Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Kammerton des Todes"

Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

15. 10. 2010 - 12:02

Kammerton des Todes

ZwischenTeenagern und Hochadel wird in "Der Metzger holt den Teufel" der schrullige Restaurator in die blutigen Morde an Orchestermitgliedern verstrickt.

You're a suspect, baby. Neue Krimis aus Österreich
Von 11. bis 15.10. täglich in FM4 Connected und auf fm4.orf.at

Sandra Kainz sitzt wie jeden Tag vor ihrem Computer. Sie loggt sich in den Chatrooom ihres Vertrauens ein, um sich nicht ganz alleine zu fühlen und dem neuesten Tratsch ihrer virtuellen Teegemeinschaft zu folgen. Doch an diesem Tag endet die Cyber-Unterhaltung mit der Ankündigung eines Todes. Aber was soll's, in den Weiten des Internet nimmt man solche Spinner wie den Psychopath mit Nickname "Kammerton" sowieso nicht allzu ernst.

Am selben Abend sitzt der klassikinteressierte Restaurator Willibald Adrian Metzger im Konzertsaal, neben ihm sein Freund und Hauptkommissar Eduard Pospischill, der das Einstimmen des Orchesters schon für die missglückte Ouvertüre hält. In der Pause setzt sich der Kunstbanause durch und der Metzger und sein Polizistenfreund gehen nach Hause. Als am Weg in seine Werkstatt der etwas behäbige Restaurator von einem Teenager am Skateboard überholt wird, ist er nicht nur gleich sein Sakko, sondern auch Brieftasche und Wohnungsschlüssel los. Nur eine Kleinigkeit im Vergleich dazu, was dem Metzger der nächste Morgen bringt.

Buchcover Thomas Raab Der Metzger Holt Den Teufel

Pieper Verlag

"Der Metzger holt den teufel", der vierte Metzger-Kriminalroman von Thomas Raab, im Pieper Verlag.

Ihre Kehle ist durchschnitten. Zusammengefaltet liegt der Leichnam einer Orchestermusikerin des Vorabends in einem Mistkübel. In den Händen hält sie noch die Schlegel für den letzten Paukenschlag ihres Lebens. Woher das der Metzger weiß? Sein Freund Pospischill steht mit Kipferl und dampfenden Kaffee in seiner Wohnung und erzählt brühwarm von dem Mord. Schließlich hat er keine Bleibe, nachdem ihn seine Frau Trixi aus der Wohnung geschmissen hat. Dem Metzger schwant Böses. Nicht nur, dass sich die Leichen in den nächsten Tagen vermehren werden, sondern auch dass sich sein ruhiges Zuhause zwangsweise in ein Polizeihauptquartier und zugleich Waschsalon für verstoßene Ehemänner verwandeln wird.

Doch damit nicht genug, taucht an diesem Nachmittag plötzlich eine hochgewachsene, schlanke und wunderschöne Frau in der Werkstatt des Metzger auf und erklärt, sie wäre seine Halbschwester. Ihr ist es zu verdanken, dass nicht nur des etwas misanthropischen Metzgers Privatleben Kopf steht, sonderner sich auch plötzlich in Mitten des Hochadels zwischen Golfplatz und Treibjagd wieder findet - und dort auf eine weitere Musikerinnenleiche stoßt.

Metzger, Adel, Teufel und Tod

Thomas Raab ist mit seinem vierten Kriminalroman um den schrulligen Restaurator Willibald Adrian Metzger ein Glanzstück an Unterhaltung, Spannung und Sozialsatire gelungen. Denn eigentlich mutet "Der Metzger holt den Teufel" trotzt seines recht kraftvollen Titels über die erste Hälfte nicht wie ein Krimi an. Die langsam anlaufende Geschichte scheint sie vielmehr um das Privatleben des Restaurators und seiner Freunde zu drehen. Wie Fremdkörper wirken da zunächst die eingeschobenen Chat-Episoden und das teuflische Grauen in Form eines namenlosen Fremden, der von seiner Kindheit traumatisiert, sich seine eigene, blutige Welt der Gerechtigkeit aufgebaut hat. Doch das schreiberische Geschick von Thomas Raab schafft es, über die rund 350 Seiten eine feine Balance zwischen falschen Fährten, kleinen Nebengeschichten und Haupterzählsträngen zu halten, die alle zum düsteren Ende kunstvoll ineinander verwoben werden.

Portraitfoto von Autor und Musiker Thomas Raab

Simone Heher

Thomas Raab wurde 1970 in Wien geboren, studierte Mathematik / Sportwissenschaften und arbeitete als Lehrer, bevor er sich entschloss, freischaffender Buchautor und Musiker zu werden. Eine gute Entscheidung.

Wie in jedem Metzger-Roman ist der gesellschaftliche Schauplatz ein großartiges Spielfeld für den schwarzhumorigen, pointierten und messerscharf analysierenden Sprachakrobaten. Diesmal hat er sich den österreichischen Adel vorgenommen, wobei seine Seitenhiebe gegen die zur Schau gestellte Präpotenz, Ignoranz und abartige Perversion dieser "Elite" durchaus auch auf die allgemeine "höhere Gesellschaftsklasse" umgelegt werden kann. Nur allzu vertraut wirken die von Raab witzig und zugleich gemein inszenierten Szenen am Golfplatz, am Landhaussitz, auf der Treibjagd und dem abendlichen Festmahl mit abschließendem Feuerwerk. Inmitten all dem "piekfeinen" Trubel kann man nicht anders, als den bisschen raunzenden aber leidensfähigen, blitzgescheiten aber langsamen, schüchternen aber extrem wortgewandten Willibald Adrian Metzger endgültig ins Herz zu schließen. Denn genau er vertritt die kauzige, etwas mieselsüchtige aber sehr menschliche Seite der österreichischen Seele, mit der man sich gerne und ohne Scham identifizieren kann.

Thomas Raab ist mit seinem neuen Metzger-Kriminalroman ab Oktober auf ausgedehnter Lesetour.

Das Faszinierende an "Der Metzger holt den Teufel" ist der facettenreiche Bogen, den Raab gleich über mehrere Ebenen spannt. Der Wiener Autor stiftet gerne Verwirrung, lässt dem Leser aber immer genug Zeit und Platz, den Kriminalfall zeitgleich mit dem Restaurator zu lösen. Er verstrickt uns mit seinem liebevollen und zugleich bissigen Beschreibungen in die persönliche Welt des Willibald Adrian Metzger, in der die Freundschaft mit dem Kommissar und die ratlose Tollpatschigkeit der Männer gegenüber ihren Frauen an Screwball-Komödien erinnern. Zugleich lässt Thomas Raab seinen Roman immer düsterer und blutiger werden, wobei es selbst in den dunkelsten, traurigsten Passagen immer genügend "menschelt", sodass wir nie ganz dem Teufel ausgeliefert sind. Wenn Raab seine Charaktere derart kunstvoll weiterentwickelt, wie es ihm in seinem vierten Roman schon gelungen ist, dann bleibt zu hoffen, dass wir noch öfter von dem Restaurator Metzger mordsmäßig überrascht werden.