Erstellt am: 4. 11. 2011 - 17:14 Uhr
Die Tragik der Grafik
Weil sich durch das Viennale-Tagebuch der rote Faden geschlängelt hat, dass Film immer mehr ist als nur der Film, hier noch ein Nachsatz. Weil Film ist auch das Poster, das man sich aufhängt und das einen jahrelang begleitet.
Ein roter Punkt, die gleiche Schriftart und -größe für den Namen des Regisseurs und den Titel des Films und im Hintergrund eine Topografie und Höhenlinien. Im Foyer des Künstlerhauskinos lass ich letzte Woche das Kinopublikum an mir in den Saal vorbeiziehen und starre auf das Plakat von Armin Linkes "Alpi". Nicht nur, weil es ein Plakat ist, das sich gängiger Filmplakat-Ästhetik verweigert, das tun einige, aber Verweigerungshaltung allein garantiert noch kein sicheres Händchen für grafische Gestaltung. Dieses Plakat aber, ist ein kleines Glanzstück. Und im Rahmen der Viennale werden mir noch mehr Plakate begegnen, die mich erfreuen und faszinieren, weil sie auf weniger betretenen visuellen Pfaden flanieren. Hauptfiguren, die uns den Rücken zuwenden, gezeichnete Männer mit Baby im Arm und unheimliche Augen, die aus dem Wald schauen.
Ausgehend von dieser kleinen Häufung an Plakaten, die mich während der Viennale in ihren Bann ziehen, fällt mir auf, dass sich zu dem Kanon an Filmplakaten, die man gerne in WGs antrifft, wenig in den letzten Jahren dazugesellt hat. Grade so, als wär nach "Trainspotting" und "Pulp Fiction" kein Film mehr rausgekommen, dessen Plakat man sich auch gern zuhause aufhängt. Eine Gleichförmigkeit regiert, die Plakate haben selten die Aufgabe zu verstören oder irritieren, sie setzen stets auf die Betonung des Gewohnten. Komödie, Drama, Horrorfilm und Thriller haben alle ihr Paket an Schriften und Gestaltungsstilen, genauso wie der indie-Film immer noch mit putziger Krakelschrift daherkommt. Mut findet man in Sachen Filmplakaten hauptsächlich bei Teaser-Plakaten. Die sollen Aufmerksamkeit erregen, Fragen hervorrufen, ein Rätsel formulieren. Die stechen sehr oft raus aus dem gephotoshoppten Einheitsbrei der Filmplakate.
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In Sachen Grafik, Schriftgestaltung und Eigenständigkeit kann man meistens vom ersten Teaser-Plakat bis zum Poster, das in den heimischen Kinos hängt, eine downward spiral des Attraktivitätsverlusts beobachten. Im Dezember 2009, drei Monate bevor "Black Swan" in die Kinos kam, wurden vier Poster veröffentlicht, die Art Deco Elemente verarbeiteten und sich an den grandiosen, eigenständigen Filmplakaten aus Polen aus den 50er, 60er und 70er Jahren orientierten. Das US-Poster zeigte eine weiß geschminkte Natalie Portman mit schwarzem Augen Make Up, auf das internationale Poster kam dann das hässliche "1-2-3, Portman schlüpft aus dem Ei"-Bild.
20th century fox
Die Grafiker-Faustregel, dass der Kunde sich immer für den hässlicheren Entwurf entscheiden wird, fällt mir ein. Das kleine Presseheft zu Cary Fukunagas "Jane Eyre" hab ich - mit Cover nach vorne - ins Bücherregal gestellt. Mia Wasikowska sieht man im Profil und durchschimmernd und sich ihrer Silhouette fügend erkennt man Michael Fassbender als Mr. Rochester. Das Element des haunting, das diesen Roman und auch die Beziehung zwischen Jane und Rochester ausmacht, eingefangen im Plakat. Grandios. Als ich Fukunaga in Wien zum Interview treffe, sitzt er neben einem Pappaufsteller eines anderen Plakats. Man habe sich für Deutschland und Österreich für ein anderes Motiv entschieden, erfahre ich später. Und wieder watscht mir die Faustregel ins Gesicht.
tobis
Grafische Parallelwelten
Man muss sich ja nur mit gegebenen Tatsachen nicht abfinden, denn schönerweise gibt es aber das Netz. Und unzählige Seiten, die alternative Plakate sammeln. So wie Filme eigene Welten schaffen, schaffen hier Filmfanatische eine Welt, in der Filme die Plakate bekommen, die sie verdienen. Der Einfluss von Saul Bass, dem Grafiker, der nicht nur für das Pan Am Logo verantwortlich ist, sondern auch für Titelsequenzen und Plakate von Otto Preminger und Alfred Hitchcock, hallt immer noch nach. Grafische Elemente statt Fotos von Schauspielern, Farbflächen, einfache geometrische Formen. Gestaltung, an der man sich nicht sattsieht. Abstraktion statt Star-Visage.
mgm
Für Special Screenings oder Festivals werden oft Grafiker wie zB Tausendsassa Olly Moss engagiert. Aber das Plakat, das uns dann von Bushaltestellen und im Kinofoyer entgegen schaut, ist wieder same old, same old. Dadurch, dass auch diese endgültigen Filmplakate und nicht die speziellen Drucke oder Teaserplakate in den Handel kommen, ist es eigentlich eh kein Wunder, dass in den WGs immer noch "Taxi Driver", "Blow Up", "Trainspotting" "Pulp Fiction" und "Der Pate" hängen. Bis uns hoffentlich mal wieder ein Angebot in Plakatform gemacht wird, dem wir nicht widerstehen können.