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Mari Lang

Moderiert, beobachtet und probiert aus – neue Sportarten, Bücher und das Leben in der Ferne. Ist Ungarn-Fetischistin.

9. 11. 2010 - 12:55

Lebensraum Fitnesscenter

Während wir uns im Alltag kaum mehr bewegen, gehen wir immer öfter ins Fitnesscenter. Ein kurzer Abriss über die Geschichte von Fitnessstudios und ihrem Status Quo.

Eva tut es und Martin auch. Neuerdings stemmt selbst Ulrike, die bisher eine Sporthasserin war, Gewichte. Eine spontane Umfrage unter Freunden hat ergeben, dass viele regelmäßig ins Fitnesscenter gehen oder zumindest schon einmal eine Mitgliedschaft hatten. Derzeit sind, laut Gerhard Span von der Wirtschaftskammer Österreich, rund sechs Prozent der Österreicher Mitglied in einem Fitnessstudio. Die Motivationen dafür sind so vielfältig wie die aktuellen Angebote. Eva will "den Speck am Bauch loswerden", Martin will "mehr Muskeln haben" und Ulrike will "einfach nur gesund bleiben."

leeres Fitnessstudio

flickr.com/redlionhoteldenver

"Gesund bleiben" ist ein löbliches, aber unter jungen Menschen wahrscheinlich eher seltenes Argument, um ins Fitnessstudio zu gehen. Konkurrenzkampf, Erfolgsdruck und Leistungsdenken dominieren vielerorts unsere Gesellschaft. "Wir müssen heute regelrecht fit sein", sagt der Wiener Sporthistoriker Rudolf Müllner. "Denn fit sein wird mit Erfolg und Schönheit gleichgesetzt. Und wer will das nicht?"

Eine genaue Definition von Fitness ist schwierig, da der Modebegriff von verschiedenen Personen und Interessensgruppe unterschiedlich definiert wird. Im Allgemeinen wird unter Fitness ein körperliches und geistiges Wohlbefinden verstanden. Fitnessstudios sind demnach Orte, die das Wohlbefinden steigern sollen. Sie kennzeichnen sich in der Regel durch einen Kraftbereich, der mit Geräten ausgestattet ist, und einen Cardiobereich, der mit motivierten Trainern bestückt ist. Doch das war nicht immer so.

Drei Bodybuilder am STrand, Foto aus dem Jahr 1956

flickr.com/ David van der Mark

Den heutigen Fitnesscentern ähnliche Trainingsstätten gab es erstmals Ende des 20. Jahrhunderts in den USA. Das Training mit Gewichten und der Muskelaufbau standen dabei im Vordergrund. In den 50er und 60er Jahren wackelten immer mehr gestählte Männerbrüste an den kalifornischen Stränden entlang, und auch hierzulande begann man gezielt mit Krafttrainings. Erste Bodybuildingstudios etablierten sich in Graz, und Arnold Schwarzenegger wurde bekannterweise zum Aushängeschild der österreichischen Szene.

1970er Jahre

Das erste große Fitnesscenter eröffnete 1968 in Wien. Auf 800 qm Fläche bot das "Europ-Sport-Center" vor allem Kraftsportgeräte und die Möglichkeit, asiatische Kampfsportarten wie Karate zu trainieren. "Das reine Stählen des Körpers stand damals noch im Vordergrund", sagt der Fitness-Fachmann Günter Pölzer, der 1971 das erste Fitnesscenter in Oberösterreich eröffnete und Betreiber mehrerer Nachfolgerstudios war. Bodybuilding war damals ein Männersport und Fitnesscenter fast ausschließlich Männerdomänen.

Jane Fonda in Fitness kleidung am Cover der Platte "Jane Fonda's Workout Record"

Columbia Records

1980er Jahre

Nachdem die Schauspielerin Jane Fonda das Buch "Aerobics" des US-Majors Kenneth H. Cooper über die Auswirkungen von Ausdauertraining auf Herz und Kreislauf gelesen hatte, adaptierte sie ihr Fitness-Training dementsprechend. Ihr Video "Jane Fonda's Workout" mit Elementen aus Tanz und Stretching löste einen wahren Hype aus. Knallige Leggins und hautenge Bodys inklusive Legwarmer und Stirnband wurden zum absoluten Muss. Und erstmals fanden auch Frauen vermehrt den Weg in die Fitnessstudios. Zahlreiche neue Center entstanden - u.a. in schlecht belüfteten Lagerhallen mit Betonböden - in denen oft unqualifizierte, selbsternannte Aerobic-Trainer Kurse anboten. So verwundert es nicht, dass der Boom Ende der 80er Jahre vorbei war.

1990er Jahre

Anfang der 90er Jahre entstanden neue Formen von Aerobic mit stärkerem medizinischen und sportwissenschaftlichen Fokus. Models wie Claudia Schiffer und Cindy Crawford waren Mitbegründerinnen dieser neuen Welle, die auch Einzug in die österreichische Fitnesscenter-Szene fand. 1989 eröffnete in Wien das Fitnesscenter Manhatten nach Vorbild des erfolgreichen New Yorker "Vertical Club". Auf rund 7.000 qm fanden sich eine Indoor-Laufbahn, ein Swimming-Pool, 12 Squash-Courts und eine reiche Ausstattung an Kraftmaschinen und Cardiogeräten. "Außer Gigantomanie und hochgeschraubten Erfolgshoffnungen", wie es der Fitness-Fachmann Pölzer in seinem detaillierten Abriss über die Geschichte der Fitnessbewegung schreibt, "bringt dieses Superobjekt als Neuheit den Einsatz der Sportmedizin als erweitertes Health-Program ins Angebot." Fitness-Checks, wie man sie heute aus den meisten Fitnessstudios kennt, leiteten damals eine neue Entwicklung in der Branche ein.

2000er Jahre bis heute

"Wellness" wurde das neue Schlagwort, das in Form von üppigen Saunabereichen, Massage- und Yoga-Angeboten ins Programm vieler Fitnessstudios eingebettet wurde. Immer mehr internationale Ketten ließen sich in Österreich nieder, und viele kleinere Studios mussten zusperren bzw. ihr Angebot erweitern, um Bestehen zu können. Derzeit gibt es rund 550 Fitnesscenter in Österreich. "Nach oben hin wird sich da nicht mehr viel tun", meint Fitness-Fachmann Pölzer, der u.a. als Lehrbeauftragter für Bereiche der Fitness-Trainerausbildungen am WIFI arbeitet. "Die Qualität wird sich sicherlich immer weiter verbessern und auch die letzten Nischen werden irgendwann gefüllt sein." In den vergangenen Jahren sind Studios entstanden, die sich auf eine bestimmte Zielgruppe spezialisiert haben. Frauen-Fitnesscenter oder Discount-Fitnessstudios sind regelrecht aus dem Boden geschossen. Hilfestellung durch Trainer oder Wellnesseinrichtungen gibt es in den letztgenannten zwar nicht, dafür viele Geräte für wenig Geld. "Dadurch werden jetzt auch die unteren Bevölkerungsschichten angesprochen", sagt der Sporthistoriker Müllner, "Fitnesscenter sind heute keine Elite-Orte mehr, sondern für jeden leistbar".

Für viele Menschen sind Fitnesscenter Teil ihres Lebens geworden - egal, ob Teenager oder Pensionist, hipper Städter oder traditioneller Landler. Mittlerweile trifft man zwischen Laufband und Hanteln jeden an, in New York genauso wie in Neuhofen an der Krems. Selbst meine Freundin Ulrike, die Sport hasst.