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Simon Welebil

Abenteuer im Kopf, drinnen, draußen und im Netz

13. 10. 2010 - 12:39

Schnaps und Schnapsen

Georg Haderer lässt in "Ohnmachtspiele" seinen Tiroler Kommissar im herbstlichen Wien ermitteln. Die Depressionen, die dadurch ausgelöst werden, bekämpft man am besten mit Alkohol.

You're a suspect, baby. Neue Krimis aus Österreich
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Eigentlich ist Major Johannes Schäfer ja im Krankenstand, wegen den Depressionen, an denen sein letzter Fall und das herbstliche Wien schuld sind, aber der Personalmangel, an dem die Wiener Kriminalpolizei leidet, zwingt ihn wieder in den Dienst.

Buchcover von Georg Haderers Ohnmachtspiele. Flussufer mit roter Plastikente

haymon verlag

Georg Haderers "Ohnmachtspiele" ist 2010 im Haymon-Verlag erschienen.

Am Donauufer ist eine Wasserleiche angespült worden. Ein Unfall, meint der Polizeipräsident, denn erstens hätten sie sowieso nicht genügend Leute, um zu ermitteln, und zweitens wird die Kriminalstatistik nicht weiter in die Höhe getrieben, wenn der Tod als Unfall oder Selbstmord deklariert wird. Aus dem gleichen Grund musste Schäfer vor ein paar Wochen auch die Ermittlungen zu einem toten Junkie abbrechen, der verscharrt im Wienerwald gefunden wurde.

Doch diesmal verweigert Schäfer den Gehorsam und recherchiert auf eigene Faust weiter. Sein kriminalistisches Gespür rät ihm dazu, das habe ihn schließlich noch nie enttäuscht. Und als innerhalb weniger Tage noch eine dritte Leiche auftaucht, wird er aktiv.

Wenn er doch wenigstens einen Zusammenhang zwischen den Todesfällen herstellen könnte, dann bekäme er vielleicht Personal zugesprochen. Schäfer entwickelt eine wilde Theorie von zwei Serientätern, die eine mörderische Partie Schnapsen spielen. Um der Theorie den Durchbruch zu ermöglichen, hilft er schließlich selbst ein wenig nach.

Österreichisch

Haderer liefert mit "Ohnmachtspiele" eine bitterböse Analyse der politischen Situation in Österreich ab. Er zeichnet die verheerenden Konsequenzen auf, die die Maßnahmen von aufeinander folgenden schwarzen InnenministerInnen auf die Polizeiarbeit und die Gesellschaft hatten. Obwohl Sicherheit das zentrale Thema der Politik ist, wird bei der Polizei gespart. Politisch heikle Fälle werden unter den Tisch gekehrt (das Justizministerium interveniert erfolgreich) und die Großen gehen straffrei aus, während die schwächsten Glieder der Gesellschaft zu Sündenböcken gemacht werden. Und wieder spricht der Innenminister von einer Verschärfung des Asylgesetzes.

Georg Haderer Porträt

haymon verlag

Dass politische Günstlinge in hohe Positionen gelangen, wird nur mehr mit Zynismus kommentiert, "Mugabe... ist der neue Spitzname vom Hofbauer. Schwarz, machtgeil und unfähig", denn Freunderlwirtschaft ist ohnehin Alltag.

"Abgesehen davon, dass eine schlimme Grippewelle auch die Polizei nicht verschonte, hatte ihnen der Innenminister mit seiner hirnrissigen Reform in allen Ressorts Leute weggenommen. Und dort, wo eigentlich Führungskräfte mit langer kriminalistischer Erfahrung hingehörten, saßen zunehmend Politpolizisten - Karrieristen und Günstlinge, die kaum etwas von Polizeiarbeit verstanden. [...] Dass sich der Innenminister und sein ebenso unfähiger Vollstreckungsgehilfe, der Polizeipräsident, in den Medien als die Retter der Polizei darstellten und sich gleichzeitig so gut wie nie in die Kommissariate trauten, sprach für sich."

Wen wundert's, dass bei diesen Voraussetzungen öfter zum Alkohol gegriffen wird. Die österreichische Volksdroge nimmt einen prominenten Platz im Roman ein.

Österreichisch?

Sprachlich enttäuscht Haderer. Die Dialoge wirken oft gekünstelt, der Tiroler Ermittler klingt hölzern und auch seinen Wiener Kolleginnen fehlt die Authentizität. Vielleicht hätte es Haderers Roman und seinen ProtagonistInnen nicht schlecht getan, mehr auf österreichische Sprache zu setzen, wie es etwa Wolf Haas oder Alfred Komarek in ihren Krimis vorgemacht haben.

Klischees ziehen sich durch den ganzen Roman. Darunter leidet auch der Humor. Haderers Einfälle sind manchmal nur halblustig: "Kollegin" sagte Schäfer, "wenn Sie ein Mann wären, würde ich Sie jetzt küssen. Ich meine: nicht, weil Sie ein Mann wären, sondern weil Sie keine Frau wären, weil bei Frauen ist das bei der Arbeit ja gleich sexuelle ... na, Sie wissen schon."

Georg Haderer liest am 14.10.2010 um 19 Uhr bei der Haymon Kriminacht im Literaturhaus Wien.

Allen, die gerne krude Theorien nachspinnen und über die Bedienung von Klischees hinwegsehen können, ist dieser spannende Roman fürs Nachtkastl zu empfehlen, alle anderen sollten eher die Finger davon lassen.