Erstellt am: 28. 7. 2013 - 12:20 Uhr
Icecubes in our pants
Popfest Wien
Popfest
Vom 25. bis 28. Juli am Karlsplatz
- Zerreißprobe Popfest: Alle Bands zu sehen ist unmöglich. Der erste Tag am Wiener Popfest.
- Rambazamba auf allen Bühnen: Der zweite Tag am Wiener Popfest sprengt Konventionen und Lautstärke-Grenzen.
- Icecubes in our pants: Fast unerträgliche Hitze, schweißtreibende Outfits, großartige Acts: der dritte Tag am Popfest.
- In The End: Der vierte und letzte Tag im Rückblick.
- Popfest for everyone!: Jede Menge Konzerte zum Nachhören.
Alle Informationen unter fm4.orf.at/popfest und fm4.orf.at/festivalradio
Es ist ein leidiges Thema, aber bei einem Open Air nicht zu vernachlässigen: das Wetter. Die Hitze drückt auf Wien und somit auch auf die Gemüter der Leute. Am Nachmittag des dritten Tages vom Popfest sind deutlich weniger Menschen am Karlsplatz als die Tage zuvor. Doch gegen Abend hin, als gerade das Konzert von Gin Ga startet, füllt sich der Platz plötzlich wieder und in der Nacht scheint es, als ob es sogar der bestbesuchte Festivaltag geworden ist.
Gin Ga
Schon das dritte Mal bespielen Gin Ga das Popfest, obwohl es selbiges erst vier Jahre gibt. Ein Zeichen auch dafür, dass ihre Musik den Nerv einer längeren Zeitspanne trifft und nicht ein Jahr nach Erscheinen schon wieder verpufft. Im Herbst soll nun endlich ein neues Album veröffentlicht werden und auf der Seebühne ist bereits neues Material mit dabei, weshalb die Band "aufgeregt wie bei der Matura" ist.
Auch das Publikum scheint aufgeregt und nimmt neue Songs, wie auch alte Hits gerne an. Die Hitze macht es unmöglich sich zu bewegen, obwohl man am liebsten durchtanzen würde und dann passiert es doch: bei "Dancer" - dem Welthit von Gin Ga - ist es allen wurscht, ob die Frisur vom Schweiß zerstört wird, da gehört einfach getanzt.
Sänger Alex widmet seinem Vater "May you speak my name" und genau der Song ist es, der mich am meisten berührt und perfekt zum Abendrot über der Karlskirche passt. Was Gin Ga besonders lieben, ist ständige Bewegung auf der Bühne, Intrumente werden getauscht und jeder der mittlerweile fünf Herren darf zumindest bei einem Chorteil auch mal ans Mikro. Ein perfektes Konzert! Was ich nicht verstehe sind die langen Hosen (Schweißausbruch vorprogrammiert), aber im Laufe des Abends werden mir noch verwirrendere Outfits begegnen.
Atomique feat. P.Tah & Con
Den Abschluss auf der Seebühne bilden die Soundtüftler von Atomique, unterstützt von ihren Haus- und Hof-Rappern P.Tah und Con. Backstage treffe ich die Bande kurz vor ihrem Auftritt und stelle die obligatorische Frage nach Nervosität, aber davon keine Spur. Eher müde sei man, aber davon merkt man auf der Bühne nichts mehr.
Der Rap über den Beats von Atomique ist so schnell, dass einem fast schwindelig wird beim Zuhören. Wie machen die das nur? Kurz vor Ende des Sets wird dann extra ein Acapella-Song gerappt, "damit ihr mal verstehts was wir sagen", erklärt Con. Sehr super. Unterstützung bekamen Atomique diesmal auch von einer weiblichen Stimme, das passt so gut, bitte öfter!
Lehnen
Weiter geht es im TU Prechtlsaal, wo Lehnen die Nacht eröffnen. Der Raum ist bereits voll mit Menschen und ein Song wird gespielt, da gibt es plötzlich technische Probleme. Zehn Minuten Pause, für die die Band nichts kann und alle machen sich Sorgen, dass dadurch vielleicht das Publikum an den kühlen Innenhof verloren geht.
