Erstellt am: 23. 2. 2011 - 06:00 Uhr
The Wizard of Os(cars)
Ab Sonntag Mitternach gibt es hier natürlich wieder den Live-Ticker zur Oscarverleihung. ORF1 berichtet ab 1:05
Anne Hathaway und James Franco werden am Sonntag die Hosts bei der Verleihung der Academy Awards sein, der Aufmerksamkeitsfokus der Vorberichterstattung liegt aber eindeutig auf Franco. Und das liegt nicht nur an seiner Doppelfunktion als Nominierter ("Best Actor in a leading role" für "127 Hours"), sondern an seiner Hansdampfigkeit in allen Spartengassen, die ihn zu einem Unikum machen. Der Schauspieler, Regisseur, Drehbuchautor und Produzent promoviert in Yale über Literatur, modelt für Gucci, spielt in der Soap "General Hospital" mit, hat einen Kurzgeschichtenband veröffentlicht und gerade seine erste Ausstellung in Berlin eröffnet. Und seit Anfang dieser Woche twittert er auch noch. Über Anne Hathaway wurde immerhin berichtet, dass Rachel Zoe ihr Styling übernimmt.
Academy of Motion Pictures Arts and Science
Neben all der Franco-Frenzy versuchen auch die nomierten Filme ein Stück vom Aufmerksamkeits-Kuchen abzubekommen. "Black Swan" erinnert uns mittels einer Featurette daran, wie hart Natalie Portman an der Ballettstange trainiert hat, "The Social Network" lässt sich in die Karten blicken, wie zwei Schauspieler die Winklevoss-Zwillinge gespielt haben und der Kopf des einen auf den Körper des anderen montiert wurde. Die Spezialeffekte, die man nicht vermutet sind immer noch die beeindruckendsten.
Academy of Motion Pictures Arts and Science
"The King's Speech" hat inzwischen soviele Preise, dass man garantiert alle Kaminsimse des Buckingham Palace mit einem zieren könnte, die Presse drehte sich in den letzten Wochen aber mehr um die Rating-Diskussion und den geschichtlichen Hintergrund des Films. Weil der König im Rahmen seines Sprachtrainings ein paarmal flucht, gabs von der MPAA das "R"-Rating, das heißt Jugendliche unter 17 Jahren dürfen in den USA den Film nur in Begleitung Erwachsener sehen. Für den Fall, dass Kinderleins aus dem viktorianischen Zeitalter in einer Zeitmaschine anreisen und angesichts der "Fuckfuckfuckshit"-Tirade Colin Firths nicht schnell genug zu den Riechsalzen greifen können, kann man das "R"-Rating für vernünftig halten. In allen anderen Fällen ist es eine Farce. Filmzampano Harvey Weinstein überlegt, den Film neu schneiden zu lassen, um ein PG-13 Rating zu erhalten, Regisseur Tom Hooper spricht sich dezidiert dagegen aus. "I wouldn't support cutting the film in any way," he said. "I think we looked at whether it's possible to bleep out the ['F' words] and stuff, but I'm not going to actually cut that part.", so Hooper in "Entertainment Weekly".
Weinstein Company
Neben der Rating-Diskussion sah sich "The King's Speech" mit dem Vorwurf konfrontiert, Geschichts-Schönfärberei zu betreiben und es unerwähnt zu lassen, dass König George VI, die Bemühungen zahlreicher Juden behinderte, Deutschland zu verlassen und sich im - von England kontrollierten - Palästina niederzulassen. Ein anonymes E-Mail, das die Mitglieder der Acamdey auf diese Umstände aufmerksam macht, zirkuliert nun in Hollywood und darauf folgte ein noch nicht als authentisch verifiziertes Antwort-Mail eines Academy-Mitglieds an Oscar-Orakel und Branchen-Insider Scott Feinberg, in dem stand, viele werden aus diesen Gründen ihre Stimme nicht "The King's Speech" geben.
Kein Film, der sich auf historische Begebenheiten stützt, kommt ohne Diskussion über geschichtliche Ungenauigkeiten, Feinheiten, Auslassungen aus. Aus der Reibung zwischen filmischer Erzählweise und historischer Fakten entstehen wichtige und interessante Diskussionen, die erstens eine Beschäftigung mit Geschichte einfordern und die zweitens verhindern, dass ein Film jemals als allgemeingültige Darstellung von Geschichte angesehen wird, die weitere Auseinandersetzung unnötig macht. Angesichts des Zeitpunkts und der Art der Kommunikation riecht das leider auch alles ein bisschen nach Schmierkampagne unter dem Deckmatel geschichtlicher Gesichtspunkte.
