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Irmi Wutscher

Gesellschaftspolitik und Gleichstellung. All Genders welcome.

7. 11. 2010 - 13:09

Body Issues

Unser Körper zwischen Schönheitsnormen und Selbstmanagement. Die Spezialwoche auf FM4.

In unserer Zeit ist der Körper ein ebenso kompliziertes Feld geworden wie es zu Freuds Zeit die Sexualität war. Auch er ist geformt und deformiert durch die früheste Interaktion mit unseren Bezugspersonen, Trägern der Normen und Imperativen unserer Kultur, wie der Körper auszusehen und wie man mit ihm umzugehen hat.

So eine der zentralen Thesen von Susie Orbach, Psychotherapeutin und Psychoanalytikerin in ihrem Buch „Bodies - Schlachtfelder der Schönheit“.
Wir müssen uns also verabschieden von der Idee eines „natürlichen“ Körpers, mit dem wir geboren sind, vielmehr wird – und werde auch schon immer – unser Körper von uns gemacht.

Drei Barbiepuppen

flickr/susan402

Drei Barbies bzw. Barbie-Kopien aus den Jahren 1966, 2006 und 1999.

Der Körper als sozialer Marker

Buchcover "Projekt Körper"

Campus Verlag

Waltraud Posch:
"Projekt Körper -
Wie der Kult um die Schönheit unser Leben prägt"
Campus Verlag

Bedeutungszuschreibungen im alltäglichen Umgang sind immer auf unseren Körper gerichtet und werden von unseren Mitmenschen auch gelesen. „Wir positionieren uns immer damit, welchen Körper wir haben, wie wir uns herrichten und wie wir aussehen“ sagt die Grazer Soziologin Waltraud Posch. Daher spiegeln Körper auch immer den Zeitgeist wieder. Waren früher die Mächtigen an einem auch „mächtigen“, sprich beleibteren Körper als die der hungernden Bevölkerung erkennbar (z.B. Ludwig XIV.) drückt man heute durch einen fitten und schlanken Körper Flexibilität und Leistungsfähigkeit aus, zwei Ideale unserer Zeit.

Neu ist also nicht, dass wir unsere Körper formen, an ein Ideal anpassen oder als zu gewissen gesellschaftlichen Strukturen gehörig zeigen wollen. Neu sind aber die Mittel und das Ausmaß, mit denen das geschieht. „Wir haben viel mehr Technologien, um den Körper zu verschönern und um ihn auch im Griff zu haben, im Sinn von Gesundheitstechnologien, Hormongaben usw.“ sagt Waltraud Posch „,Die Forschung hat uns also eine Reihe von neuen Technologien und Methoden gebracht, um den Körper zu manipulieren.“

Instabile Körper

Die Ausweitung der Methoden der Körperveränderung bringt aber auch eine Ausweitung der Ansprüche an das Aussehen:

Erfolgreich sein heißt, mit jedem Jahr jünger auszusehen, wie es den Frauen im Fitness-Gym zu gelingen scheint. Erfolgreich sein heißt, den Körper zu reglementieren: Hunger und Verlangen, Alterung und Emissionen zu kontrollieren. Erfolgreich sein heißt, den Körper als lebenslange Arbeitsaufgabe zu begreifen. Erfolgreich sein heißt, Mängel – medizinischer wie ästhetischer Art – vorwegzunehmen und zu korrigieren. Doch wenn sich die normalen Körpervorgänge nicht ausreichend in Schach halten lassen – was schlicht nicht möglich ist -, wird der Körper zum Quell von Bestürzung und Versagensgefühlen.
stellt Susie Orbach in "Bodies" fest.

Sharon Tate & Dave Draper, sie streicht über seinen muskulösen körper

flickr.com/d_vdm

Orbach nimmt in ihrer psychotherapeutischen Praxis wahr, dass Körperidentitäten zunehmend "instabil" sind, das heißt, dass viele Menschen kein positives oder ganzheitliches Körpergefühl besitzen. Sie kann hier zahlreiche Beispiele nennen: Von Mädchen und Frauen, die sich zwanghaft mit Essen und Nahrungsaufnahme beschäftigen, über Menschen, die sich selbst verletzen um ihren Körper zu spüren bis hin zu solchen, die an sich gesunde Körperteile gerne amputieren lassen würden.