Falsch gedacht! Das Popfest-Publikum ist ein musikaffines und beim ersten Ton von Lehnen ist der Saal viel voller als zuvor. Die Hitze ist unerträglich, aber die Musik grandios. Endlich werden einmal wieder richtig Gitarren geshreddet und es kann geheadbangt werden. Lehnen überzeugen voll und ganz mit ihrer Mischung aus Ambient-Elementen und hartem Rock. Und das Schönste: es macht ihnen sichtbar Spaß und das springt aufs Publikum über.
koenigleopold
Auch im brut scheint es eine Zeitverzögerung gegeben zu haben, denn auf dem Weg zum Nachfolge-Konzert erwische ich noch die zeitgleich mit Lehnen spielenden koenigleopold. Ich rufe "verwirrende Outfits" in Erinnerung: jemand tanzt in einem Ganzkörper-Pikachu-Kostüm auf der Bühne und obwohl die Bewegungen immer kleiner werden, scheinen koenigleopold von diesem Konzept überzeugt.
Auch sie selbst tragen wie immer maßgeschneiderte Anzüge, diesmal in Neon-Grün, oder ist das nur eine Lichttäuschung? Keine österreichische Band scheint mir zur Zeit so beliebt wie diese, die Massen drängen förmlich ins brut, jede_r will den steirischen Rap, den weirden Sound, die crazy Outfits selbst erleben und das zu Recht. Das verteufelte Wort im Zusammenhang mit koenigleopold, aber ja: es war mal wieder ein Wahnsinn.
Punda Omar
Der Geheimtipp des Abends heißt Punda Omar. Mysteriös gibt sich der junge Musiker in seiner ganzen Präsenz. Ob nun in seinem verschlüsselten Pressetext, oder auf der Bühne im brut. Er sitzt seitlich zum Publikum gewandt auf einem Klappstuhl, auf zwei anderen Klappstühlen ist sein Equipment verteilt. Die wenigen Worte, die er an uns richtet, wirken introvertiert und trotzdem unendlich freundlich. Ein "Dankeschön" aus dem Mund von Punda Omar klingt so aufrichtig, wie selten bei Konzerten.
Es handelt sich um ein Mitglied der Ambient-Band Your Ten Mofo, von deren Debüt- und bisher einzigem Album "things change, while helium listen to everyone" ich seit jeher ein großer Fan bin. Kein Wunder also, dass auch dieses Projekt bei mir ins Schwarze trifft. Dieser Mann weiß genau, wann er Pausen einsetzen muss und wie er mit seiner Stimme seine Schall- und Hall-Welten unterstützt.
Simon Brugner / Theyshootmusic.com
Mitten im Set liefert Punda Omar einen Remix zum Bon Iver Song "Towers" ab, den er vergessen hat bei einem Contest einzureichen. Nun bekommen wir ihn also zu hören. Was für ein Glück! Ein Begeisterungssturm weht durch das brut, die Leute fordern eine Zugabe, da kommt Punda Omar auf die Bühne zurück und sagt leise ins Mikro: "Ich mach' das noch nicht so lang." Aww!
Ghost Capsules
Kollegin Daniela Derntl fragt die Ghost Capsules am Nachmittag im Interview nach ihren Tipps gegen das Schwitzen. "Ice cubes in my pants", antwortet Tim Simenon wie aus der Pistole geschossen. Ja genau: Tim Simenon, alias Bomb The Bass, alias Produzent von Depeche Mode. Eine richtige Legende steht da mit seinem neuen in Wien angesiedelten Projekt auf der Bühne.
Dennoch ist das hier ihr allererster Wien-Gig. Die Musik alleine würde mich nicht überzeugen, wäre da nicht noch Sängerin Laura Gomez, die dem ganzen den dunklen, mystischen Touch verleiht. Ich kann nicht anders und muss unaufhörlich an Moloko denken, aber an ihre düsteren Songs und dennoch ist es hier ganz anders. Wir tanzen mit Ghost Capsules in die Nacht und Sätze wie "It's been a year since I quit smoking" bekommen durch die Stimme der Sängerin einen melancholischen Unterton, der sich kaum erklären lässt. Grandioser Auftritt! Aber von einer Band, die einen Song "Game of Thrones" nennt, habe ich mir gar nichts anderes erhofft.
Simon Brugner / Theyshootmusic.com
Der letzte Tag!
Heute ab 15 Uhr geht es weiter: Plaided, Beach Girls And The Monster, Dawa, Ash My Love und in der Karlskirche: O und Ritornell!