Erstellt am: 16. 10. 2012 - 20:00 Uhr
Und jetzt alle: Viennale!
- Viennale: 25. Oktober -7. November 2012. Das komplette Programm gibts auf: www.viennale.at
- fm4.orf.at/viennale
Die Tragik der Grafik war der Titel meines letzten Textes zur letztjährigen Viennale und daran kann ich nahtlos anschließen. Darin ging es um die Faszination von Filmplakaten und Unverständnis von bestimmten gestalterischen Einfallslosigkeiten. Das Plakat zur 50. Viennale hängt seit Wochen in der ganzen Stadt und bläst - anstatt uns wie ein Rattenfänger von Hameln oder eine Sirene aus der griechischen Mythologie zu verführen - grafisches Trübsal. Jeder Finger stehe für ein Jahrzehnt, es sei aber auch ein "give me five" und spiele an auf ein sehr frühes Lichtbild, aufgenommen im Jahr 1841. Das Plakat hat Konzept, das wars dann aber auch schon. Ich vermisse auch nur einen Hauch von Wucht, Funkeln, Düsternis, Geheimnis oder Faszination, den Film seit mehr als 100 Jahren ausübt und sich stetig in Bildern manifestiert. All diese Dinge finden sich aber dann noch woanders: im Programm.
polyfilm
Hier finden sich weniger Film-Empfehlungen, da ich von den aktuellen Filmen kaum etwas bereits gesehen habe, sondern eine Auswahl aus meinem Vorhaben für die Viennale 2012.
Fritz Lang Retrospektive
Auch auf der Viennale: Michael Caine Tribut
Letztes Jahr schwärm ich noch davon vor ein paar Jahren "Beyond a reasonable doubt" am Vormittag im Gartenbaukino gesehen zu haben, da lässt sich diese Erinnerung wiederholen. Das Österreichische Filmmuseum zeigt eine Gesamtretrospektive vom großen Fritz Lang. Pickt euch unbedingt einen Film Noir raus, ich werd mir "Beyond a reasonable doubt" nochmal anschauen, empfehle auch die Plot-Geschwister "Scarlet Street" und "Woman in the Window" und "House by the River". Der klaustrophonische Film vermischt Film Noir mit Elementen eines gothic Melodrams.
viennale
Argo
Der Eröffnungsfilm zeigt, wie flexibel die Filmgeschichte ist. Vor ein paar Jahren noch war Ben Affleck mehr ein Impuls für Hohn und Lachen, als ein ernstzunehmender Schauspieler. Hätte jemand orakelt, dass ein Film von der männlichen Hälfte des Yellow Press Lieblings "Bennifer" mal die Viennale eröffnet, hätte man sich wohl an die Stirn geklatscht. Affleck gleitet aus dem Schweinwerferlicht immer mehr hinter die Kamera und vor allem an die Drehbücher und feiert Erfolge. Bei Publikum und Kritik. "Argo" spielt im Jahr 1979, als die US Botschaft in Teheran gestürmt wird, werden 52 Amerikaner aös Geiseln genommen, sechs schaffen es, sich im Haus des kanadischen Botschafters zu verstecken. Nun soll ein CIA-Agent diese sechs Menschen außer Landes und in Sicherheit bringen. "Argo" startet am 9. November regulär in den Kinos, wer also auf den traditionellen Foyerwrestlingtango im Gartenbaukino verzichten will, muss sich nicht allzu lange gedulden.
warner
Berberian Sound Studio
Hallo Giallo. Ein Soundspezialist landet in den 1970er Jahren in einem italienischen Studio, das Giallofilme produziert. In dem Fall ist es natürlich nicht günstig, wenn das Leben die Kunst imitiert. Eine psychoakustische Attacke, verspricht der Viennale Katalog. Mit dabei: Toby Jones, der Mann, der sowohl einen meiner Lieblingsregisseure (Hitchock) und Lieblingsautoren (Capote) verkörpert hat.
berberian sound studio
Augustine
Ein Bild wie ein Gemälde. "L'Apollonide" wollte ich letztes Jahr auch nur sehen, weil schon die Filmstills mich betört haben. "Augustine" erzählt von viktorianischen Körperpolitiken und Machtverhältnissen und wird somit zum ergänzenden Gegenstück zur Komödie "Hysteria", die sich um ähnliche Themen drehte.
videocollectiondata-base.com
Leones
Wenn Gus van Sants "Gerry" als Bezugspunkt zu einem Film angeführt wird, dann bin ich schon dabei. Im Debütfilm der Spanierin Jazmin Lopez streifen fünf Freunde durch einen Wald wie aus der Zeit gefallen. Könnte einer dieser Filme werden, die einen verstören und faszinieren, aber man nie die richtigen Worte dafür finden wird, um die Faszination weiterzugeben. Kollegin P. spoilert den Film vor lauter Begeisterung, ich schau ihn mir trotzdem an.
