Erstellt am: 22. 1. 2011 - 18:40 Uhr
Bilderbuchartiger Geburtstag im Zirkus der Liebe
FM4 Geburtstagsfest 2011
- Geburtstag im Zirkus der Liebe: Die Open Air Bühne mit Bilderbuch, Chikinki, The Go! Team und Hercules And Love Affair
- Die große Halle der Gladiatoren: I am Cereals, Effi, Fotos, Crystal Fighters und Beat!Beat!Beat! in der großen Halle
- Zirkus Galore: Bilder, Bilder und nochmal Bilder!
- Alle Stories zum diesjährigen Geburtstagsfest
Ich hab ihm ja nicht getraut, dem glitschigen, grünen Quäcker von der ehemaligen Mini-ZiB. Hat er doch dreist behauptet, es würde dieses Jahr eines der wärmsten FM4 Geburtstagsfeste geben. Klar, im Gegensatz zum Vorjahr, als sich bei -10 Grad sämtliche Streichinstrumente von Get Well Soon derart verstimmten, dass an ein kakophonie-freies Spielen nicht zu denken war, ist es heute "warm". Vor allem, wenn man professionelles Outdoor-Outfit trägt, hat man in dieser Nacht nichts zu befürchten. Und trotzdem, entgegen der vielen beeindruckenden Zaubertricks der Kartengewinner habe ich das Kunststück zusammengebracht, vielleicht die eine oder andere Textilschicht zu wenig angezogen zu haben, da ich mich auf besagten Frosch verlassen habe.
FM4 / Andreas Gstettner
Wie dem auch sei, es gibt genug was heute Abend mein Herz erwärmen wird. Denn in wenigen Minuten wird hier das oberösterreichische Quartett Bilderbuch uns mit ihren karibischen Träumen einheizen. Was ich vom Vorbeihuschen beim Soundcheck mitbekommen habe, werden euch bei dem über die Open Air Arena hinwegbretternden Sound die Ohren schlackern.
FM4 / Andreas Gstettner
Ach ja, nachdem hier schon feierlich die leiernden Drehorgeltöne aus den Boxen den Zirkusabend eröffnen, sei an dieser Stelle verraten, dass die eine und der andere MusikerIn auch auf der Bühne uns mit ihren "geheimen Tricks" verblüffen werden. Nebenstehendes Bild gibt schon mal einen kurzen Einblick in die Soundzauberkiste von unserer Startband. Bevor hier in kürze alle Lämpchen wild aufleuchten werden, wärmen wir uns noch hinter der Bühne mit Jongleurkeulen, Bodenakrobatikübungen und Feuerschlucken auf.
FM4 / Andreas Gstettner
19:00 Uhr: Bilderbuch auf der Open Air Bühne
Ab hier sind alle Fotos von Florian Wieser, vielen Dank!
Gerade rechtzeitig, bevor die ersten Gitarrentöne ins Trommelfell schneiden, flüstert Bilderbuch-Agent Hannes Tschürtz mir ins Ohr, dass die neue Platte seiner Schützlinge "total crazy" geworden ist. Dem entsprechend gespannt lausche ich der ersten Textzeile, die Sänger Maurice über die Lippen kommt: Der Pflaumenwein betört meine Seele!
Florian Wieser
Sie haben es einfach drauf, schräge, paradoxe und zugleich einprägsame Parolen mit ihren treibenden Rhythmen zu verbinden. Der druckvolle Titelsong "Nelken & Schillinge" massiert wie zu erwarten die Magengrube, während der Bassist in seinem schicken Wintermantel über die Bühne fegt. Und schon folgt auch gleich der erste neue Song, der mit dem Titel "Geist" angekündigt wird. Ein seltsam vertraktes Groovemonster, das durch ein ausgefuchstes Arrangement mit Breaks immer wieder überrascht.
Das folgende mit "la luce della luna", also "Mondschein" angekündigte Lied besticht durch eine etwas unheimlich wirkende Atmosphäre, so dass man sich gut vorstellen könnte, diesen Song auf dem nächsten Twighlight Soundtrack zu finden. Schließlich tanzen hier die ehemaligen Klosterschüler einen rockigen Psychotwist in gewohnt frecher Manier und erhöhen dann auch gleich die Geschwindigkeit um das doppelte, um davon zu galopieren.