Erheblich mehr Kopfzerbrechen als eventuelle Schmierkampagnen und geschichtliche Auslassungen macht der Academy ein Mann namens Banksy. "Exit through the gift shop" ist in der Kategorie "Best Documentary Feature" nominiert und man fürchtet den Mann, der seine Identität nicht preisgeben will, ein wenig. Banksys Anfrage, ob er den Preis auch verkleidet entgegennehmen dürfe, wurde abgelehnt. Academy Executive Director Bruce Davis im Interview mit Entertainment Week: 'The fun but disquieting scenario is that if the film wins and five guys in monkey masks come to the stage all saying, "I'm Banksy," who the hell do we give it [award] to?"
Banksy
Banksy ist bereits in Los Angeles und ziert Hauswände mit seinen Stencils. Als erste Entdeckerin gilt ausgerechnet "The Hills"-Star Lauren Conrad, die über Twitter fragte, ob Banksy in der Stadt sei. Oh du stets unterhaltsame Tinseltown!
Nun wissen wir also zumindest, was es nicht bei der Verleihung geben wird - nämlich 5 man in monkey masks, ebenfalls nicht geben wird es den anfangs kolportierte Auftritt, in dem Franco als Cher verkleidet "You haven't seen the last of me" singt. Dankenswerterweise lässt uns Franco wissen, wie das geklungen hätte.
Über die große Eröffnungsnummer der Preisverleihung, verrät Produzent Bruce Cohen, dass es eine Mischung aus gefilmten und Live-Elementen sein wird, inklusive eines sehr speziellen Gaststars, der nicht verraten wird. Als Präsentatoren erwarten uns Russell Brand, Scarlett Johansson, Tom Hanks, Annett Bening, Hugh Jackman, Robert Downey Jr. und viele mehr und Gwyneth Paltrow wird singen.
Bleibt noch spannend, ob Melissa Leo, die als Favoritin in der Kategorie "Best actress in a supporting role" für ihre Rolle in "The Fighter" galt, sich die eigene Tour mit einer etwas patscherten "For your consideration"-Kampagne vermasselt hat oder ob die Eigeninitiative geschätzt wird.
Melissa Leo
Die Ehrenoscars werden seit ein paar Jahren nicht im Rahmen der großen Verleihshow ausgehändigt, sondern bereits im November vergeben, an Eli Wallach, Kevin Brownlow und Jean-Luc Godard, der es abgelehnt hat, der Veranstaltung beizuwohnen.
Seinen Oscar abgeholt hat sich diese Woche Bart Simpson. In der aktuellen Folge der 22. Staffel wird Barts Kurzfilm "Angry Dad" mit einem Academy Award ausgezeichnet. Die Simpsons, die in der aktuellen Staffel in einer Höchstform sind, die einen staunen lässt, lassen hier grandios Ricky Gervais und Halle Barry auftreten, Martin Scorsese zitiert Andre Bazin und in goßartigen Kurzclips tritt man "Wallace and Gromit", Pixar sowie französischen Animationsfilme wie "Das Rennen von Belleville" gleichermaßen in den Hintern, wie man sich vor ihnen verbeugt.
The SImpsons
Was bleibt jetzt noch zu tun bis Sonntag? Nominierte Filme anschauen, "Black Swan", "The Kids Are All Right", "The Social Network", "127 Hours" und "The King's Speech" laufen noch, "True Grit" startet am Freitag in den österreichischen Kinos.
Pickt eure Favoriten und wir treffen uns dann Sonntag Mitternacht hier, zur Oscar-Live-Berichterstattung. Und nur, und wirklich nur dann, wenn die Academy ihre krude Idee wahr macht, die Mütter der nominierten Schauspieler/innen twittern zu lassen, wird es etwas geben, was das hier an vorfreudiger Hysterie und Subjektivität übertreffen wird.
clairegrube, madameclaudine, peggysue, matthews, sauvage, ambre, sammyjenkins, joelkairo, myko, elchaos, simonside, kleinerrollhügel, johnleehookerelektro, littlelionman, mizanthrop, aerogramme, raveonett, samlowry und wie ihr alle heißt, ich freu mich auf euch. Aja, ich bin übrigens im Team "The Social Network". Ein Film, der sich mit aktuellen Zeitgeistern beschäftigt, ohne ein Biopic zu sein oder sich an popkulturelle Rettungsreifen klammern muss, um Aktualität zu heucheln. Ein Film, der dramaturgisch, dialog- und soundtracktechnisch grandios ist und einen Sog entwickelt, der einen nicht loslässt: Count me in.