Erstellt am: 2. 7. 2011 - 15:37 Uhr
Pretty and hard stuff
- Warnung: In dieser Ausgabe der FM4 Soundparknacht wird die Grenze Ihrer psychoakustischen Belastbarkeit ausgelotet. Deshalb können die präsentierten Klangstücke ihre Hörgewohnheiten maßgeblich gefährden! Bei unerwünschten Nebenwirkungen schlagen Sie in ihrer Plattensammlung nach heilsamen Tönen nach oder fragen Sie den Soundparkredakteur ihres Vertrauens!
- Der FM4 Soundpark im Radio: Jede Woche in der Nacht von Sonntag auf Montag von 1 bis 6 Uhr früh. Nach der Sendung 7 Tage lang online zu hören als Stream on demand.
Die Reparaturwerkstatt der gebrochenen Herzen
Es gibt Menschen, die es ansatzweise schaffen, Musik in Worte zu fassen. Was mich manchmal vor unlösbar scheinende Aufgaben stellt, ist für andere eine wonnige Lust des sprachakrobatischen Assoziierens. Bei der Formation Broken.Heart.Collector und ihrem vor kurzem erschienenen, selbstbetitelten Debüt verweise ich gleich mal an die eloquenten und gewitzten Ausführungen meines Kollegen Fritz Ostermayer, der in einer Sumpfausgabe die Musik des Künstlerkollektivs folgendermaßen assoziativ beschrieben hat:

Broken Heart Collcetor
"Big Band Swing, gespielt durch die Kontaktlinsen einer Metal-Combo. Prog-Rock auf der Suche nach Überlebensstrategien als 'Post-Prog-Irgendetwas'. Alltagsgeräusche, die nicht wissen, ob sie noch field recordings sind oder schon musique concrète. Spoken word, das sich zum Gesang aufschwingt und darüber hinaus zum Schreien, wie ein Kind beim Spielen. Oder doch ein Kind in Angst? Stellen von intimer, klanglicher Poesie kippen blitzschnell in alarmistischen Industrial. Beziehungsweise in ein Freakout zwischen Free Jazz und alten E-Musik-Techniken. Mit allem, was so seit den 1950ies dazu gehört..."
Der neurale Funkenflug von Herrn Ostermayer geht noch lange weiter. Für diese wundervolle Assoziationskette sind Sängerin Maja Osojnik, Bassklarinettistin Susanna Gartmayer und das Trio BulBul verantwortlich, die als gleichwertige KünstlerInnen ihren Inspirationen, Improvisationen und musikalischen Leidenschaften mit Broken.Heart.Collector freien Lauf lassen. Auch auf textlicher Ebene wird in düstere Märchenlandschaften hinabgestiegen, wo ein Sohn blind vor Liebe zu einer Frau das Herz aus der Brust seiner Mutter herausreißt, wo Wölfe die Herzen von Menschen auffressen und Postboten versuchen Hunde zu beißen, bevor sie selbst gebissen werden. Über zerrendes Schlagwerk, rauschende Feldaufnahmen, vertrackte Rhythmiken, sehnsuchtsvolle Bassklarinetten-Harmonien, avantgardistischen Jazzdustrial wird der Eisenwalzer getanzt und lakonisch zur Boatwischmusik geheadbangt.

Zoe Fotografie
Doch hinter allem steckt eine wunderschöne, versöhnliche Geschichte. Geht es doch um die Idee, mit Musik unsere gebrochenen Herzen wieder zu reparieren. Aber das sollen Euch Maja und Susanna selbst erzählen...
Der Ukulelensternenzerstörer
Faszinierend und verstörend, ungezähmt wild und durchkomponiert, ansatzweise chaotisch und doch perfekt zusammengeschweißt, die zwei Grazer Patrik und Stefan lassen mit ihrem krachenden Projekt Waikiki Star Destroyer verschiedene Welten ungebremst aufeinander prallen. Alles, was sie dazu brauchen, sind ein Schlagzeug, eine Ukulele und ein paar ramponierte) Fußschalter. Der experimentell anmutende Soundmix wird durch Verzerrer gejagt und der nicht selten verschrobene Rhythmus böllert über die live erzeugten Geräuschkollagen hinweg, dass es einem die Ohren durchputzt.

A.C.
Auf die Frage, warum denn eine Ukulele verwendet wird, die als solche dann eigentlich gar nicht mehr erkenntlich ist, folgt die knappe Antwort: "Weil es geht." Das nachfolgende Gelächter versichert jedoch, dass sich Waikiki Star Destroyer bei aller Ernsthaftigkeit ihres außergewöhnlichen Musikansatzes sich selbst nicht zu ernst nehmen. Der brachiale Noise am Sonnenstrand besticht vor allem durch die Live-Energie des Duos, die auch aus den noch recht rohen Demo-Aufnahmen sofort herauszuhören ist.
Bei dieser Formation geht es - wie auch bei Broken.Heart.Collector - darum, sich fallen und ganz auf die Klangexperimente einzulassen. Landläufige Hörgewohnheiten werden gleich mal abgeräumt und die dadurch entstandene Leerstelle mit neuen, frischen und teils komplexeren Sounds aufgefüllt. Die cleveren Harmoniebögen und durchgedachten Arrangements sind nicht sofort zugänglich, sondern setzten sich erst nach und nach zusammen. Vielleicht sind das auch die Gründe, warum die New Yorker Battles für ihren Gig am 6. Juli in der Wiener Arena die Steirer Waikiki Star Destroyer als Soopertrash Live