Florian Wieser
Auch die neuen "Karibische Träume" bringen mit Percussion-Einlage und Weltmusik-Rhythmus unsere Beine zum Schwingen. Maurice hat mir übrigens letzthin verraten, die Band hätte bei den neuen Aufnahmen vermehrt Talking Heads gehört. Ich finde, dass nicht nur der musikalische Einfluss, sondern auch das Motto "Stop Making Sense" Bilderbuch gut zu Gesicht steht.
20:00 Uhr: Chikinki auf der Open Air Bühne
Florian Wieser
Es flirren und zwitscheren die Keyboards, die eisige Luft vibriert von den tiefen Synthie-Bässen. Ich bin überrascht, obwohl Eva Umbauer im Vorfeld schon auf das neue Chikinki Album und die Veränderungen, wie dem physischen und psychischen "Reifungsprozess" der Briten hingewiesen hat. Einen derart spacige Science-Fiction-Synthie-Sound hätte ich mir nicht erwartet. Auch wenn zu Anfang munter zu Gitarrenlinien geträllert wird, schneiden immer wieder hochfrequente und knarzige Klänge durch das Live-Set.
Die Band wirkt zunächst noch etwas uneingespielt. Es ist bei FM4 Geburtstagsfesten ja schon Tradition, dass die Künstler mit neuem Album im Gepäck anreisen. Bei Chickinki spürt man noch die absolute Frische der Songs, die noch etwas unausgewogene Balance zwischen Gitarren, Schlagzeug und eben jenen Keyboardsounds, die in doppelter Lichtgeschwindigkeit vom Heimatplaneten der französischen Sexy Boys zu kommen scheinen. Aber mit ihren Hits "Sunshine" oder "You Said" haben sich der Wilde (Rupert Browne), der Flotte (Steve Bond, Drums), der Hübsche (Trevor Wensley, Keyboards/Synthis), der Verrückte (Boris Exton, Keyboards/Synthis) und der Sensible (Ed East, Gitarre) (zitiert nach E. Umbauer) sofort wieder in jenes Party-Gefühl eingeklinkt, mit dem sie schon seit Jahren in Österreich auf fruchtbaren Boden stoßen.
Florian Wieser
Schließlich spitzen sich die Pfeif-Lippen bei ihre Melodien automatisch, wippt der Fuß unkontrolliert zum flockigen Groove und ehe man sich's versieht, schleudert man die Arme in die Luft und singt aus voller Kehle mit. Was die neuen Songs betrifft, bin ich schon auf die Studioaufnahmen gespannt, denn die Live-Präsentation ist für mich nur wie ein kleiner Teaser auf das, was das Quintett im Studio sicher bis zum letzten Ton ausgefeilt aufgenommen hat. Sicher ist, dass Experimentierfreude und Mut zu neuen Klanglandschaften Einzug ins Chikinki Universum gefunden haben.
21:15 Uhr: The Go! Team
Was ist da gerade passiert? Kann es sein, dass eine Band schon um diese Zeit den Geburtstagsfestvogel abgeschossen hat? Und warum war ich noch nie bei eimem Gig von The Go! Team? Ein schweres Versäumnis, wie mir gleich in den ersten Minuten bewusst wird. Denn was da mit der ersten brachialen Hip-Hop-Indie-Nummer auf mich hereinbricht, hat eine deartartige Coolness und druckvolle Spielfreudigkeit, dass mir der Mund offen bleibt. Das liegt nicht nur an der rapgewandten Frontfrau Ninja, sondern auch an dem gesamten Ensemble, dass in wirklich zirkusreifem wilden Durcheinander die Instrumente wechselt und zwischen doppeltem Schlagzeug, Akustikgitarre, Glockenspiel, Mundharmonika, Rockgitarren und Samples geschmeidig hin und her switcht.
Florian Wieser
Gleichermassen werden hier Stile so selbstverständlich miteinander verschränkt, dass sich irgendwann zwischen Old School Hip Hop Rhythmen, 90iger Noise-Espakaden, vermeintlichem Japan-Popcharme, punkigen Rockriffs und filmmusikalischen Einsprängseln sich jegliche Zuordnung dieser Band ad absurdum führt. In einem Moment scheint ein massives Funk-Orchester auf der Bühne zu stehen, im nächsten eine fragile Indie-Popband. Zwischendurch glaubt man einen Kinderchor zu vernehmen, während mit augenscheinlicher Sicherheit eine veralterte Schreibmaschine den Takt vorgibt.
