen Rock dieser Band zu einer seltsam-romantischen Vorstellung.
In ihren Songs geht es um die Vergänglichkeit, ja des Lebens, aber auch der Liebe. "I got a letter this morning", singen die beiden und man ahnt schon, wie viel Unheil der Postler da wohl gebracht hat. Die ruhigen Songs und die lauten, treibenden - sie alle funktionieren und stehen der Band hervorragend. Beim nächsten Roadtrip muss die "Heart EP" von Ash My Love dabei sein, so viel ist sicher!
Ritornell feat. Mimu
Die letzten beiden Acts des Popfests bespielen die Karlskirche, das alles überblickende Gebäude mitten am Festivalgelände. Den Anfang machen Ritornell feat. Mimu, die wir vor Jahren schon zu einer Studio2 Session geladen haben und bereits damals wussten sie das kleine feine Studio für ihren Sound zu nutzen.
Heute steht ihnen dieser sicher mehr als zehn mal größere Raum zur Verfügung und so kommt die Klangkunst der drei Musiker_innen zur vollen Entfaltung. In der Mitte des Raumes und auch im Altarbereich hängen weiße halbierte Schüsseln, deren Funktion ich nicht ausmachen kann, ich sehe Triangeln im Gang der Kirche, Mimu kommt Akkordeon spielend vom Eingang zum Altar gelaufen und sogar ein Schneebesen kommt zum Einsatz. Anfangs wirkt alles etwas zu verkopft, aber gegen Ende macht plötzlich alles einen Sinn. Schön!
O
Theresa Rotschopf alias O betritt mit Melone (Hut, nicht Obst) am Kopf und in gebatiktem Nachthemd-Kleid die Bühne. Mitgebracht hat sie einen eigenen Chor, Gerald Votava an der Slide-Guitar, vier Pauken und und und. Hier wird nicht gespart, weder an Equipment, noch an Pathos im besten Sinne. Wir befinden uns immerhin in einem Sakralbau, pathetisch sein ist da ja fast obligatorisch.
Düster ist die Musik von O und es jagt mir einen Schauder über den Rücken, als das Licht gleichzeitig mit einem Schlag auf die Pauken aufblitzt und die Heiligendarstellungen über dem Altar der Karlskirche noch bedrohlicher wirken. Der Chor trägt dazu natürlich ebenfalls bei und erinnert mich in den Sound-gewaltigsten Minuten an "Koyaanisqatsi" von Philipp Glass. Ein dramatischer Abschluss dieses Konzert.
Was bleibt?
Vier Tage Festival, vier Tage das Beste, was die heimische Musikszene zu bieten hat. Ich habe es genossen, diese Vielfalt so geballt erleben zu können. Österreichischer Hip-Hop, Pop, Rock, Techno, Ambient, alles existiert in unserem kleinen Land und das kann sich sehen und vor allem hören lassen, das hat das Popfest wiedermal eindrucksvoll bewiesen.
In den letzten vier Tagen habe ich viele der hier aufgetretenen Künstler_innen getroffen und wieder einmal erfahren und gespürt, wie viel Zeit und Kraft in all diese ambitionierten und engagierten Projekte fließen. Unentgeltlich, meistens. Nur ein winzig-kleiner Bruchteil der über 45 Acts am Wiener Popfest kann von seiner Kunst auch leben, sich ein Leben zumindest teilweise finanzieren. Es ist also umso mehr zu würdigen, dass sie alle weitermachen und nicht den Hut draufwerfen. Wie fad und leer wäre unsere Welt, diese Stadt Wien, ohne all diese Menschen und ihren Glauben an die Kunst. Ich würde hier nicht leben wollen.
Popfest 2013, it's been a blast, bis nächstes Jahr!