Beasts of the Southern Wild
Das ist das diesjärhige "Drive", was die unruhige Erwartungshaltung betrifft und das Gefühl, den Film unbedingt und am besten sofort zu sehen. Der "Sundance"-Liebling - ausgezeichnet mit dem Preis der Jury und von Fox Searchlight bereits unter die Fittiche genommen - erzählt die Geschichte eines 6jährigen Mädchens namens Hushpuppy im Süden der USA. Von schmelzenden Eiskappen ist die Rede, von prähistorischen Figuren namens Aurochs. Am Plakat, herrlich in Unschärfe getaucht, ist ebenjene Hushpuppy mit sternspritzenden Wunderkerzen zu sehen.
sundance
The Dynamiter
Wir bleiben im Süden der USA. Drei Brüder in Mississippi in einem Film, in dem angeblich der wilde Geist William Faulkners weht. Das will ich sehen. Das ist außerdem mein Trostpflaster dafür, dass Jeff Nichols "Mud", auf den ich so gefhofft hatte (und in dem ebenfalls Kinder durch den Süden der USA streunen) nicht auf der Viennale läuft.
Sightseers
"Shaun of the Dead" und "Scott Pilgrim..." Regisseur Edgar Wright ist hier als Produzent dabei. Auf meine Merkliste rutscht der Film vor ein paar Monaten, als ich ein Teaserposter entdecke, auf dem "Evil wears a knitted jumper" steht. Welch schöner Satz. Viel zu viel wid in jeder Kurzbeschriebung verraten, ich halte mich kurz: Wenn "Kill List"-Regisseur Ben Wheatley ein Paar in den Urlaub ins englische Hinterland schickt, wirds früher oder später mörderisch.
viennale
Killer Joe
Matthew McConaughey deht die Selbstlaute in William Friedkins "Killer Joe" Dallas, Texas. Ein Auftragskiller in spitzen braunen Schuhen, von Emile Hirsch angeheuert, die eigene grässliche Mutter umzubringen. "Killer Joe" wird wohl das zukünftige Killerargument in allen ausstehenden McConaughey-Diskussionen. Hat bis jetzt noch keinen österreichischen Starttermin!
sundance
Beul la in deu
Das Wort Psychothriller hat Seltenheitswert im Viennale-Programm, schon beim ersten Durchschauen kringle ich "Blind" ein. Eine blinde Frau, ehemalige Polizisten wird Zeugin eines Unfalls mit Fahrerflucht. Der flüchtige Täter stellt sich als Serienmörder heraus.
Jack and Diane
Horror, Romanze und Juno Temple! Was für eine Kombination. It's not the lesbian werewolf movie we imagined, orakelt Entertainment Weekly. Zwei junge Frauen ein Monster namens Liebe und Kylie Minogue.
viennale
A Vincganca de uma mulher
Schon wieder ein Kostümfilm, yay! Eine Herzogin beschließt als Prostituierte zu leben. Der Katalogtext spricht sowohl von einer moralischen Versuchsanordnung (klingt nach Haneke) als auch von einem Fegefeuer der Gefühle (klingt nach "Reich&Schön). Ich hab mich in untenstehendes Bild und Kleid ohenhin schon verliebt. Außerdem: 3.9/10-Wertung auf imdb.com. Challenge accepted.
viennale
Vous n'avez envore rien vu
Von "Die letzte Metro" über "A Chorus Line" bis zu "Me & Orson Welles": Ich liebe Filme, in denen das Theater eine wichtige Rolle spielt. In Alain Resnais "Ihr werdet euch noch wundern" folgen die Freunde eines verstorbenen Bühnenautors seinem letzten Wunsch und begutachten eine Neuinszenierung seines Stücks durch eine junge Theatergruppe. Mit dabei: Michel Piccoli und Matthieu Amalric.
Dokumentationen
Ein ganzer Stapel Künstlerporträts finden sich unter den Dokumentationen: Über Schauspieler Harry Dean Stanton ("Harry Dean Stanton - Partly Fiction") ebenso wie über Jerry Lewis ("Jerry Lewis: Method To The Madness")und Tony Curtis ("Tony Curtis: Driven to Stardom"). Ich bin einfallslos und konsequent gleichermaßen und schau am liebsten Dokumentationen, die sich an einen Rockzipfel der Filmgeschichte krallen.
viennale
Viennale Tagebuch: Täglich ab 26. Oktober 2012. Mit euch hoffentlich.
Bei den Musikdokus springt einem Mirjam Ungers "Oh yeah she performs" entgegen. Mit seinen vier Protagonistinnen - alle österreichische Muskerinnen - scheint es wie ein lange herbeigesehntes Gegenstück zu all den - auf ein Lebenswerk alter Herren zurückblickenden - Dokus zu sein, an denen die Viennale sonst so einen Narren gefressen hat. Oh yeah indeed. "Oh yeah she performs" wird - wie alle österreichischen Produktionen auf der Viennale um 18 Uhr und nur an einem Termin gezeigt. Auch das ein Beispiel für das befremdliche Verhältnis" der Viennale zum österreichischen Film, wie es der Verband FilmRegie Österreich anlässlich Ulrich Seidls Rückzug seiner Filme formuliert hat.
mirjam unger
Der Ticketvorverkauf beginnt am Samstag, den 20. Oktober, um 10 Uhr
Und sonst so?
Worauf freut ihr euch, was vermisst ihr? Sollen wir hoffen, dass "The Master" der Überraschungsfilm ist? Reizworte, die mich in Filmkurzbeschreibungen momentan weiterblättern lassen: Road Trip, Slacker, Indie-Musik, französischer Charme.