Florian Wieser
The Go! Team liefern eine unglaublich freudige, unprätentiöse, geschmackvolle, energetische und einnehmende Live-Show ab, die widerspiegelt, welch ein unerschrockenes und uneingeschränkt offenes Musikverständnis diese sechsköpfige Band besitzt. Die Vorfreude zum nächste Woche erscheinenden Album hat somit auch mich gepackt. Dieses fulminante Geburtstagsständchen wird schwer zu toppen sein. Aber warten wir ab, denn was uns Christian Lehner vorab zu "Blue Songs" verraten hat, lässt auf eine stunning performance schließen.
22:40 Uhr: Hercules And Love Affair
Zugegeben, nach all dem organischen, quirrligen Sound von The Go! Team fiel es mir anfangs schwer, mich in das elektronische Universum von Herclues & Love Affair einzuklinken. Den zwei Schlagzeugsets und Unmengen an Verstärkern ist ein großer Tisch voller digitaler Schatzkästchen gewichen, aus denen Andy Butler seine trockenen Beats zaubert. Davor tanzen in scheinbar intuitiver Abgestimmtheit Kim Ann Foxman und die neuen SängerInnen galant und ausdrucksstark zugleich. Sobald man sich in den hypnotischen Beatfluss fallen lässt, verwandelt sich die Open Air Arena in einen ravigen Clubtempel, in dem sich eine fette Basslinie der anderen die Midi-Klinke in die Hand gibt.
Florian Wieser
Trocken und zielsicher lassen Hercules And Love Affair ihre Tracks ineinander fließen, bieten einen tanzlastigen Strom an Melodien, tranceartiger Rhythmik und dezent eingebauten Breakes. Ein gutes Set ist schließlich wie guter Sex, so Andy Butler, der die zweite Hälfte mit diesen Worten einleitet. Zuerst kommt das Vorspiel, das vorsichtige Herantasten an die darauffolgende Extase. Da blubbern ein paar Keyboardlinien und warme Glöckentöne durch den Raum, ein leichter, pulsierender Groove kündigt sich an.
Florian Wieser
So now we are done with that, now we get dirty! Zu unverholenem four-to-the-floor Beat schwingen Arme, Hüften und Beine, jetzt wird nichts mehr zurückgehalten. Die Intensität wird in die Höhe geschraubt. Nicht etwas durch die Dezibelanzahl, sondern kleine, für sich unscheinbare Elemente werden Schicht für Schicht auf den Dancefloorgroove aufgetragen, bis ein magnetischer Sog entsteht, dem sich kaum jemand entziehen kann. Vom minimalsten Kopfnicken über das verhaltene Gewichtsverlagern von einem Bein auf das andere, bis zum exaltierten hüfthohen Sprung ist alles dabei, darf alles sein, hat alles seine Berechtigung. Das Club-Feeling nach außen zu stülpen, über eine frierende, partywütige Gemeinde, das ist wahrlich hohe Kunst und zugleich das Geburtstagsgeschenk von Herclues And Love Affair.
Florian Wieser
23:50: Die Torte, das Pferd und der ganze Zirkus
Florian Wieser
Zur Geisterstunde folgt der traditionelle Zuckerschock. Diesmal schneidet unsere Chefin flankiert vom FM4 Zirkusdirektor, einem Pferd und einem Eisbär die Geburtstagstorte an. Aufgedreht von all den Beats, den knallenden Rhythmen, sich ins Bewusstsein fräsende Melodien und Hooklines, bereichert durch die wundervollen Songs, verzaubert von all den musikalischen Überraschungen, verlagern wir unsere Scheinwerfer dieser Geburtstagszirkusnacht in die große Halle, die mit den Fotos, den Crystal Fighters und Beat! Beat! Beat! sicher auch noch magische Momente liefern wird. Kein Wunder, ist es doch The Greatest Birthdayparty On Earth!. Schön, dass ihr auch dabei gewesen seid.
Florian Wieser