Aber auch außerhalb dieser Extreme findet man Beispiele dafür, wie stark wir in unserem Alltag durch Körpernormen und Schönheitsideale geprägt sind: So finden sich heute bereits sechsjährige Mädchen zu dick, jede zweite Frau hat schon mindestens einmal eine Diät gemacht. In Österreich lassen etwa 40.000 Personen jährlich eine Schönheitsoperation machen, Tendenz steigend. Denn es ist nicht wertfrei, wie wir aussehen, wie wir uns geben, welche Körper wir haben.

Buchcover "Bodies"

Arche Verlag

Susie Orbach:
"Bodies - Schlachtfelder der Schönheit"
Arche Verlag

Das Zeitalter der Selbstoptimierung

Unser Körper gilt jetzt als unser eigenes Produkt. Wir können ihn auf künstlichem Weg, mit bio-organischen Mitteln oder durch eine Kombination von beidem gestalten, doch welche Methode wir auch wählen, der Körper ist unsere Visitenkarte, das, was unsere Wachsamkeit und harte Arbeit oder andernfalls unser Versagen und unsere Schlamperei signalisiert.

Die Tendenz zum Selbstmanagement ist eine, die wir nicht nur am Körper spüren, sie betrifft andere Lebensbereiche, wie Arbeit oder (Aus)Bildung genauso. Aber hinter dem Aufruf zur permanenten Optimierung unseres Körpers stehen große ökonomische Interessen. Die Diät- und die Schönheitsindustrien sind Wachstumsbranchen und sie sind daran interessiert, dass wir uns mit unseren Körpern nicht wohlfühlen.

Jede Woche sind wir – über Werbung, Medien, die so genannte „Celebrity-Kultur“ - mit 2.000 bis 5.000 Bildern digital manipulierter Körper konfrontiert, die es so eigentlich gar nicht gibt. Mittlerweile wissen wir alle, wie viel bei diesen Bildern getrickst wird und trotzdem messen wir uns an ihnen und können garnicht anders, als scheitern.

campari

Vorher - Nachher mit Photoshop

Und schon gibt es die Schlankheitspille, die Wunderdiät oder das Fettverbrennungsgerät, das sofortige Abhilfe verschafft. Werbebotschaften, die eigentlich paradox sind. Denn, merkt Waltraud Posch an: „Wenn diese Werbeversprechen sich so einfach erfüllen würden, wären diese ganzen Industrien ja ziemlich schnell arbeitslos."

Globale Konsumkultur

Wenn wir auch schon immer unsere Körper verändert dafür verwendet haben, uns zu positionieren so ist es doch neu, dass wir in einer globalen Konsumkultur leben. Und diese wiederum hat sich die Ideale und Normen die Körper betreffend einverleibt. Die Vielfalt geht dadruch verloren, es entsteht überall, von Riad bis Caracas, eine Gleichförmigkeit der Körper:

Es sind nicht nur die überall gleichen Kaffee- und Kleidermarken, Shops und Kettenhotels, durch die wir auf der ganzen Welt Gefühle der Zugehörigkeit und Kontinuität erhalten können. Es ist auch die Zuschaustellung der richtigen Sorte Körper.

Und dieses Ideal ist natürlich bezüglich Alter, ethnischer Zugehörigkeit und Körpertypus eng begrenzt auf jung/westlich/schlank. Ein Ideal, dem weltweit nur ein geringer Prozentsatz der Menschen entspricht, die anderen müssen hart daran arbeiten, um auch nur in die Nähe davon zu kommen.

Body Issues – Die Körperwoche auf FM4

Unser Körper ist also zu unserem persönlichen Projekt geworden und mit Sport, Ernährung, ganz einfach dem „richtigen“ Lebensstil soll er permanent verbessert und an ein gobal zunehmend vereinheitlichtes Ideal angepasst werden. An vier Spezialtagen widmen wir uns auf FM4 Fragen rund um Körpernormen und angeblich richtiger Ernährung genauso, wie dem Trend zum Fitness-Center und zur Schönheitsoperation. Jeden Tag gehen wir in Reportagen, ExpertInnengesprächen und Diskussionen mit HörerInnen den verschiedenen Aspekten aktueller Körperpolitiken nach. Genaues Programm findest du hier.