Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Rambazamba auf allen Bühnen"

Christian Pausch

Irrsinn, Island, Ingwer.

27. 7. 2013 - 12:22

Rambazamba auf allen Bühnen

Der zweite Tag am Wiener Popfest sprengt Konventionen und Lautstärke-Grenzen. So soll es sein!

Popfest Wien

Popfest

Popfest

Vom 25. bis 28. Juli am Karlsplatz

Alle Informationen unter fm4.orf.at/popfest und fm4.orf.at/festivalradio

Der Nachmittag am Karlsplatz beginnt für mich mit Giantree auf der Seebühne. Die fünfköpfige Band beeindruckt vor allem dann, wenn ihr Sound in den Shoegaze abrutscht und sich Anleihen bei The Cure oder The Smiths raushören lassen. Andere Songs scheinen aus einem ganz anderen musikalischen Hintergrund entsprungen zu sein und manchmal wirkt es, als wäre es eine ganz andere Band, die da zwischendurch performt.

Giantree sind unterwegs, auf der Suche nach ihrem eigenen Sound und präsentieren am Karlsplatz die vielfältigen Souvenire, die sie am Weg erstanden haben. Vielleicht ist aber auch der Weg das Ziel, denn es bereitet große Freude der Band bei dieser Suche zuzusehen. "Tell me that I'm not wasting my time", singen sie im Hit "Time Loops" und das kann man eindeutig sagen: Dieses Konzert war das Gegenteil von einem waste of time.

Catastrophe & Cure

Viel ist hier auf diesen Seiten über die FM4 Amadeus Gewinner Catastrophe & Cure bereits gesagt worden und ja, wir haben sie auch tatsächlich besonders ins Herz geschlossen. Wie sollte man auch anders? Im Backstage fürchtet sich Sänger Johannes noch vor der brütenden Hitze auf der Bühne, die beim Soundcheck um 13 Uhr (also fast noch High Noon) ihren Eindruck hinterlassen hat.

Doch wie bestellt geht bei ihrem Set die Sonne langsam unter und hin und wieder zieht sogar eine kühle Brise über den weiten Platz. Open Air und C&C - a match made in heaven. Wer jetzt noch niemanden zum Schmusen hat, schließt die Augen und verschwindet in den wunderschönen Songwelten der Steyrer Band. Heute Samstag spielen sie am Acoustic Lakeside, da wirds dann vermutlich noch kuschliger.

Video vom zweiten Tag am Popfest

Kamera: Daniel Grabner, Eva Brunner
Schnitt: Eva Brunner

A.G. Trio

Der Genrebruch auf der Seebühne könnte nicht größer sein. Von den träumerischen Melodien von Catastrophe & Cure bleibt nicht viel über, als A.G. Trio die Bühne betreten und die Lautstärkeregler bis zum Anschlag drehen. Das Publikum spaltet sich. Die einen sehen ein, dass auch so ein Elektro-Party-Spektakel mehr als Open Air-tauglich ist, die anderen haben sich mehr erwartet.

"Ballermann", "Scooter" und ähnliches sind Worte, die ich im Vorbeigehen aufschnappe und ja, das sind gerechtfertigte Assoziationen. A.G. Trio selbst sind sich dessen aber wohl bewusst und machen keinen Hehl daraus, dass sie nicht die Welt ändern oder retten, sondern zum Tanzen bringen wollen. Und das gelingt, wie man am Karlsplatz sehen kann. "Hands up!" wird befohlen, die Menge tuts und johlt.

Der TU Prechtlsaal gehört heute dem heimischen Hip Hop, mit MTS, Monobrother, Gerard und Brenk Sinatra. Mein Weg führt aber auf die andere Seite des Areals ins brut.

T-Shit is the shit!

Kollegin Seidler und ich streiten uns schon während des T-Shit-Konzerts wer diese grandiose Headline verwenden darf. Es ist wahr: T-Shit sind die Überraschung des Abends! Einen Kontrabassist und einen Schlagzeuger kann ich aus der letzten Reihe des bis zum Bersten gefüllten bruts gerade noch ausmachen. Aus dem Nirgendwo springt dann noch Bernhard Hammer (Elektro Guzzi) Gitarre spielend auf die Bühne und komplettiert das Trio.

Mehr Leute brauchen T-Shit auch nicht um ihre Wall of Sound aufzubauen. Warum fährt dieses Konzept Elektro-Tanzmusik mit echten Instrumenten zu machen so ein? Vielleicht ist es die Mischung aus Staunen und Shaken, da tut sich was auf der Bühne und dennoch ist es wie in einem Club. Das Publikum liebt es und die Begeisterung ist im ganzen Raum zu spüren.

Kurzes Luftschnappen ist angesagt, und schon geht es weiter mit The Scarabeus Dream, die ich endlich einmal live erleben kann, wo ich mich schon so lange danach sehne. Noch reduzierter als T-Shit, nämlich nur mit Klavier und Schlagzeug bestreitet dieses Duo ihren Gig. Was sich nach Dresden Dolls anhört, ist aber eher Noise der Marke The Faint und Konsorten. Bombastisch!

Schlagzeuger Hannes Moser schwitzt gleich mehrere Shirts durch, Pianist Bernd Supper schlägt (!) in die Tasten und kurze Zeit selber mit dem ganzen Körper am Boden auf. Beide singen, beide schreien, die Absprache, wann ein Song zu enden hat und ein neuer beginnt, folgt wie durch Zauberhand. Unerklärlich für das Publikum aber extrem spannend und fantastisch mitzuerleben.

"Let's destroy this place!"

Mit dieser Ansage beenden die Sex Jams ihren Wahnsinns-Auftritt, aber viel zum Zerstören ist nicht mehr da, das wurde schon erledigt. Klar, die Sex Jams sind super, das wissen mittlerweile eh schon alle, aber wow! Dieses Konzert beim Popfest wird in die Geschichte eingehen. Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll. Dabei, dass die männlichen Bandmitglieder sich als Doppelgängerinnen ihrer Sängerin verkleidet haben, dass mehrere Gitarren in die Luft geflogen sind und Schlagzeuger Rudi nur um Haaresbreite verfehlt haben, dieser aber unbeirrt weitergedrummed hat, oder dass Sängerin Kathi bei jeder sich bietenden Gelegenheit ins Publikum gesprungen ist?

Gitarren wurden weitergegeben und Menschen aus dem Publikum waren plötzlich Teil der Band, ein lebendiger Organismus hat sich da aufgetan. Sex Jams sind wir alle und trotzdem nur diese fünf liebenswerten Verrückten da auf der Bühne des bruts. "Vienna is alive!", brüllt Kathi ins Mikro, offensichtlich selbst überwältigt von dem, was ihre eigene Band da bewirkt hat. Wer nicht dabei war, wird es ewiglich bereuen.

sex jams popfest

Simon Brugner / Theyshootmusic.com

Sex Jams Extravaganza!

Alive and well!

Heute geht es weiter am Popfest bei gratis Eintritt mit Velojet, Atomique, Gin Ga, Sado Maso Guitar Club, koenigleopold, Ghost Capsules, und vielen anderen.

Tipp des Hauses: Sonnenschutz, Fächer und Wasserflaschen einpacken! Zwischen TU und dem großen Spielplatz steht übrigens ein Wasserspender, den man nutzen sollte.